Frank Miller & Jim Lee: All-Star Batman

Wenn es zwei Künstler gibt, die das Erscheinungsbild des Dunklen Ritters im (aktuellen) Bewusstsein der Öffentlichkeit entscheidend geprägt haben, dann sicherlich Frank Miller mit seiner Version in „The Dark Knight Returns“ (1986) und “Batman: Year One“ (1987) und Jim Lee in „Hush“ (2002/03).

Frank Miller & Jim Lee: All-Star Batman

Beide Künstler sind einzigartig und so durfte man zu Recht gespannt sein, was sie abliefern, wenn beide in „All-Star Batman“ zum ersten Mal zusammenarbeiten. Miller wird nicht müde zu betonen, wie sehr er diesen Charakter liebt. Lee ist sich immer bewusst, welchen millionenschweren Marktwert Batman darstellt. Lee liebt die Herausforderung – Miller liebt die Provokation, eine gute Mischung und die besten Vorraussetzungen für wahrlich explosive Momente. Sicherlich hätte Miller alles zum Thema machen können/dürfen. Aber Miller greift sich wohl das heraus, wo es die vermeintlich meisten Angriffspunkte gibt: Der Erwachsene Bruce Wayne, der sich als Batman verkleidet und der kleine Junge Dick Grayson, den er unter seine Fittiche nimmt.

Frank Miller & Jim Lee: All-Star Batman

Neu an der Sicht von Miller ist, dass Bruce Wayne an dem besagten Abend des Endes der FLYING GRAYSONS nicht zum ersten Mal in diesem Zirkus sitzt um sich die Artistenfamilie – insbesondere das Kind! – anzuschauen. Nein, er war schon einige Male vor Ort um sich genau diesen Jungen anzuschauen! Kaum sind die Eltern ermordet, wird der kleine Dick von korrupten Polizisten entführt. Batman heftet sich sofort an deren Fersen und stellt die vier Cops – ob sie überleben, geht nicht ganz klar hervor. Hat Lee mitunter nur etwas zu spektakulär alles in Szene gesetzt, oder wird diese Brutalität und deren Folgen bewusst realistisch dargestellt? Hier haben wir es schließlich mit dem Pre-Robin-Batman zu tun und wir wissen aus den ersten DETECTIVE COMICS, dass THE BATMAN gar nicht zimperlich mit seinen Gegnern umging.

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Die Sprache ist typisch Miller – hart, kurz, klar. Er spricht nichts aus, stellt nur Fallen für die Hintergedanken der Leser. Es kommt einem so vor, als ob Miller Batman diesmal in SIN CITY ansiedelt: Parallelen sind unverkennbar. Die gottverdammte Stadt Gotham City („goddam city“) ist eine Stadt voll von Korruption und die Polizisten scheinen alle gekauft.

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Batman jedenfalls beruft den kleinen, athletischen Jungen vom Fleck weg für seinen Krieg ein gegen das Böse – der Junge wird überhaupt nicht gefragt. Und hier macht sich Batman wohl schuldig an dem kleinen Jungen: Er lässt ihm keine Zeit für eine vernünftige Trauerarbeit, sondern rekrutiert ihn sofort zu einem Soldaten für seinen Krieg. Keine Trauer, sondern nur Hass und Wut! Was soll aus diesem Kind mal werden!? Das heißt dann bei Miller: „Ohne diesen Druck findet er Zeit zum Trauern. Und das darf er nicht. Trauer ist der Feind. Keine Zeit für Trauer. Trauer wird zur Billigung. Vergebung.“

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Rückblick: Gotham City vor sechs Monaten. In einer heruntergekommenen Gegend in Gotham City kellnert eine junge und überaus attraktive Dame im „Black Canary“ und muss alle Pöbeleien ihrer Gäste über sich ergehen lassen. Ein immer wiederkehrendes Motiv bei Miller: Unterdrückung, bis schließlich der Druck auf die Betroffenen zu groß wird und sich in einer Explosion (Revolution) entlädt. So auch bei dieser „Black Canary“, die in dieser miesen Kneipe kellnert – eben bis zu dem Zeitpunkt, wo es nicht mehr geht. Mit voller Wucht und viel Gewalt entflieht sie ihrer Situation; nicht zuletzt inspiriert durch Batman! Ebenso folgt eine andere weibliche Person dem Vorbild des Batman und kauft sich von ihrem Taschengeld ein Kostüm – sie heißt Barbara, sie ist bei Miller 15 Jahre alt und ihr Vater ist bei der Polizei in Gotham und heißt Gordon.

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Typisch Miller: Das Handeln eines Einzelnen beeinflusst das Handeln anderer (und damit evtl. die Gesellschaft), ohne dass er weiß wo, aber weiß, dass es so ist. Batman wird zum Vorbild für andere. Er besitzt Fähigkeiten, die nur in wenigen Menschen ausgeprägt sind. Bei Miller gilt es nun zu beobachten, was passiert, wenn dieser Mensch diese Gaben einsetzt: Was passiert mit der Gesellschaft, der Welt? Und was würde passieren, wenn er sich diesen Talenten verweigert (siehe Superman).

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Jetzt: Batman und der gerade von ihm entführte kleine Junge sitzen immer noch im Batmobil. Mächtig stolz ist Batman auf seine Autos, seine technischen Spielzeuge und seine Höhle. Und völlig davon überzeugt, dass das Kind ebenso davon fasziniert sein muss, reizt er seine Vorstellung des fliegenden Tauch-Schwimm-Batmobiles auch aus. Aber der zwölfjährige Artistensohn findet das Auto nur „tuntig“ und die Höhle eher unbeeindruckend und sagt es auch.

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Batmans einzige Reaktion darauf ist, dass er denkt, was der Junge doch für ein „Arsch“ ist. Als Pädagoge ist Batman höchst ungeeignet: So wird erzählt/angedeutet, dass Batman wohl in der Höhle als Kind „gelebt“(?) hat und dort sich von Ratten ernährt hat. Genauso soll es jetzt Dick ihm gleichtun – als Teil der Ausbildung.

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In Metropolis muss ein ahnungsloser Clark Kent auf seiner Milchtüte (ein in USA übliches Vorgehen bei der Suche nach Vermissten) lesen, dass Dick Grayson in Gotham City verschwunden ist, um gleich noch auf der Titelseite des Daily Planet zu lesen, dass er entführt wurde. Sogleich ist ihm aber klar, wer nur dahinter stehen kann: Batman! (Hier ist wohl leider ein Fehler bei Miller, Lee und deren Editoren unterlaufen…!?? Batman und das Kind sitzen noch im Auto, aber auf Milchtüten wird schon von dessen Entführung berichtet…?).

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In Metropolis treffen sich Wonder Woman, Superman, Green Lantern und Plastic Man, um zu beratschlagen, wie man gegen Batman gemeinschaftlich vorgehen sollte. Miller charakterisiert die vier Helden auf seine ganz spezielle Art und Weise: Wonder Woman ganz Amazone (mit Touch: Hure aus Sin City), Superman als unparteiisch und Plas als völlig durchgeknallt. Die vier “Helden“ streiten sich mehr, als dass sie miteinander reden.

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Miller Neuinterpretation der DC-Figuren ist zwar neu – und drastisch. “Sein“ Batman ist völlig überzogen. Der “GODDAM BATMAN“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Das ALL STAR-Konzept sah vor, dass die renommiertesten Künstler des Comic-Business frei vom Ballast der Continuity Geschichten erzählen. Den Anfang machten Frank Miller und Jim Lee bei BATMAN. Es folgten Grant Morrison und Frank Quitely mit ALL STAR SUPERMAN; weitere Titel waren in Planung, wurden aber nie realisiert. Bis auf den sehr gelungenen und auch fertig gestellten Run bei Superman, kann man das “ALL-STAR“-Konzept für gescheitert erklären.

Frank Miller & Jim Lee: All-Star Batman

In den drei Jahren (2005 – 2008) schafften es Miller/Lee nur, diese zehn Ausgaben fertig zu stellen. In 2010 wurde zwar hochoffiziell und im Brustton tiefster Überzeugung verkündet, dass die Serie unter dem Titel: “Dark Knight: Boy Wonder“ zu Ende geführt werden sollte – was aber leider bis zum heutigen Tag nicht geschehen ist. So bleibt die Story nur Stückwerk und zu viele Fragen offen.

Norbert Elbers


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