Miguelanxo Prado: Ardalén

Es gibt immer mal wieder Comics, deren Erscheinen ich förmlich entgegengefiebert habe. Es gibt allerdings nur sehr wenige Comics, die diesem hohen Erwartungsdruck dann auch tatsächlich standhalten. Es gibt aber auch diesen Comic von Miguelanxo Prado (Der tägliche Wahn), der so viel besser als erhofft ausgefallen ist und auf allen Ebenen überzeugt.

Miguelanxo Prado: Ardalén

Am wenigsten überrascht hier zunächst die optische Ebene. Dass Prado als Zeichner, aber auch als Maler ein Ausnahme-Talent ist, sprang bei jedem seiner Comics sofort ins Auge. Wie schon in seinem Meisterwerk Kreidestriche hat er auch in Ardalén transparente Sprechblasen eingesetzt, wodurch die Bilder durch die Texte nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden, da Prados Zeichnungen auch hinter den Lettern hervorschimmern. Auf dem ersten Blick bewegt sich Prado, was die Schauplätze der Geschichte betrifft, auf vertrautem Terrain. Er zeigt wieder die grüne saftige Landschaft Galiciens und setzt sich erneut mit dem Meer und dessen Bewohnern auseinander. Doch auch das karibische Flair von Kuba fängt Prado mitreißend ein.

Miguelanxo Prado: Ardalén

Die souverän in Szene gesetzten atmosphärisch flirrenden Bilder erzählen nicht nur eine mitreißende Geschichte, sondern laden den Leser zugleich auch dazu ein, sich Gedanken darüber zu machen, was das Leben wirklich ausmacht. Prados Fazit ist: “Wir leben dadurch, dass wir uns erinnern und dadurch, dass wir in Erinnerung bleiben.“ Entsprechend fällt auch die Widmung am Anfang des Buches an seine Ehefrau aus: “Für Uxia, die beste und bestunterrichtete Zeugin des größten Teil meines Lebens, während ich der beste und bestunterrichtete Zeuge ihres Lebens bin.“

Miguelanxo Prado: Ardalén

Doch was sind Erinnerungen? Auf alle Fälle sind sie trügerisch, denn wir vergessen “wichtige“ Fakten, erinnern uns jedoch an allerlei Kleinkram. Hier setzt Prados Geschichte an, die (hauptsächlich aber nicht ausschließlich) von der nicht mehr ganz jungen Sabela handelt. Nachdem es bei ihr beruflich und privat nicht sonderlich gut läuft, beginnt sie mit Nachforschungen über ihren Großvater, der einst nach Kuba auswanderte und dort verschollen ist. Sie mietet sich in einem kleinen galicischen Ort ein und lernt dort einen gewissen Fidel kennen, der behauptet einst zur See gefahren zu sein und sich vage an Sabelas Großvater zu erinnern.

Miguelanxo Prado: Ardalén

Sehr zum Misstrauen der Dorfbevölkerung freundet sich Sabela mit dem älteren Herren an. Sie beginnt dessen Erinnerungen anzuzweifeln, ist aber trotzdem fasziniert von Fidel, auch nachdem sie erfährt, dass dieser niemals ein Schiff betreten hat. Doch der Ardalén, ein Wind aus Südwest, bringt allerlei verlorene Erinnerungen mit sich und konfrontiert Fidel schon eine ganze Weile mit verstorbenen Seelen, die dessen einsam gelegenes Haus bevölkern. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass plötzlich auch Sabelas Großvater an die Tür seiner Hütte klopft…

Miguelanxo Prado: Ardalén
Prados Comic hat einen Mystery-Touch ist zugleich aber auch um Realismus bemüht. Die Beziehungen, die zwischen den Figuren bestehen – bzw. sich entwickeln – sind absolut nachvollziehbar und mindestens ebenso spannend wie die gleichzeitig stattfindende “Geistergeschichte“. Zwischen den einzelnen Kapiteln wurden (kunstvoll gefakte) Dokumente und Sachberichte eingearbeitet, die der Erzählung zusätzliche Tiefe verleihen. Selten habe ich mich in einem Buch so wohl gefühlt und es daher auch so lange hinausgezögert, die Geschichte zu Ende zu lesen.

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Seit 1998 veranstaltet Miguelanxo Prado übrigens alljährlich in seiner wunderschönen Heimatstadt A Coruña Viñetas Desde O Atlántico, das nach der Barcelona Comic Convention zweitgrößte spanische Comicfestival.

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