Stephen King: Fairy Tale

Es kostete mich etwas Überwindung mit der Lektüre des neuen Romans von Stephen King zu beginnen. Kings Bücher über den Revolvermann Roland und den schwarzen Turm haben mir nicht sonderlich gefallen, genau wie seine Fantasy-Werke Der Talisman oder Die Augen des Drachen. Dass Fairy Tale zudem noch einen Umfang von knapp 900 Seiten hat, schreckte mich zusätzlich ab.

Doch King nutzt die in unserer Realität spielenden ersten 250 Seiten dazu, um seinen Lesern die Hauptfigur als so sympathisch darzustellen, dass diese danach gar nichts anders können als Charlie Reade auf seiner Reise in eine finstere Märchenwelt zu begleiten und zu hoffen, dass dem jungen Mann nichts Schlimmes geschieht. Doch es ist sicher nicht gespoilert, wenn verraten wird, dass auch in diesem Roman von Stephen King schlimme Dinge geschehen.

Alle Fantasy-Bedrohungen verblassen jedoch gegen den realistisch geschilderten Horror mit dem Charlie Reade gleich am Anfang des Buchs konfrontiert wird. Als er sieben Jahre alt war, starb seine Mutter und der Vater versuchte seinen Kummer im Alkohol zu ertränken. Sehr empathisch beschreibt King, wie Charlie jahrelang unter seinem immer stärker trinkenden Vater leidet. Dieser schafft dank der Anonymen Alkoholiker zwar die Rückkehr ins alte Leben, doch Charlie hat weiterhin ständig Angst, dass sein Vater rückfällig wird.

Die Tragödie seines Vaters hat Charlie aber auch sensibilisiert. Nachdem Howard Bowditch, ein älterer als schrullig geltender Nachbar, einen Unfall hatte und ins Krankenhaus musste, versorgt der mittlerweile 17-jährige Charlie dessen ebenfalls nicht mehr ganz jungen Schäferhund Radar. Nachdem Bowditch aus dem Krankenhaus entlassen wurde, kümmert sich Charlie auch um den Alten, der ihm kurz bevor er stirbt ein Geheimnis anvertraut. Gemeinsam mit Radar bricht Charlie in die vom Zerfall bedrohte Welt von Empis auf…

So packend wie der Auftakt des Romans ist Charlies Fantasy-Reise zwar nicht mehr erzählt, dennoch ist es interessant, wenn Stephen King aus Märchen-, Fantasy- und Kinderbuch-Klischees eine Horrorwelt zusammenbastelt.

Leider hat es der Heyne Verlag versäumt auch die Rechte für die 33 tollen schwarzweißen Illustrationen der US-Ausgabe zu erwerben. Diese sind immer am Anfang der Kapitel zu finden und stammen von Nicolas Delort („gerades Kapitel“), sowie von keinem geringeren als von Gabriel Rodriquez („ungerades Kapitel“), der auch den von Stephen Kings Sohn Joe Hill geschriebenen Comic Locke & Key gezeichnet hat.

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