Der Zeichner Achdé und der Szenarist Julien Berjeaut alias Jul haben bereits bei den drei gut gelungenen Lucky-Luke-Alben Das gelobte Land, Ein Cowboy in Paris und Fackeln im Baumwollfeld zusammenarbeitete. Daher waren die Erwartungen bei der nächsten Zusammenarbeit des Duos recht hoch.
Die Wahl des nicht so recht in den Wilden Westen passenden Themas Tierwohl weckt jedoch nur wenig Vorfreude, zumal die damit zusammenhängenden Diskussionen über die richtige Ernährung gegenwärtig schon allerlei Restaurantbesuche und sogar die Aufrechterhaltung mancher Freundschaften erschwert haben.
Dass in den USA bereits 1866 ein Tierschutzverein gegründet wurde, spielt in diesem Comic nur am Rande eine Rolle. Die völlig fiktive Geschichte handelt vom idealistischen Vegetarier Ovid Byrde, der auch einen wohlbekannten nicht eben intelligenten Hund zum Mitglied der Menagerie seines Gnadenhofs machte. Warum es sich bei dieser Farm um “Rantanplans Arche“ (so der korrekt übersetzte Titel des Albums) handeln soll, bleibt unklar.
Es ist keineswegs albumfüllend, wenn sich abwechselnd über den etwas naiven Ovid, sowie über dessen rückständige Zeitgenossen lustig gemacht wird. Dabei ist die Überlegung beim beliebten Brauch “Teeren und Federn“ künftig Laub statt Gefieder zu verwenden, noch eine der originelleren Ideen in diesem Comic.
Um doch noch etwas Würze in die Geschichte zu bringen, wird noch von einer Goldmine, einem mexikanischen Schurken mit dem originellen Namen Tacos, sowie von einem Generationskonflikt unter Indianern erzählt. Bei der Lektüre kommt der Gedanke auf, ob eine Diskussion mit (noch) guten Freunden über Sinn und Unsinn des Fleischkonsums nicht vielleicht amüsanter ist, als dieser Comic.
Nachdem der Zeichner Achdé mit dem Szenaristen Julien Berjeaut alias Jul bereits bei den äußerst gut gelungenen Lucky-Luke-Alben Das gelobte Land und Ein Cowboy in Paris zusammenarbeitete, kann fast von einem eingespielten Team gesprochen werden. Für Fackeln im Baumwollfeld hat das Duo ein ambitioniertes Konzept entwickelt.
Das zentrale Thema ist Rassismus und mit dem schwarzen Gesetzeshüter Bass Reeves, der tatsächlich gelebt und angeblich über 3.000 Outlaws dingfest machte, steht ein bisher viel zu wenig beachteter Held des Wilden Westen im Comic-Rampenlicht. Doch damit nicht genug, denn der Comic erzählt auch davon, dass Lucky Luke von einer Bewunderin die größte Baumwoll-Plantage in Louisiana erbt. Dazu gehören auch über 1.000 Sklaven…
Weil er ansonsten nicht mehr sein Lied vom “Poor Lonesome Cowboy“ singen kann, beschließt Lucky Luke, die Plantage den Sklaven zu übereignen. Dies entsetzt die benachbarten Plantagen-Besitzer, die sich trotz des verlorenen Bürgerkriegs immer noch für Südstaaten-Gentlemen halten. Doch ihr Verhalten ist alles andere als ehrenhaft, denn sie schlüpfen in die Kutten des Ku-Klux-Klans und Lucky Luke landet auf einem Scheiterhaufen…
Dies ist ganz schön harter Stoff für eine traditionsreiche Mainstream-Serie. Jul und Achdé trotzen der leider immer noch in die Zeit passenden Geschichte etliche großartige Momente ab. So heißt eine der Südstaaten-Damen Melania, während die von Lucky Luke in die Freiheit entlassenden Sklaven-Kinder Oprah und Barack davon träumen Journalistin bzw. US-Präsident zu werden.
Doch zugleich scheinen die Autoren etwas Angst vor der eigenen Courage bekommen zu haben. So drängt sich immer wieder eine Nebenhandlung mit bewährten Dalton-Klamauk in den Vordergrund und die Auflösung des Rassen-Konflikts durch (VORSICHT SPOILER!) eine Naturkatastrophe ist ein etwas unbefriedigendes Finale. Doch insgesamt gehen Jul und Achdé mit Un cow-boy dans le cotton sehr mutig in die richtige Richtung, um den Status von Lucky Luke als zeitlosen aber zeitgemäßen Klassiker zu erhalten.
Der 98. Band der Traditions-Serie Lucky Lukeerzählt wieder kein durchgehendes Abenteuer, sondern kurze Geschichten aus der Jugendzeit des einsamen Cowboys, der schneller als sein Schatten zieht. Das ist sehr schade, denn gerade in den letzten beiden Alben Das gelobte Landund Ein Cowboy in Parisvom Team Achdé und Jul zeigte sich die Serie wieder in alter Größe.
Doch nun also bereits der siebte Sammelband mit Geschichten von Lucky Kid (oder Kid Lucky, wie er im Original heißt). Zur Eröffnung gibt es auch diesmal eine etwas längere sechsseitige Geschichte, der es recht gut gelingt eine Verbindung zwischen Lucky Luke, wie wir ihn kennen, und seiner kleinwüchsigen Jugend-Version herzustellen. Dabei geht es um Pferdediebe, denen der Galgen droht…
Das restliche Album ist mit Onepagern von Achdé gefüllt, bei denen manchmal der Schlussgag bereits im ersten Panel zu erraten ist. Doch es gibt auch pfiffigere Short Storys, die in Aussicht stellen, dass Lucky Luke auch Totengräber oder ein Superheld wie Captain America hätte werden können. Naja, zur Verkürzung der Wartezeit auf das nächste längere Abenteuer des Westernhelden taugt dieser Comic durchaus.
Bereits zuvor in seinem siebten Lucky-Luke-Album Das gelobte Land (bei uns als Band 95 erschienen) arbeitete der Zeichner Achdé sehr erfolgreich mit dem Szenaristen Julien Berjeaut alias Jul zusammen. Nachdem zuvor die Autoren ständig wechselten, wurden in der empfehlenswerten Arte-Dokumentation Lucky Luke – Unser liebster einsamer Cowboy Jul und Achdé als neues Zeichner- und Texter-Team in der Nachfolge von Morris und Goscinny vorgestellt.
Jul ist auch als Zeichner tätig und wurde für sein bei uns nicht erschienenes Album Le Guide du moutard: Pour survivre à 9 mois de grossesse (“Das Gören-Buch: So überlebe ich 9 Monate Schwangerschaft“) 2007 auf dem Festival in Angouléme mit dem Prix René Goscinny ausgezeichnet. Nachdem Jol und Achdé in Das gelobte Land den einsamen Cowboy eine jüdische Großfamilie bei einer Reise von St. Louis nach Montana eskortierten ließen, bringt er diesmal eine einzelne Dame von Paris nach New York. Die Lady ist allerdings auch nicht ohne und 93 Meter groß!
Bereits das Titelbild von Ein Cowboy in New York verrät, dass diesmal die Freiheitsstatue im Zentrum des Geschehens steht. Nicht allzu weit von tatsächlichen Ereignissen entfernt, erzählt Jul davon, wie der Franzose Auguste Bartholdi mit einer übergroßen Hand, die eine Fackel hoch hält, quer durch die USA auf Promotiontour geht, um Geld zu sammeln für den Sockel jener riesigen Statue, die die Freiheit verkörpert und – spendiert vom französischen Volke – auf einer Insel vor New York aufgestellt werden soll.
Als Gegenspieler fungiert der fanatische Gefängnisdirektor Abraham Locker (sogar sein Kanarienvogel ist an eine kleine Kugel gekettet), der auf derselben Insel einen Hochsicherheitsknast errichten möchte. Mit fiesen Tricks versucht Locker daher zu verhindern, dass die Freiheitsstatue gebaut wird. Doch er hat seine Rechnung ohne Lucky Luke gemacht…
Dank der ungewöhnlichen Thematik, einer sehr spannenden Geschichte, sowie vielen wirklich zündenden Gags gelang Jol und Achdé das bisher beste Album der nach dem Tode von Goscinny begonnenen Ära des Comic-Klassikers. Selbst darüber, dass Lucky Luke nicht mehr raucht, wird gescherzt („Ihr Passfoto ist nicht aktuell, sie haben eine Zigarette im Mund!“) und auch die Farben seiner Klamotten, die den Cowboy als Begier ausweisen, spielen eine Rolle in der witzigen Geschichte.
Demnächst erscheint mit Fackeln im Baumwollfeld ein weiteres Lucky-Luke-Abenteuer von Achdé und Jul.
Dieses Buch ist bereits der 28. Band der durch seine knallrote Titelbildgestaltung vielleicht nicht optimal, doch zumindest einheitlich aufgemachten Gesamtausgabe von Lucky Luke. Die 2003 gestartete Reihe sollte somit auf dem neusten Stand sein, doch dies ist leider nicht der Fall, denn zwei im (auf dem Cover zu lesenden) Zeitraum von 2016 bis 2018 erschienene Lucky-Luke-Comics fehlen in dieser Edition.
Hierbei handelt es sich um Alben, die nicht vom amtierenden Stammzeichner Achdé (Hervé Darmenton) zu Papier gebracht wurden. Sehr viel Aufmerksamkeit erregten um Umfeld des 70. Geburtstag von Lucky Luke zwei recht ungewöhnlich gestaltete Comics, über den einsamen Cowboy. Während Matthieu Bonhomme in einem recht realistischen Stil die zwar spannende, aber nur bedingt komische Geschichte Der Mann, der Lucky Luke erschosszeichnete und erzählte, setzte Guillaume Bouzard in Jolly Jumper antwortet nicht auf einen reduzierten Stil und respektlose Flapsigkeit.
Der Band der Gesamtausgabe enthält stattdessen mit Martha Pfahlund Mitten ins Schwarze zwei von Achdé gestaltete Kurzgeschichten-Sammlungen um die nicht unumstrittene Jugendversion Lucky Kid, die im französischen Original Kid Lucky heißt und seit Mitte der 90er Jahre bereits in sechs Alben auftrat.
Sehr viel gelungener, ja fast schon so gut wie die Geschichten aus der Hochphase von Morris & Goscinny, ist das ebenfalls in dieser Gesamtausgabe enthaltene Abenteuer Das gelobte Land. Lucky Luke hilft hier einer aus Osteuropa kommenden jüdischen Familie von St. Louis nach Montana zu gelangen. In den informativen Texten, die Horst Berner zur Gesamtausgabe beisteuerte, ist zu erfahren, dass Szenaristen Julien Berjeaut alias Jul, der Autor von Das gelobte Land bereits Ideen zu vier bis fünf weiteren Abenteuern mit Lucky Luke hat. Um die Zukunft der Serie muss sich somit nicht gesorgt werden.
Der 96. Band der Traditions-Serie Lucky Luke erzählt wieder kein durchgehendes Abenteuer, sondern kurze Geschichten aus der Jugendzeit des einsamen Cowboys, der schneller als sein Schatten zieht.
Fast ganz ohne Beteiligung von Lucky-Luke-Schöpfer Morris entstanden mit Am Fluss der rosa Biber und Oklahoma Jim bereits Mitte der 90er Jahre Abenteuer von Lucky Kid. Während diese Geschichten bei uns in die nicht chronologische geordnete Lucky-Luke-Reihe als Band 82 und 73 aufgenommen wurden, heißt diese Figur in Frankreich Kid Lucky und hat eine eigene Serie.
Morris hat Lucky Kid nach zwei Alben mit durchgehenden Geschichten auf Eis gelegt. Achdé, der dessen Erbe angetreten hat, zeichnete und textete seit 2011 unermüdlich weiter. Er füllte bereits vier Alben mit den zumeist einseitigen Kurzgeschichten über den kleinen Lucky Luke.
Beim vorliegenden Comic handelt es sich um den sechsten Band von Lucky Kid, bzw. um Les Aventures de Kid Lucky d’après Morris sous le numéro 4. Den Story-Reigen eröffnet eine sechsseitige Geschichte, in der auch der erwachsene Lucky Luke dabei ist und sich an seine Jugendzeit erinnert. Die restlichen 40 Seiten enthalten kurze Gagstrips von unterschiedlicher Güte. Recht hübsch mitzuerleben, wie Lucky Lukes Pferd Jolly Jumper seine ersten vergeblichen Gehversuche macht. Zu jedem Gagstrip gibt es belehrende Texte und so ist zu erfahren, dass es sich bei Jolly Jumper um ein Ouarter Horse mit “spanischen, englischen und indianischen Chickasaw-Blut“ handelt.
Die Lektüre dieses Bandes bietet kurzweilige Unterhaltung und entlockt dem Leser manches Schmunzeln. Doch so richtig zu glauben ist es nicht, dass aus dem harmlosen Lausbuben Lucky Kid einmal ein unglaublich cooler durch nicht zu erschütternder Cowboy werden soll.
In der 117. Geschichte mit Lucky Luke nimmt sich dieser einer ziemlich eigenwilligen aus Osteuropa in die USA kommenden jüdischen Familie an. Um einem Freund einen Gefallen zu erweisen, eskortiert Lucky Luke diese von St. Louis nach Montana. Dabei muss er sich nicht nur mit Banditen und Indianern auseinandersetzten, sondern auch mit den Marotten der Mischpoche seine Kumpels Jack Loser alias Jakob Stern.
In seinem siebten Lucky-Luke-Album (nicht mitgerechnet sind seine drei Sammelbände mit den Geschichten von Lucky Kid) hat der Zeichner Achdé diesmal mit dem Szenaristen Julien Berjeaut alias Jul zusammengearbeitet. Dieser ist auch als Zeichner tätig und hat für sein bei uns noch nicht erschienenes Album Le Guide du moutard : Pour survivre à 9 mois de grossesse (“Das Gören-Buch: So überlebe ich 9 Monate Schwangerschaft“) 2007 auf dem Festival in Angouléme den Prix René Goscinny gewonnen.
Vielleicht auch daher hat sich Jul bei seinem Szenario zu Lucky Luke an den Meisterwerken von Gosinny orientiert. Er erzählt die spannende Geschichte einer Reise voller Gefahren und garniert diese mit Gags und Anspielungen. Ob sich Goscinny allerdings auch auf einen etwas breitgetretenen Sketch zu Star Wars (immerhin heißt der Cowboy ja Luke mit Nachnamen) eingelassen hätte, erscheint fraglich. Doch die amüsanten, aber nie verletzenden, Gags über jüdisches Brauchtum (bis hin zum Kakteen im Schlussbild, der wie ein siebenarmiger Kerzenhalter aussieht) zünden meistens.
Die Ähnlichkeiten zwischen einem Sheriff-Stern und einen gelben Juden-Stern hätte Goscinny wahrscheinlich genau wie Jul auch thematisiert. Anspielungen gibt es auch auf den Film Die Abenteuer des Rabbi Jacob, dessen Hauptdarsteller Louis de Funès bereits 1981 die Hauptrolle im Lucky-Luke-Album Der einarmige Bandit spielte. Möglicherweise hat die amüsante Geschichte von Jul auch Achdé angespornt, denn diesem gelangen, neben einem wirklich tollen Titelbild, viele neue sympathische Nebenfiguren und stimmungsvolle Bilder, etwa von einer Stampede oder der Ankunft eines Mississippi-Dampfers.
in der empfehlenswerten Arte-Dokumentation Lucky Luke – Unser liebster einsamer Cowboy Jul und Achdé als neues Zeichner- und Texter-Team in der Nachfolge von Morris und Goscinny vorgestellt. Im Anschluss erschienen mit Ein Cowboy in Paris und Fackeln im Baumwollfeld weitere interessante Lucky-Luke-Abenteuer des Duos.
Die Western-Parodie Lucky Luke des als Morris bekannten Belgiers Maurice de Bevere (1923-2001) wirkt auch nach 70 Jahren dank ihrer gekonnt karikierten Typen sehr frisch. Neben der aktuell von Hervé Darmenton alias Achdé im klassischen Look werkgetreu weitergeführten Serie versucht sich jetzt auch Matthieu Bonhomme an Lucky Luke.
Sein eher realistischer Zeichenstil scheint auf den ersten Blick nicht zur stark karikierenden Darstellung des Wilden Westen zu passen, die ihren Höhepunkt feierte, als der große René Goscinny neben Asterixauch noch Lucky Luke textete. Bonhomme zeigte zuvor schon in der von Lewis Trondheim geschriebenen Serien Texas Cowboys und Omni-Visibilis dass realistische Zeichnungen und skurriler Humor kein Widerspruch sein müssen. Außerdem wurde bereits innerhalb der ebenfalls in Belgien entstandenen Traditions-Serie Spirou bewiesen, dass es eine gute Idee ist, neben der regulären Reihe auch einmal Experimente mit weiteren Zeichnern und Autoren zu wagen.
Auch wenn Der Mann, der Lucky Luke erschoss nicht wie einst bei Morris & Gosinny alle paar Panels einen Schenkelklopfer serviert, kann das Experiment, vor allem dank des interessanten Zeichenstils von Bonhomme, als gelungen betrachtet werden. Dessen Geschichte um das von drei undurchsichtigen Brüdern kontrollierte Städtchen Froggy Town hat leider nicht so viel schrägen Humor wie die Texas Cowboys und ist eher spannend als lustig. Doch ganz nebenbei wird eine recht plausible Erklärung geliefert, warum Lucky Luke ab 1982 in den Comics aufgehört hat zu rauchen und fortan zum Strohhalm statt zur Zigarette griff.
Zeitgleich entstand mit Jolly Jumper antwortet nicht, eine weitere Neuinterpretation von Lucky Luke, die Guillaume Bouzard sehr reduziert zu Papier gebracht hat.
Mit Wantedgelang Matthieu Bonhomme eine zweite sehr viel bessere Lucky-Luke-Hommage, die sich nicht hinter dem Original verstecken muss.
Der 70. Geburtstag von Lucky Luke ist natürlich ein sehr dankbarer Anlass, um die spannende Geschichte des Cowboys, der schneller als sein Schatten zieht, zu erzählen.
Ausstellungen zum Jubiläum in Angoulême und Erlangen zeigten, was für ein dynamischer Zeichner der Belgier Maurice de Bévère (1923-2001) alias Morris war, der zu Unrecht immer etwas im Schatten seiner Kollegen André Franquin und Albert Uderzo stand. Ein Ausstellungs-Katalog, der auch bei Egmont auf Deutsch erscheint, zeigte durch vergrößerte Abbildungen, dass die Wirkung einzelner Panels von Morris der immer wieder gerne gefeierten „klaren Linie“ von Hergés „Tim und Struppi“ in nichts nachsteht.
Die durchgehend farbig und sehr schön bebilderte 64. Ausgabe der “Reddition“ beschäftigt sich in neun Artikeln mit verschiedenen Teilaspekten rund um das zeitlose Phänomen Lucky Luke. Den Auftakt bildet ein Bericht von Volker Hamann über das Frühwerk, das Morris ab 1945 für die Illustrierte “Le Moustique“ (“Die Mücke“) schuf. Hier war ein vielfältig talentierter Zeichner auf der Suche nach einem eigenen Stil. Anschließend versucht Michael Hein “Die Kunst des Maurice de Bévère“ zu beschreiben und analysiert die parodistischen Aspekte der Serie.
Wichtig ist natürlich auch René Goscinny. Peter Nover porträtiert den großen Comic-Autor, der zunächst auch als Zeichner tätig war. Morris war heilfroh als dieser ihm ab 1955 das leidige Schreiben der Geschichten abnahm und er sich dadurch voll aufs Zeichnen konzentrieren konnte. Horst Berner, der auch die Texte zu Egmonts Lucky-Luke-Gesamtausgabe beisteuert, beschäftigt sich mit der wechselhaften und kuriosen Veröffentlichungsgeschichte der Serie in Deutschland. So blieb in den deutschen Fassungen zwar der Name von Lucky Luke unangetastet, doch dessen Pferd Jolly Jumper, hieß zuvor schon einmal Rosinante oder Rosa, und der Hund Rantanplan trug zunächst den Namen Sheriff.
Da Morris seinen Cowboy eigentlich als animierte Figur geplant hatte, beschreibt Jens R. Nielsen faktenreich die Anfänge des belgischen Zeichentrickfilms. Auf die ab 1971 entstandenen Kinofilme mit Lucky Luke geht er leider nur recht kurz ein. Recht interessant ist auch Volker Hamanns Bericht über “Lucky Luke in den Niederlanden“. Wichtig ist natürlich auch der Zeichner Hervé Darmenton alias Achdé, der die Serie im klassischen Look werkgetreu weitergeführt und von Bernd Frenz porträtiert wird.
Bemerkenswert ist aber auch ein etwas anderer Lucky Luke, der gerade in einem neuen Comicalbum “erschossen“ wurde. Matthieu Bonhomme, der zuvor schon mit der von Lewis Trondheim geschriebenen Western-Serie „Texas Cowboys“ bewiesen hat, dass realistische Zeichnungen und skurriler Humor kein Widerspruch sein müssen, hat aktuell die Geschichte “Der Mann, der Lucky Luke erschoss“ veröffentlicht. Matthias Hofmann befasst sich mit diesem “alternativen“ Lucky Luke und mit einer weiteren Neuinterpretation der Serie, die Guillaume Bouzard sehr reduziert zu Papier gebracht hat.
Im Anhang dieser wieder sehr gelungen zusammengestellten “Reddition“ befindet sich noch Bibliographie von Morris, die durch ihren Umfang von 16 Seiten selbst Comic-Insider überraschen dürfte.
Eine interessante Ergänzung liefert die 46. Ausgabe der „Bastei Freunde“ in der Peter Menningen interviewt wird. Dieser hat zwischen 1993 und 1994 für den Bastei Verlag rund 375 Comicseiten mit Lucky Luke getextet, die offiziell von Morris abgesegnet waren und in Spanien gezeichnet wurden.
Nach Band 89 “Lucky Kid“ und Band 91 “Ein starker Wurf“ folgt eine weitere Zusammenstellung einiger von Achdé geschriebenen und gezeichneten Comic-Geschichten mit Jugend-Abenteuern des Mannes, der schneller als sein Schatten zieht.
Auf dem Backcover des Albums ist es kein Revolver, den der kleine Lucky zieht, sondern eine Steinschleuder.
Mitte der 90erJahre erschienen die fast ganz ohne Beteiligung von Morris entstandene Comics “Oklahoma Jim“ und “Am Fluss der rosa Biber“, die durchgehende Geschichten mit Lucky Kid erzählten. Achdé hat erkannt, dass der kleine Cowboy nicht zu albumlangen Geschichten taugt und daher setzt er ihn in meistens recht amüsanten Onepagern ein, die noch um belehrende Texte ergänzt wurden. So wird jüngeren Lesern etwa diese Weisheit mit auf den Lebensweg gegeben; “In vielen Salons gab es sogenannte Animierdamen, die tanzten und die Gäste zum Trinken verführen sollten. Dafür erhielten sie einen Anteil des Umsatzes.“
In Frankreich ist “Les aventures de Kid Lucky d’après Morris“ eine eigene Alben-Reihe und “Matha Pfahl“ (Originaltitel “Statue Squaw“) der dritte Band dieser Serie. Auffallend ist, dass in einigen Short Storys auch der “alte“ Lucky Luke auftritt. Meist handelt es sich hierbei um Geschichten, in denen Lucky Kid sich Gedanken über seine Zukunft macht.
Daher ist es ein hübscher Gag, wenn am Abschluss des Comic-Alben in der fünfseitigen Story “Ein Weihnachtsmärchen“, der erwachsene Lucky Luke davon träumt, wieder ein Kind zu sein.