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Deutsche Comicforschung 2021

Auch der 17. Band der seit 2005 alljährlich erscheinenden Reihe Deutsche Comicforschung bietet wieder die gewohnte Qualität. Zehn chronologisch angeordnete Artikel laden ein, zu einer reich bebilderten Zeitreise durch sechs Jahrhunderte deutsche Comicgeschichte.

Deutsche Comicforschung 2021

Im ersten Beitrag beschreibt Herausgeber Eckart Sackmann den Anfang des 15. Jahrhundert entstandenen Schneiderbalken im Kölner Dom, der die Basis von 5 Kerzenständern ist. Auf dem Balken befindet sich ein langes Gemälde, das in elf in einander übergehenden Bildern die Passionsgeschichte Christi erzählt und durchaus als Comic ohne Sprechblasen gedeutet werden kann.

Deutsche Comicforschung 2021

Unter dem Motto “Zwischen Mythos und Vergessen“ beschäftigt sich Tomas Prokupek sehr ausführlich mit dem böhmischen Multitalent Karel Václav Klíč. Dieser arbeitete im 18. Jahrhundert nicht nur daran, die Drucktechnik zu optimieren, sondern zeichnete auch politische Karikaturen und Bildgeschichten.

Deutsche Comicforschung 2021

Abgesehen vom letzten Beitrag “Emanzipation und Berufung“ über Comiczeichnerinnen, beschäftigen sich die restlichen sieben Artikel mit Comic-Aktivitäten aus dem letzten Jahrhundert.. Dabei geht es um die bunten “Wichtel-Welten“ von Fritz Baumgarten, einen die Kolonialpolitik anprangernden Bildroman von Adolf Uzarski, den österreichischen Zeitungscomic Herr Adabei, den ab 1937 in der Romanzeitschrift Blütenregen veröffentlichten Strip Onkel Tapps auf der Weltreise und die Automobil-Comics von Jonny Reinisch.

Deutsche Comicforschung 2021

Bemerkenswert ist auch Sackmanns akribische Rekonstruktion der Entstehungs- und Publikationsgeschichte des Sachbuchs Comics. Anatomie eines Massenmediums, das in zahlreichen verschiedenen Editionen und in hohen Auflagen auch im Ausland erschienen ist. Nicht zu Unrecht wird hier bemängelt, dass sich Reinhold Reitberger und Wolfgang J. Fuchs stark auf die USA konzentrierten und die Entwicklung der Comics in Europa vernachlässigten.

Deutsche Comicforschung 2021

Sehr gelungen ist auch der Beitrag von Andreas Dierks, der sich mit den Comics von Bernd Pfarr (Sondermann) beschäftigt. Obwohl dieser in seinem viel zu kurzen Leben über 700 Comicseiten gezeichnet hat, ist er heute fast ausschließlich für seine schrägen Cartoons und Gemälde bekannt.

Deutsche Comicforschung 2021

Einmal mehr gelang es dem Team von Sackmann zu belegen, wie vielfältig die deutsche Comiclandschaft war und ist.

Bernd Pfarr: Sondermann

Bernd Pfarr liebte schön gestaltete Bücher und ließ sich daher seine Lieblingswerke nach eigenen Vorstellungen neu binden. Bereits die erste 2007 beim Steidl Verlag erschienene recht beeindruckende Gesamtausgabe mit den Abenteuern seiner populärsten Figur erlebte der drei Jahre zuvor an Krebs verstorbene Pfarr nicht mehr. An der Sondermann-Edition des Carlsen Verlags hätte er noch mehr Freude gehabt.

Bernd Pfarr: SondermannZwar kommt diesmal der komplette Sondermann in einem etwas kleineren Format zum Abdruck, doch die Aufmachung ist ungleich edler. Zwei Bände mit je zwei Lesebändchen stecken in einem schwarzen Schuber. Auf der einen Vorderseite wurde der frühe noch etwas schlankere Büroangestellte eingeprägt, auf der Rückseite der deutlich rundlichere späte Sondermann.

Bernd Pfarr: Sondermann

Die ersten Seiten zeigen nicht nur, in welchem redaktionellen Umfeld Sondermann seine Premiere erlebte, sondern sind auch auf dem dünnen leicht glänzenden Papier gedruckt, auf dem die Figur 1987 im “endgültigen Satiremagazin“ TITANIC ihre schwarzweiße Premiere erlebte. Anschließend folgt ein Abdruck aller Cartoons und Comics mit Sondermann auf sehr viel besseren Papier. Die nicht von Bernd Pfarr stammenden Texte wurden weggelassen, was gut ist, denn dessen Geschichten sind zeitlos, da sie – so Robert Gernhardt – dem Leser erlauben “die klare Luft der Unvernunft atmen zu können“.

Bernd Pfarr: Sondermann

Die Welt in der Sondermann lebt, ist nur ansatzweise mit der unseren zur Deckung zu bringen. Recht realistisch ist, dass  Sondermann immer wieder Gründe dafür findet, an seinem Arbeitsplatz am Schreibtisch zu sitzen, aber nicht arbeiten zu müssen. Doch oft lenken ihn in seinem Büro ganz seltsame Dinge ab, wie Elefanten, die mit dem Ofen Fußball spielen, ein ganz plötzlich auftauchender Yeti oder der “schwüle Elfentick“ seines Chefs.

Bernd Pfarr: Sondermann

In einem von einer derart wilden und ungebremsten Phantasie konstruierten Zusammenhang ist es Surrealismus und ganz gewiss  kein Rassismus,  wenn eines der Hobbies von Sondermann das “Negerschrubben“ ist.

Bernd Pfarr: Sondermann
Die Carlsen-Edition enthält neben zahlreichen Vor- und Nachworten noch ausführliche Anmerkungen sowie Skizzen und Titelbilder, also eine ganze Wundertüte voller Merkwürdigkeiten. Völlig zurecht trägt diese optimal aufgemachte Ausgabe den Titel Sondermann kommt ganz groß heraus.

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