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Das fliegende Klassenzimmer

1933 schrieb Erich Kästner mit Das fliegende Klassenzimmer seinen wohl komplexesten Jugendroman. Da das Buch in einem nur von Jungen besuchten Internat spielt hat es – ganz im Gegensatz zu Pünktchen und Anton, Das doppelte Lottchen und (dank Pony Hütchen) auch Emil und die Detektive – ein nahezu ausschließlich aus männlichen Charakteren bestehendes Ensemble. Erst in der vierten Verfilmung des Klassikeres sind auch Schülerinnen dabei.

1954 machte der Komödienspezialist Kurt Hoffmann (Ich denke oft an Piroschka, Wir Wunderkinder) aus Das fliegende Klassenzimmer einen gemütlichen Schwarzweißfilm mit einen leicht nervigen Mundharmonika-Soundtrack.

Die Hauptrolle des von allen Schülern geliebten Lehrers Dr. Johannes Bökh alias “Justus“ spielt Paul Dahlke, mit dem Hoffmann ein Jahr später die sehr amüsante Kästner-Verfilmung Drei Männer im Schnee drehte.

Ein noch sehr junger Peter Kraus verkörpert den Schüler Johnny und als der in einem Eisenbahnwagen wohnende und von allen “Der Nichtraucher“ genannte Jugendfreund von „Justus“ ist Paul Klinger zu sehen.

Kästner mit Kalb Eduard

Die etwas biedere aber sehr werkgetreue Adaption gewinnt deutlich dadurch, dass am Anfang und Ende des Films Erich Kästner höchstpersönlich als Erzähler seiner Geschichte zu sehen ist.  

Über die 1973 entstandene zweite Verfilmung lässt sich nur wenig Gutes sagen, denn trotz der interessanten Besetzung mit Joachim Fuchsberger als “Justus“ und Heinz Reincke als “Nichtraucher“ ist diese unbeholfen modernisierte Version ziemlich langweilig. Aus heutiger Sicht verfügt der Film – im Gegensatz zu den kurz zuvor entstandenen “Lümmel“-Filmen mit Hansi Kraus – über keinerlei nostalgischen Charme.

2003 überraschte Tommy Wigand mit einem gelungenen Update von Das fliegende Klassenzimmer. Der Film spielt im Leipziger Internat des (nur aus Jungen bestehenden) Thomanerchors. Erzählt wird von fünf recht unterschiedlichen Schülern, die diesmal nicht um Diktathefte, sondern um Notenblätter kämpfen.

Auch die jüngere deutsche Geschichte findet Berücksichtigung, denn einee Flucht aus der ehemaligen DDR führte in dieser Verfilmung zur Trennung der Jugendfreunde. Ulrich Noethen (Comedian Harmonists) ist absolut glaubhaft in der Rolle des um Gerechtigkeit und Freundschaft zu den Schülern bemühten „Justus“. Er wird optimal unterstützt vom „Nichtraucher“ Sebastian Koch (Das Leben der Anderen) und von Piet Klocke als leicht trotteligem Internatsdirektor.

Erst 2023 dürfen endlich auch Schülerinnen Das fliegende Klassenzimmer betreten. Die neue Version entstand unter der Regie von Carolina Hellsgård (Endzeit) und erfindet Kästners Geschichte (zum Glück) nicht neu. Sie öffnet den in einem Internat für Jungen spielenden Klassiker aber ganz selbstverständlich und unausgesetzt für interessante weibliche Charaktere.

Das Jungvolk ist mit frischen Darstellern besetzt, während Tom Schilling (Werk ohne Autor) als „Justus“ und Trystan Pütter als „Nichtraucher“ ihre schauspielerische Reife in die Waagschale werfen. Ganz im Sinne von Kästner zeigt der von Tom Schilling gespielte Lehrer , dass echte Autorität ohne autoritäres Verhalten auskommt.

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Endzeit

In ihrem lockeren und unverwechselbaren Zeichenstil erzählte Olivia Vieweg (Huck Finn, Antoinette kehrt zurück) erstmals 2012 aus einer Welt, die nach einer Seuche von Zombies beherrscht wird. Der knapp 80-seitige Comic Endzeit überraschte nicht nur durch den Schauplatz, irgendwo im Nirgendwo zwischen den ostdeutschen Städten Weimar und Jena, wo Vieweg 1987 geboren wurde.

Olivia Vieweg: Endzeit

Ungewöhnlich für eine Horror-Geschichte ist auch, dass alle wichtigen Protagonisten weiblich sind. Dies setzte sich auch auf kreativer Ebene fort, denn gemeinsam mit der in Stockholm geborenen Regisseurin Carolina Hellsgård verarbeitete Olivia Vieweg ein auf der Basis ihres Comics entstandenes Drehbuch zu einem Filmprojekt. Aus der jetzt erweiterten Geschichte wurde zugleich auch eine komplett neu gezeichnete – im Carlsen Verlag erschienene – sehr viel umfangreichere 280-seitige Comic-Version.

Endzeit

Das wichtigste Handlungsmoment ist weiterhin jener Halt auf freier Strecke, der die sensible Vivi und die taffe Eva dazu zwingt ihren halbwegs sicheren Triebwagen zu verlassen. Dies konfrontiert sie nicht nur mit den mordend durch die menschenleere Landschaft ziehenden Zombies, sondern zwingt das Duo auch dazu sich aufeinander einzulassen.

Endzeit

Eva (Maja Lehrer) und Vivi (Gro Swantje Kohlhof) haben schreckliche aber auch seltsame Erlebnisse, etwa wenn sie auf zwei aus dem Erfurter Zoo entlaufende Giraffen treffen, die durch die menschenleere Landschaft traben und es zum Glück auch vom Comic in den Film geschafft haben.

Endzeit

Dem Film (aber auch den Comic) Endzeit gelingt es tatsächlich dem durch hirnlose Splatter-Exzesse, Parodien wie Shaun of the Dead und nicht enden wollende TV-Serien zu Tode gefilmten Genre neues Leben einzuhauchen.

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