Im kleinen Städtchen Sonnethal interessiert sich der Bürgermeister nur für Fußball. Er will die Mannschaft in die Bezirksliga und sich selbst ins Licht der Öffentlichkeit bringen. Um dem einseitigen Treiben Einhalt zu gebieten beschließt die neue Fachschuldirektorin Barbara Schwalbe, ihn mit den eigenen Mitteln zu schlagen. Sie gründet eine Mädchen-Mannschaft, die die Jungen in den Schatten stellt. Der Bürgermeister ist wütend auf Barbara, und auch zwischen den beiden Mannschaftskapitänen Brigitte und Bernd gibt es Reibereien…
Fünf Jahre nach dem großen Erfolg des beschwingten DDR-Musical Heißer Sommer (über 6 Millionen Kinobesucher!) drehte Regisseur Joachim Hasler mit den verbandelten Schlagerstars Frank Schöbel und Chris Doerk einen ähnlich gelagerten Defa-Film, der jedoch etwas weniger inspiriert und erfolgreich war. Vor der durchaus malerischen Kulisse Quedlinburgs wird von einem eigenwilligen Bürgermeister, von Fußball und der Liebe erzählt.
Die unnötig komplizierte Geschichte wird jedoch zum Glück (ähnlich wie in einer Bollywood-Produktion) immer wieder von ziemlich schrägen quietschbunten Gesangs- und Tanzeinlagen aufgebrochen. Da hier echte Profis aus Leningrad und vom Friedrichsstadtpalast am Werk waren, fallen die munteren Choreografien sehr viel weniger peinlich aus als in vergleichbaren westdeutschen Schlagerfilmen.
Bonusmaterial der DVD: Frauen am Ball – Doku von 1987 über Frauenfußball bei Turbine Postdam (14:43 min); Galerie mit 26 Bildern, Highlights aus dem ICESTORM-Spielfilmprogramm (4:45 min); Biografien und Filmografien der Filmschaffenden
Elf Mädchen aus Leipzig und zehn Jungen aus Karl-Marx-Stadt trampen um die Wette an die Ostsee. Als sie sich dort wieder treffen, spielen sie sich zunächst einige Streiche, doch dann kommt man sich näher. Dabei gibt es jedoch einige Probleme, denn während sich Brit (Regine Albrecht) nicht so recht zwischen Kai (Frank Schöbel) und Wolf (Hanns-Michael Schmidt) entscheiden kann, hat Stupsi (Chris Doerk) ein Auge auf Kai geworfen.
Mit mehr als 6 Millionen Besuchern war der Defa-Musikfilm Heißer Sommer 1968 einer der größten Erfolge in den Kinos der DDR. Dies lag an den populären Schlagerstars Frank Schöbel und Chris Doerk, die damals auch privat ein Paar waren, und auch ganz sicher auch daran, dass hier nur unbeschwerte Sommerfreude und kaum DDR-Alltag vermittelt wird. Fünf Jahre später drehte das selbe Team den ähnlich gelagerten Film Nicht schummeln, Liebling!
Wer sich ohne Ost-Biographie auf Heißer Sommer einlässt, geht ein großes Risiko ein, denn nach anfänglichem Auflachen über die Kostüme, die seltsame (aber gekonnte Choreographie) und den etwas anderen Look brennen sich die Hits dieses Filmes unweigerlich in den Kopf des Betrachters. Etwas ähnliches ist bei westdeutschen Filmen mit Conny und Peter eher undenkbar.
Bonusmaterial der DVD: Ein bis drei Texttafeln mit Biografien und Filmographien von Joachim Hasler, Frank Schöbel, Chris Doerk und Hanns-Michael Schmidt; Je eine Texttafel mit Discografien von Frank Schöbel und Chris Doerk; Kino-Plakat und 15 Kino-Aushangfotos; “DEFA-Disko 77“: Ein sehr skuriller Videoclip mit Chris Doerk (3:07 min); Aus der Reihe Filmberufe: Der Tonmeister Peter Foerster erinnert sich (13:12 min); “795 Sekunden mit Frank Schöbel“ – Porträt des Schlagersängers; Ausschnitte aus der DDR-Wochenschau “Der Augenzeuge“: AZ 29/1973/5: Sommerfilmtage – “Nicht schummeln, Liebling!“ mit Chris Doerk und Frank Schöbel (2:18 min)
1968 gelang dem Fernsehen der DDR mit der Mini-Serie Wege übers Land ein gewaltiger Publikumserfolg. Knapp 80 Prozent der ostdeutschen Fernsehzuschauer hatten an fünf Abenden nicht ARD oder ZDF auf dem Bildschirm, sondern verfolgten das Schicksal der Magd Gertrud Habersaat (Ursula Karusseit).
Diese arbeitet auf Ende der 30er-Jahre auf einem großen Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern und macht sich Hoffnung eines Tages den standesbewußten Gutsherren Jürgen Leßtorff (Armin Mueller-Stahl spielt diese Rolle differenzierter als erwartet), mit dem sie ein Verhältnis eingegangen ist, zu heiraten. Als Leßtorff Gertrud erklärt, dass dies nicht passieren wird, heiratete sie einen Nazi-Karrieristen und zieht mit diesen ins besetzte Polen, um dort einen von der Wehrmacht enteigneten Bauernhof zu bewirtschaften.
Die Serie gibt einen erschütternden Einblick in die damaligen Zustände und zeigt in krassen Bildern wie die enteigneten polnischen Bauern deportiert wurden. Gertrud rettet ein kleines jüdisches Mädchen und nimmt sich weiterer elternloser Kinder an. Ihrem Ehemann gefällt diese Entwicklung nicht und er meldet sich freiwillig an die Front. Nach dem Krieg kehrt Gertrud in ihre Heimat zurück.
In den letzten Folgen schildert die Serie ausführlich die ersten Jahre der DDR. Jetzt übernimmt Manfred Krug als kommunistischer Bürgermeister Willy Heyer die Hauptrolle und zieht eine bemerkenswerte Show ab. Es ist ziemlich großartige, wie Krug als Heyer eine arrogante Gräfin (Angelica Domröse) enteignet, indem er die widerspenstige Dame einfach inklusive ihres Bettes aus dem Herrenhaus tragen lässt.
Gelegentlich greift Krug aber auch zum Akkordeon und bezaubert – wie schon zwei Jahre zuvor im von der SED verbotenen Defa-Film Spur der Steine oder später in der Serie Liebling Kreuzberg – als liebenswerter Individualist. Wenn Krugs schlitzohriger Idealist Heyer menschliche Gegenstücke unter den Funktionären des “real existierenden Sozialismus“ gehabt hätte, gäbe es die DDR vielleicht heute noch.
1989 flog der 24-jährige DDR-Bürger und spätere Filmproduzent Tom Zickler (Keinohrhasen) gemeinsam mit seinem besten Freund Veit nach New York. Sie hatten einen Super-8-Projektor sowie einige selbst gedrehte Filme im Gepäck und 55 Dollar in der Tasche. Trotzdem gelang es ihnen from coast to coast bis nach San Francisco zu kommen. Für Zickler war es die “schönste Reise, die ich je gemacht hatte“.
Zwanzig Jahre später flossen Zicklers USA-Erlebnisse zu fünfzig Prozent in dem von ihm produzierten Film Friendship! ein, allerdings verrät er nicht welche Hälfte des Films auf Tatsachen beruht. Wahrscheinlich stimmt diese Sache mit dem Vater, der als Veit noch ein kleiner Junge war, angeblich aus der DDR in den Westen geflüchtet ist und alljährlich seinem Sohn vom selben Postamt in San Francisco eine Postkarte schickt nicht so richtig (und die noch dramatischere Auflösung dieser Geschichte wohl erst recht nicht). Doch ein guter Aufhänger für ein Roadmovie ist die Suche nach dem verschollenen Vater auf alle Fälle.
Friendship! funktioniert bestens als ein Film, der zwar von der DDR handelt, diese jedoch nur in Form von einigen wenigen verwackelten Dokumentaraufnahmen zeigt. Matthias Schweighöfer und Newcomer Friedrich Mücke überzeugen als glaubhaft naive Ossies, die den Traum vom Wilden Westen (er)leben. Der munter drauflos fabulierte und vor Ort in den USA gedrehte Film ist meilenweit von klamaukigen Ostalgie-Blödsinn wie NVA oder Kleinruppin Forever entfernt. Friendship! macht Bock darauf alles liegen zu lassen und in den nächsten Flieger zu hüpfen.
1979 gelang es den beiden Familien Strelzyk und Wetzel mit einem selbstgebauten Heißluftballon die Flucht aus der DDR. Bereits zwei Jahre später machte die Walt Disney Productions aus der Geschichte den Spielfilm Mit dem Wind nach Westen.
Als relativ eleganter Stasi-Mann war damals Sky du Mont zu sehen, der seine bekanntesten Rollen bei Stanley Kubrick (Eyes Wide Shut) und Michael Bully Herbig (Der Schuh des Manitu, (T)Raumschiff Surprise – Periode 1) hatte. Kurioserweise war es Herbig, der 2018 mit Ballon eine weitere Verfilmung der DDR-Flucht der Familien Strelzyk und Wetzel in Szene setzte.
Sechs Jahre lang hat sich Herbig auf den Film vorbereitet, auch weil er sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, dass er als “Münchner Komiker“ ja ohnehin keine Ahnung hat, wie das Leben in der DDR aussah. In Bullys akribisch rekonstruierten Ostdeutschland ist es – ganz anders als 1981 bei Disney – nicht grau in grau. Der Film zeigt viele Menschen, die sich besonders bunt bekleiden, sicher auch um etwas Farbe in den tristen Alltag zu bringen.
Mit Karoline Schuch (Ich bin dann mal weg), Friedrich Mücke (SMS für Dich), und Thomas Kretschmann (Wanted, King Kong) hatte Bully Darsteller mit DDR-Vergangenheit an Bord. So überzeugt Kretschmann, der 1983 aus der DDR geflohen war, als besonders hartnäckiger Stasi-Verfolger. Bully gelang das Kunstwerk eine Geschichte, deren Ausgang den meisten Zuschauern bekannt sein dürfte, so mitreißend zu erzählen, dass trotzdem von Anfang bis Ende Hochspannung herrscht.
Die Blu-ray von Studiocanal enthält neben dem 125-minütigen Hauptfilm noch diese Extras: „Was für ein Aufwand: Ein Hintergrundbericht von den Dreharbeiten und den Zeitzeugen“ (18:36 min); „Die Requisiten“ (2:09 min); Die Nachbildung des Ballons“ (2:16 min); „Über die Geschichte“ (1:57 min); „Über die Einbindung der Zeitzeugen“ (2:25 min); Making of (4:35 min); B-Roll (7:59 min); Trailer (2:20 min); Wendecover
Als 2015 die acht Episoden von Deutschland 83 auf RTL liefen, war dies ein großer Erfolg, vor allem international für das zuvor kaum vorhandene Image von deutschen TV-Serien. Die deutschen Quoten blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück, und daher wird es RTL gut verkraftet haben, dass die zehnteilige Fortsetzung Deutschland 86 ihre Premiere im Oktober 2018 auf Amazon Prime erlebte.
Wieder dabei sind die beiden sehr gut ausgewählten Hauptdarsteller Jonas Nay (Tannbach – Schicksal eines Dorfs) spielt wieder Martin Rauch, den jetzt nicht mehr ganz so naiven Spion, der versucht Stasi und BND zu seinen Gunsten gegeneinander auszuspielen. Maria Schrader (Bin ich schön?) spielt wieder Martins undurchsichtige Tante Lenora, die zwar für die Stasi arbeitet, aber auf westliche Mode steht.
Während sich Deutschland 83 detailfreudig darum bemühte, die Unterschiede zwischen dem Leben in Ost und West darzustellen, gibt sich die Fortsetzung globaler. Die Geschichte startet in Afrika. Während Martin Rauch als Deutschlehrer nach Angola verbannt wurde, versucht sich Lenora in Südafrika als Waffenschmugglerin um Westdevisen für die DDR zu beschaffen.
Auf verschlungenen Wegen landen beide schließlich wieder zum gar nicht so großen Finale in der DDR. Auch diesmal wird versucht durch Musik der 80er Jahre – im Vorspann ist Peter Schillings Major Tom zu hören und in einem dramatischen Moment sorgte ein mitreißender Titel der Ost-Punker Feeling B für eine entsprechende Atmosphäre.
Während dies noch ganz gut klappt, ist der Versuch wahre historische Begebenheiten, wie etwa die Tatsache, dass die DDR das ZDF-Traumschiff erworben hatte, in die Handlung mit einzubauen, diesmal eher albern ausgefallen. Richtig peinlich ist dann schließlich (Vorsicht Spoiler!) eine Republikflucht im vollen Rocky-Horror-Picture-Show-Outfit. Eventuell soll es mit Deutschland 89 noch eine dritte Staffel geben, die sich mit dem Mauerfall beschäftigt.
Die DVD-Box zu „Deutschland 86“ enthält auf 3 Scheiben die zehn je 45.minütigen Episoden, sowie den thematisch passenden Bericht “Comrades & Cash – Geheime Geschäfte unter dem Eisernen Vorhang“ (79:40 min).
Der linientreue Stasi-Offizier Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) soll den Theater-Schriftsteller Georg Dreyman (Sebastian Koch) ausspionieren und abhören. Dieser ist bisher nicht durch regimekritisches Verhalten aufgefallen, doch ein SED-Bonze hat ein Auge auf dessen Freundin Christa-Maria (Martina Gedeck). Wiesler beginnt an der Rechtmäßigkeit seines Tuns zu zweifeln und entdeckt seine Menschlichkeit.
Mit dieser Mischung aus Tatsachen und Wunschdenken gelang Florian Henckel von Donnersmarck 2005 mit seinem ersten Spielfilm Das Leben der Anderen ein beachtliches Thriller-Drama, das entgegen dem zuvor im Kino vorherrschenden Trend, die DDR nicht als ulkiges Kauz-Biotop sondern als grausamen Überwachungsstaat zeigt.
Neben der sehr guten Besetzung, zu der auch Ulrich Tukur als zynischer Stasi-Offizier gehört, verdankt der Film seine Wirkung auch dem Soundtrack. Es wird kaum auf Ostalgie-Hits (Ausnahmen: Albatros von Karat) gesetzt, nur die Frank-Schöbel-Schnulze Wie ein Stern erklingt an einer entscheidenden Stelle.
Für die Filmmusik bekam von Donnersmarck seinen Wunschkandidaten: “Gabriel Yared ist nicht nur mein Lieblingsfilmkomponist; er ist mein Lieblingskomponist tout court.“ Erst “nach jahrelangem Brief- und Telefonverkehr“ gelang es ihm Yared zu verpflichten, der bereits etliche Kinowerke der gehobenen Kategorie wie Der englische Patient vertonte.
Dass sich Das Leben der Anderen völlig zu Recht für das Rennen um den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film qualifiziert hat und diesen sogar gewann, dürfte zu einem nicht geringen Teil auch an Gabriel Yareds simpel instrumentierten aber beklemmenden Klängen liegen.
Florian Henckel von Donnersmarck drehte anschließend in Hollywood The Tourist , der trotz Star-Besetzung mit Lohnny Depp und Angelina Jolie weit hinter den Erwartungen zurückgeblieb. Anschließend hat er sich acht Jahre Zeit gelassen und dann mit Werk ohne Autor alle Erwartungen übererfüllt.
Als Mitte 2017 mit der 66. Ausgabe der Reddition “ein halbes Jahrhundert Carlsen Comics“ gefeiert wurde, zierte das Titelbild des Fachmagazins eine ganz besondere Zeichnung von Flix. In seinem unverwechselbaren Stil hatte dieser vor dem Hintergrund des Hamburger Hafens einige der bekanntesten Figuren versammelt, die beim wohl wichtigsten deutschen Comic-Verlag ihre verlegerische Heimat gefunden haben. Dazu zählten neben Calvin und Hobbes sowie den Peanuts natürlich auch Tim und Struppi.
Doch besonders prominent waren Spirou und Fantasio platziert. Kurz darauf auf der Frankfurter Buchmesse schlug eine Nachricht wie eine Bombe ein. Es wurde verkündet, dass Flix ein Spirou-Album zeichnen wird, das im geteilten Berlin spielt. Zwar durfte neben zahlreichen Franzosen mit José Luis Munuera bereits ein Spanier die belgische Traditionsserie zeichnen. Ein Spirou mit deutschem Zeichner und Thema, das ist dennoch etwas Besonderes.
Nach etwas Bedenkzeit wurde bei Dupuis entschieden, Spirou in Berlin auch in Belgien und Frankreich zu veröffentlichen. Das ist sehr erfreulich, denn Flix ist es gelungen der Geschichte internationales Flair zu geben und sie fest im Spirou-Universum zu verankern. So wird auf einer Seite sehr unterhaltsam und nicht beschönigend erklärt, was die DDR war. Für den Comic spricht, dass – trotz arg niedlicher Leninbüsten und leuchtend-blauem Trabbi – keine Ostalgie aufkommt, sondern sehr deutlich dargestellt wird, dass die Geschichte in einem Unrechtsstaat spielt.
Aufhänger der Geschichte ist, dass der Graf von Rummelsdorf, nachdem er es abgelehnt hat auf einen ostdeutschen Kongress zu reisen, in die DDR entführt wird. Spirou und Fantasio folgen ihm, wobei sie separat haarsträubende Abenteuer erleben. Dabei gibt es zahlreiche Anspielungen, etwa auf den DDR-Filmklassiker Die Legende von Paul und Paula, aber auch auf den Oscar-Preisträger Das Leben der Anderen. Eine Frittenbude trägt den Namen “Kokomiko“, genau wie das (leider im Album nicht direkt auftauchende) Marsupilami früher in Westdeutschland bei Rolf Kauka (Fix & Foxi).
Die Geschichte ist spaßig, spannend und fest in der Realität von 1989 verankert. Die Zeichnungen sind eine wundervolle Mischung aus École de Marcinelle und dem individuellen Stil von Flix, wobei der Seitenaufbau manchmal ähnlich experimentierfreudig wie bei seiner Serie Schöne Töchter ist. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die schöne, klare Kolorierung von Marvin Clifford (Schisslaweng), sowie Carlsens liebevolle Hardcover-Aufmachung mit Schmuckpapier voller Brandenburger Tore und Pagenmützen!
2022 ließ Flix in Das Humboldt-Tier das Marsupilamt 1931 durch Berlin hüpfen.
Aschenbrödel (Libuše Šafránková) lässt sich von ihrer Stiefmutter und der Stiefschwester nicht unterkriegen. Sie erhält drei Haselnüsse, die sich als Zaubernüsse herausstellen. Mit Hilfe dieser Nüsse kann sie sich als Jägerin gegenüber dem Prinzen und seinen Freunden behaupten. Durch ihre Geschicklichkeit, ihre Schönheit und drei Rätselfragen, die sie dem Prinzen stellt, gewinnt sie dessen Herz für sich…
Ganz im Gegensatz zu anderen während der Zeit des “real existierenden Sozialismus“ in Osteuropa entstandenen Märchenfilmen, verkneift sich Drei Haselnüsse für Aschenbrödel ideologische Tendenzen. In der ostdeutsch-tschechischen Coproduktion spielt DEFA-Star Rolf Hoppe (Mephisto) einen besonnenen und menschlichen Monarchen, der mit einem gewissen Amüsement betrachtet, wie sich sein Sohn schließlich doch noch in die richtige Frau verliebt.
Anders als Walt Disney bei Cinderella verzichtet Regisseur Václav Vorlícek (Wie man Dornröschen wachküsst, Die Märchenbraut) fast komplett auf die Fantasy-Elemente der literarischen Vorlage. Die wohl schönste Realverfilmung eines Märchens setzt auf beeindruckende Naturaufnahmen, einen großartigen Soundtrack von Karel Svoboda (Biene Maja, Wickie) und auf eine ebenso romantische wie komische Geschichte, die auch heute noch allerbestens unterhält.
Der Kultstatus von Drei Haselnüsse für Aschenbrödel zeigt sich darin, dass 2021 in Norwegen ein Remake entstand und dass der Märchen-Klassiker immer wieder in neuen Heimkino-Editionen erscheint. Eine Art “Zwischenhöhepunkt“ war 2008 eine etwas kitschige DVD-Veröffentlichung mit Soundtrack-CD, die versuchte durch Schnickschnack wie “Goldgeprägtes Schatzkästchen“, “seidenbezogene Schatulle mit Schublade“ und “Hochzeits-Amulett mit Echtheitszertifikat“ zu punkten.
Ungleich interessanter ist die 2023 bei Filmjuwelen erschienene Blu-ray-Edition. Diese präsentiert den restaurierten Märchen-Klassiker im Original-Vollbild-Format, aber auch in einer Widescreen-Fassung in 1,77:1 – 16:9 in Orwocolor. Das Highlight unter den Extras ist der Audiokommentar von Rolf Giesen, der ansonsten eher für Extra-Tonspuren zu Hollywood-Horror wie Frankenstein, Das Ding aus einer anderen Welt oder Der Leichendieb zuständig ist. Doch Giesen überzeugt auch als Experte für Märchen-Archäologie und Ostblock-Kino.
Von Giesen stammen auch die Texte zum 20-seitigen Booklet. Hinzu kommt noch dieses Bonusmaterial: “Fünf Sterne für Drei Haselnüsse – Erinnerungen mit Rolf Hoppe und den Stabsmitgliedern“ (29.26 min), “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel – Live in Concert“ (23:04 min), DEFA-Vorspann (4:32 min), DEFA-Abspann (0:35 min), DEFA-Trickfilm: “Hirsch Heinrich“ (R: Günter Rätz, 1964, 13:03 min), DEFA-Puppentrickfilm: “Die Weihnachtsgans Auguste“ (R: Günter Rätz, 1984/85, 21:26 min) und der Trailer (1:19 min)
In der DDR hießen Comics Bildergeschichten und bei dem Comic-Magazin Mosaik, das seit 1955 eine durchgehende Comicgeschichte erzählt, handelte es sich folglich auch um eine Bilderzeitschrift. Die Helden dieser Geschichte waren die Digedags. 1975 kam es zu einer großen Krise innerhalb der ostdeutschen Comicsgeschichte, denn Hannes Hegen, der Schöpfer der Digedags zerstritt sich seinerzeit mit dem Verlag Junge Welt.
Da Hegen die Rechte an diesen Figuren hatte, musste schnell für Ersatz gesorgt werden. Lothar Dräger erfand den Namen Abrafaxe und die gelernte Trickfilmzeichnerin Lona Rietschel sorgte für das koboldhafte Aussehen der Figuren Abrax, Brabax und Califax. Ihre ersten Auftritte hatte das Trio zunächst auf der Rückseite von Mosaik und im ebenfalls Comics enthaltenden DDR-Jugendmagazin Atze, das die Wende leider nicht überstanden hat.
Die Abrafaxe wurden rasch beliebter als ein eigentlich als Hauptfigur vorgesehener Harlekin, der das Trio im 18. Jahrhundert in Dalmatien an der Adriaküste kennenlernte. Die Abrafaxe traten immer stärker in den Vordergrund und der Comic leistete sich vereinzelte Spitzen gegen Realitäten in der DDR, wie etwa die waidmännischen Vorlieben gewisser SED-Größen oder langen Schlangen vor Delikat-Läden, die dann im alten Alexandropolis Delikados heißen.
Die Wende haben die Abrafaxe recht unbeschadet überstanden. Durch seltsame Entscheidungen der Treuhand musste der Verlag in Mosaik Steinchen für Steinchen umbenannt werden, aber ansonsten floriert die monatlich erscheinende Comic-Zeitschrift (wie sie sich seit 1990 auch offiziell nennen darf). Seit 1998 erscheinen vierteljährlich unter dem Titel Abrafaxe graphisch sehr hochwertig gestaltete Zeitreise-Abenteuer mit den Kobolden und entstand auch noch ein Zeichentrickfilm fürs Kino.
Das vorliegende sehr schön aufgemachte und recht preiswerte Buch bildet noch einmal sämtliche Mosaik-Titelbilder seit Erscheinen der Abrafaxe ab. Es bietet auch Menschen, denen diese drei Helden bisher fremd waren, einen kurzweiligen und informativen Exkurs durch die ersten 25 Jahre der Geschichte von Abrax, Brabax und Califax.