Der 70. Geburtstag von Lucky Luke ist natürlich ein sehr dankbarer Anlass, um die spannende Geschichte des Cowboys, der schneller als sein Schatten zieht, zu erzählen.
Ausstellungen zum Jubiläum in Angoulême und Erlangen zeigten, was für ein dynamischer Zeichner der Belgier Maurice de Bévère (1923-2001) alias Morris war, der zu Unrecht immer etwas im Schatten seiner Kollegen André Franquin und Albert Uderzo stand. Ein Ausstellungs-Katalog, der auch bei Egmont auf Deutsch erscheint, zeigte durch vergrößerte Abbildungen, dass die Wirkung einzelner Panels von Morris der immer wieder gerne gefeierten „klaren Linie“ von Hergés „Tim und Struppi“ in nichts nachsteht.
Die durchgehend farbig und sehr schön bebilderte 64. Ausgabe der “Reddition“ beschäftigt sich in neun Artikeln mit verschiedenen Teilaspekten rund um das zeitlose Phänomen Lucky Luke. Den Auftakt bildet ein Bericht von Volker Hamann über das Frühwerk, das Morris ab 1945 für die Illustrierte “Le Moustique“ (“Die Mücke“) schuf. Hier war ein vielfältig talentierter Zeichner auf der Suche nach einem eigenen Stil. Anschließend versucht Michael Hein “Die Kunst des Maurice de Bévère“ zu beschreiben und analysiert die parodistischen Aspekte der Serie.
Wichtig ist natürlich auch René Goscinny. Peter Nover porträtiert den großen Comic-Autor, der zunächst auch als Zeichner tätig war. Morris war heilfroh als dieser ihm ab 1955 das leidige Schreiben der Geschichten abnahm und er sich dadurch voll aufs Zeichnen konzentrieren konnte. Horst Berner, der auch die Texte zu Egmonts Lucky-Luke-Gesamtausgabe beisteuert, beschäftigt sich mit der wechselhaften und kuriosen Veröffentlichungsgeschichte der Serie in Deutschland. So blieb in den deutschen Fassungen zwar der Name von Lucky Luke unangetastet, doch dessen Pferd Jolly Jumper, hieß zuvor schon einmal Rosinante oder Rosa, und der Hund Rantanplan trug zunächst den Namen Sheriff.
Da Morris seinen Cowboy eigentlich als animierte Figur geplant hatte, beschreibt Jens R. Nielsen faktenreich die Anfänge des belgischen Zeichentrickfilms. Auf die ab 1971 entstandenen Kinofilme mit Lucky Luke geht er leider nur recht kurz ein. Recht interessant ist auch Volker Hamanns Bericht über “Lucky Luke in den Niederlanden“. Wichtig ist natürlich auch der Zeichner Hervé Darmenton alias Achdé, der die Serie im klassischen Look werkgetreu weitergeführt und von Bernd Frenz porträtiert wird.
Bemerkenswert ist aber auch ein etwas anderer Lucky Luke, der gerade in einem neuen Comicalbum “erschossen“ wurde. Matthieu Bonhomme, der zuvor schon mit der von Lewis Trondheim geschriebenen Western-Serie „Texas Cowboys“ bewiesen hat, dass realistische Zeichnungen und skurriler Humor kein Widerspruch sein müssen, hat aktuell die Geschichte “Der Mann, der Lucky Luke erschoss“ veröffentlicht. Matthias Hofmann befasst sich mit diesem “alternativen“ Lucky Luke und mit einer weiteren Neuinterpretation der Serie, die Guillaume Bouzard sehr reduziert zu Papier gebracht hat.
Im Anhang dieser wieder sehr gelungen zusammengestellten “Reddition“ befindet sich noch Bibliographie von Morris, die durch ihren Umfang von 16 Seiten selbst Comic-Insider überraschen dürfte.
Eine interessante Ergänzung liefert die 46. Ausgabe der „Bastei Freunde“ in der Peter Menningen interviewt wird. Dieser hat zwischen 1993 und 1994 für den Bastei Verlag rund 375 Comicseiten mit Lucky Luke getextet, die offiziell von Morris abgesegnet waren und in Spanien gezeichnet wurden.
Der Belgier Maurice de Bevere (1923 – 2001) alias Morris ließ 1946 erstmals jenen Cowboy im Comic auftreten, der schneller als sein Schatten zieht. Er hatte Lucky Luke eigentlich als Held eines Zeichentrickfilms geplant.
Die größten Erfolge feierte die Westernparodie jedoch erst, als René Goscinny ab Mitte der Fünfziger Jahre als Texter hinzu kam, noch bevor er mit Asterix durchstartete. Auch Goscinnys große Liebe gehört dem Zeichentrickfilm und als er in den USA weilte, träumte er davon bei Walt Disney zu arbeiten. Doch Goscinny fand es sehr bedauerlich, das Disney diesen Traum nicht teilte.
Schon daher ist es nicht verwunderlich, dass 1971 ein erster Zeichentrickfilm mit Lucky Luke entstand. Bei Lucky Luke – Daisy Town führten Morris und Goscinny Regie. Der Film basiert auf keinem der Comic-Alben. Vielmehr wurde eine Originalgeschichte entworfen, die möglichst viele Aspekte des Wilden Westens beinhaltet und 1983 sogar zum Comic-Album Daisy Town verarbeitet, das bei uns als Band 40 der Lucky Luke Reihe erschienen ist.
Insgesamt kann dieser Film um den einsamen Cowboy durchaus als gelungen angesehen werden. Schwächen in der Animation werden durch originelle Einfälle (inklusive Anleihen bei Tex Avery) ausgeglichen und auch die musikalischen Einlagen sind sehr gelungen. Die Satire auf den klassischen Western ist zwar nicht ganz so subtil, wie in den besseren Comic-Alben, aber dafür wird im Film gleich der komplette Wilde Westen veralbert. Außerdem ist es sehr viel passender, dass Lucky Luke hier noch eine Zigarette zwischen den Lippen hat und nicht wie später (aus Gründen der politischen Korrektheit) auf einem Strohhalm herum kaut.
Die 2001 bei Kinowelt erschienene deutsche DVD genügt von der (Voll-)Bildqualität her leider nicht den heutigen Sehgewohnheiten und enthält auch nur die deutsche Synchronfassung.
Doch mittlerweile gibt es eine Blu-ray mit den Lucky Luke – Trickfilmen, die auch Daisy Town in phantastischer 16:9-Bildqualität enthält. Die deutsche DVD und die Blu-ray-Box enthalten als Bonusmaterial die sehr interessanten und ausführliche 88-minütige Dokumentation René Goscinny – ein Leben für den Humor (René Goscinny – Profession Humoriste). Dieser Film enthält nicht nur seltene Privataufnahmen von Goscinny. Es gibt auch Ausschnitte aus von ihm gestalteten Kino- und TV-Filmen zu sehen. Darüber hinaus kommt auch noch nahezu die gesamte französische Comic-Elite zu Wort. Dieser 1998 für den Sender arte entstandene Bericht ist in französischer Sprache auf der DVD enthalten und wahlweise können deutsche Untertitel eingeblendet werden.
1975 gründeten Goscinny und Uderzo gemeinsam mit Georges Dargaud die Studios Idéfix und wollten dort ihrem großen Vorbild Walt Disney nacheifern. Sie starteten ihre Zeichentrick-Produktion mit Asterix erobert Rom. Als zweiter (und letzter) Film der Studios Idéfix folgte 1978 Lucky Luke – Sein größter Trick. In diesem tricktechnisch recht hochwertigen Film, ist der Lonesome Cowboy mal wieder auf der Jagd nach den Daltons, die im Auftrag eines am Strang gestorbenen Onkels die aus allen möglichen Westerntypen zusammengesetzte Jury umbringen sollen.
Die Geschichte wird – wie zuvor schon beim Zeichentrickfilm Asterix und Cleopatra (und natürlich bei Disney) – auch noch mit Musical-Szenen garniert, daher trägt der Film im Original auch den Titel La ballade de Dalton. Als eine Art Moderator fungiert ein Bänkelsänger, dessen Lieder in der deutschen Fassung von Reinhard Mey gesungen werden. Dieser hatte bereits vier Jahre zuvor beim Disney-Zeichentrickfilm Robin Hood einen ähnlichen Job übernommen.
Die Musical-Einlagen sind zwar ganz witzig, doch insgesamt ist der Film trotz gewaltiger tricktechnischer Fortschritte weniger gut gelungen als der Vorgänger Lucky Luke – Daisy Town. Kurz nach Fertiggestellung des Filmes schlossen die Studios Idéfix ihre Pforten. Die laufenden Betriebskosten waren einfach zu hoch um das Studio nach Goscinnys plötzlichen Tod im Jahre 1977 noch am Leben zu erhalten.
Auch Lucky Luke – Sein größter Trick basierte auf keinem Comic-Alben. Die Geschichte des Films wurde 1978 zunächst in einem kleinformatigen Comic adaptiert, der später ummontiert auch bei uns im Sammelband Die Dalton-Ballade und andere Geschichten als Band 49 der Lucky Luke Reihe erschienen ist.
Die deutsche DVD-Veröffentlichung von Kinofilm enthält als Bonus den deutschen Trailer (2:59 min, Vollbild), eine Galerie mit 25 deutschen Aushangfotos und Standbildern, sowie ein 8-seitiges farbiges Booklet. Genau wie bereits bei Daisy Town ist die Bildqualität leider nur mäßig, während in dieser Hinsicht die Blu-ray exzellent ist.
Nicht wirklich gelungen war der nächste Zeichentrickfilm Lucky Luke – Das große Abenteuer, der 1983 ins Kino kam. Hier wurden lediglich drei Episoden einer sparsam animierten 26-teiigen Trickfilmserie aus dem Hause Hanna-Barbera (Familie Feuerstein) zu einem Kinofilm zusammengeschnitten. Bei den einzelnen Geschichten handelte es sich um Verfilmungen der Comics Die Daltons im Blizzard, Ma Dalton und Die Daltons bewähren sich. Genau wie in der Trickfilm-Serie war auch im Kino die von Freddy Quinn gesungene Titel-Melodie Bang Bang, Lucky Luke zu hören.
Es sei noch angemerkt, dass in diesem Fall die Bildqualität der zugehörigen DVD mit anamorphen 16:9-Format ganz passabel ist. Der DVD von Filmconfect liegt sogar ein kleines 20-seitiges Comicheft mit der Kurzgeschichte Aus Liebe zur Musik bei.
2007 entstand mit Lucky Luke, Go West! (Tous à l’Ouest: Une aventure de Lucky Luke) ein weiterer Zeichentrickfilm, der leider nicht in unsere Kinos kam. Das Drehbuch basiert lose auf dem Comic Lucky Luke: Kalifornien oder Tod. Es fasst recht gut fast alle Situationen und Figuren zusammen, die den Reiz der langlebigen Erfolgs-Comicserie ausmachen. Im Zentrum des Geschehens stehen – neben Lucky Luke und Jolly Jumper – natürlich wieder die Daltons.
Nach einem turbulenten Auftakt in New York bricht Lucky Luke mit der vierköpfigen Gangsterbande und einem bunt zusammen gewürfelten Haufen von Siedlern zu einem Treck von Küste zu Küste auf. Wenn die Planwagen nicht in 80 Tagen das ganze Land durchquert haben, erlöschen die Ansprüche, die die Siedler auf ihr fruchtbares Land im Westen haben…
Mit dem sehr schön realisierten und erzählten Lucky Luke, Go West! ist es ein wenig so wie mit dem ein Jahr zuvor entstandenen Zeichentrickfilm Asterix und die Wikinger. Auch jener liebevoll und rechtwerkgetreu in klassischer 2D-Animation angefertigte Film kam – inmitten all der Comic-Realverfilmungen und Computeranimationen – etliche Jahre zu spät.
Doch dank DVD und Blu-ray hat Lucky Luke, Go West! weiterhin die Chance sein Publikum finden und es erfreuen.
Bereits 1974 entstand in der Türkei mit Atını Seven Kovboy eine nicht autorisierte Realverfilmung von Lucky Luke.
Für die Dalton wurden hier tatsächlich Darsteller mit den richtigen Größenverhältnissen gefunden.
Doch noch vor dem letzten Zeichentrickfilm zeigten die Kinos zwei der (bisher) drei Versuche aus Lucky Luke einen Realfilm zu machen. Morris stand der Sache ziemlich skeptisch gegenüber: “Eher zufällig hatte Terence Hill meine Alben gelesen, und er schwor sich, dass entweder er oder kein anderer die Hauptrolle verkörpere. Er nahm Kontakt mit dem Verlag Dargaud auf, an dem ich damals noch gebunden war, und die Verträge wurden unterschrieben. Er ähnelte Lucky Luke in keiner Weise (…), aber Terence Hill ist so sympathisch, so warmherzig, dass ich letztendlich mein Einverständnis gab.“
Kurioserweise erzählt der 1990 entstandene Spielfilm, die selbe Geschichte wie der fast 20 Jahre zuvor entstandene Zeichentrickfilm Lucky Luke – Daisy Town. Die Story von der rasch expandierenden Westernstadt, die Angriffen von Indianern und Daltons ausgesetzt ist, inszenierte Terence Hill höchstpersönlich, während das Drehbuch von seiner Frau Lori stammte.
Obwohl der Film in den USA (in Bonanza Creek, New Mexico) gedreht wurde, erinnert er stärker an einen Italowestern als an die klassischen Hollywood-Produktionen, über die sich Morris und Goscinny in ihren Comics hauptsächlich lustig machten. Passend (bzw. unpassend) dazu trägt Terence Hill ein Outfit, dass eher an seine Paraderolle in Mein Name ist Nobody denken lässt als an die Comicfigur. Somit ist Hills Lucky Luke ganz gewiss keine werkgetreue Comic-Verfilmung, doch insgesamt deutlich entspannter als die nächsten völlig überkandidelte Realverfilmungen.
Zeitgleich zum Kinofilm, für den Wolfgang Völz als Stimme von Jolly Jumper und Erzähler fungierte, entstand eine 8-teilige TV-Serie. Die beiden ersten Episoden Ma Dalton ist einmalig und Der Geisterzug wurden zum Kinofilm Lucky Luke 2 zusammengeschnitten.
Mittlerweile gibt es eine DVD- und eine Blu-ray-Box mit dem Kinofilm und allen acht TV-Episoden.
Der nächste Film-Versuch Die Daltons gegen Lucky Luke von 2004 hingegen ist ein Totalausfall. Da gibt es eine ganze Batterie wundervoller und unglaublich humorvoller Westerngeschichten vom Comicmeister Rene Goscinny und nichts davon ist im Film zu finden.
Stattdessen wurden Eric Judor und Ramsy Bedia, zwei nahezu gleich große französische Komiker, nicht nur als Joe und Averell Dalton gecastet, sondern sie durften auch noch ein völlig blödsinniges Drehbuch um einen magischen Sombrero verfassen.
Der Regisseur Philippe Haïm hingegen hält sich für eine Mischung aus Rodriguez, Tarantino und Leone, verbreitet aber trotz des beträchtlichen Budgets nur Langeweile.
Schon der französische Originaltitel Les Dalton deutet an, dass der Lonesome Cowboy nicht im Zentrum des Geschehens steht. Dies ist schade, denn überraschenderweise kann Til Schweiger als Lucky Luke (in seiner Nebenrolle!) durchaus überzeugen. Zwar wird der (einzige halbwegs brauchbare) Gag mit seinem langsameren Schatten qualvoll zu Tode geritten, doch Schweiger legt die Rolle merklich werkgetreuer an als zuvor Terence Hill.
Der nächste reale Lucky Luke war Jean Dujardin (OSS 117 – Der Spion, der sich liebte, The Artist, Mein ziemlich kleiner Freund), der bereits in Die Daltons gegen Lucky Luke in einer Nebenrolle zu sehen war. Der Regisseur Cool Waves hatte vier Jahre zuvor mit Dujardin die Surf-Komödie Cool Wavesgedreht, die in Frankreich 4 Millionen Besucher erreichte.
Nachdem zuvor schon der Zeichentrickfilm Lucky Luke, Go West! nicht in unsere Kinos kam, verhielt es sich mit der 2009 in Argentinien entstandenen Realverfilmung mit Dujardin genauso. Dies ist teilweise verständlich, denn sonderlich werkgetreu zur Comicvorlage (oder gar zum Humor des begnadeten Texters René Goscinny) ist auch dieses Werk nicht ausgefallen.
Irgendwie geht es um das aus Comic und Trickfilm bekannte Städtchen Daisy Town, den Bau der Eisenbahn und einige Banditen wie Billy the Kid oder Jesse James sowie Calamity Jane kommen auch vor, während die Daltons diesmal pausieren. Der Hauptfigur wird nicht nur der Name John “Lucky“ Luke sondern auch noch eine tragische Vorgeschichte angedichtet.
Beim in Szene setzten dieser meilenweit vom Comic entfernten Origin wird eifrig aus Spiel mir das Lied vom Todzitiert. So richtig überzeugen will das opulent ausgestattete Werk nicht, zumal der Humor oft ähnlich krude ausfällt wie in der vorherigen katastrophalen Realverfilmung Die Daltons gegen Lucky Luke.
So bleibt abschließend festzustellen, dass gleich der erste Versuch Lucky Luke ins Kino zu bringen der (bisher) gelungenste war. Was sicher daran liegt, dass Morris und René Goscinny maßgeblich am Zeichentrickfilm Daisy Town beteiligt waren.
Pitt Pistol arbeitet als Bedienung im Wirtshaus Zum einbeinigen Piraten. Er träumt davon, als Kosar im Auftrag des Königs auf Kaperfahrt zu gehen. Doch er belässt es nicht beim Träumen, sondern kauft ein schrottreifes Schiff, trommelt eine äußerst bunte Mannschaft zusammen und bricht auf, um den berüchtigten Piraten Grünbart zu fangen.
Lange vor ihrem Erfolg mit Asterix kreierten Albert Uderzo und René Goscinny – nachdem ein erster Versuch mit dem Indianer Umpah-Pahscheiterte – mit Jehan Pistolet alias Jehan Soupole alias Pitt Pistol ihre erste gemeinsame regelmäßig veröffentlichte Comicserie. Die Reihe erschien zunächst 1952 in schwarzweiß in La Libre Junior, der Jugendbeilage der Zeitung La Libre Belgique und anschließend in Pistolin, dem Werbeheft eines Schokoladenkonzerns. Uderzos Zeichenstil ist hier natürlich noch nicht voll ausgereift und schwankt oft etwas unentschlossen zwischen Realismus und Karikatur, wobei eine große formale Nähe zu Al Capps Zeitungsstrip Li’l Abner spürbar ist.
Doch Pitt Pistol ist nicht nur etwas für Comic-Historiker, denn die Geschichten zeigen bereits Goscinnys Meisterschaft spannende und lustige Elemente perfekt aufeinander abzustimmen. In Pitt Pistols Mannschaft tummeln sich übrigens auch zwei Gestalten, die große Ähnlichkeit mit dem Zeichner und dem Texter der Serie haben.
Die beiden ersten der insgesamt fünf Geschichten mit Pitt Pistol erschienen auch noch einmal im französischen Magazin Pilote, sowie in Deutschland bereits ab 1960 in Fix & Foxi und dann erneut Anfang der 90er-Jahre in der Ehapa-Reihe Collection Al Uderzo. 2005 startete Ehapa eine gebundenen Neuedition der Serie. Hierfür gestaltete Uderzo neue Cover in einem deutlich lockereren Zeichenstil, sowie eine einleitende Seite, die die Figuren vorstellt. Die mit interessanten Hintergrundinformationen garnierte Gesamtausgabe verdient ihren Namen zu Recht, denn sie enthält zusätzlich auch noch die nie in Albumform veröffentlichte 23-seitige Kurzgeschichte Pitt Pistol und der verrückte Erfinder.
Vor zwei Jahre weckte das neue Team – der Autor Jean-Yves Ferry (Die Rückkehr aufs Land) und der in Kalifornien lebende Zeichner Didier Conrad (Marsu Kids) – mit Asterix bei den Pikten Hoffnung darauf, dass die Traditionsserie doch in Würde fortgeführt werden könnte. In dieser Hinsicht ist auch der zweite Band von Ferry und Conrad alles andere als eine Enttäuschung. Zwar zünden die Gags nicht ganz so knallig wie bei René Goscinny und die Frau des Dorfältesten Methusalix ist längst nicht so attraktiv, wie einst in Albert Uderzos Zeichnungen.
Doch ansonsten ist so ziemlich alles beim Alten. Die Geschichte lässt dem lieb gewonnenen Asterix-Ensemble viel Spielraum, hat einen originellen Aufhänger und sogar eine wirklich lustige Schlusspointe. In Der Papyrus des Cäsar wird erklärt, warum zwar im Comic aber nicht in der offiziellen Geschichtsschreibung überliefert wurde, dass es dem römischen Imperator nicht gelang ganz Gallien zu besetzen. Eigentlich wollte Cäsar in seinem Bestseller Kommentare zum gallischen Krieg wahrheitsgemäß über seine Erfahrungen mit den widerspenstigen Bewohnern eines kleines Dörfchens in Armorica berichten. Er hatte auch schon alles zu Papyrus gebracht, doch sein Berater Rufus Syndicus empfahl, die entsprechenden Passagen einfach wegzulassen. Dieses brisante Material geriet jedoch in den Besitz des Aktivisten Polemix, der zum gallischen Dorf aufbricht…
Wer hier nun satirische Anspielungen auf WikiLeaks oder Edward Snowden erwartet, dürfte etwas enttäuscht sein, auch wenn Polemix über gewisse Ähnlichkeiten zu Julian Assange verfügt. Doch in einer anderen Hinsicht ist Der Papyrus des Cäsar bemerkenswert, denn bei den in Cäsars Kommentaren zum gallischen Krieg unterschlagenen Kapiteln handelt es sich um die Inhalte der Comic-Alben Tour de France, Asterix und der Avernerschild, Asterix in Spanien, Streit um Asterix, Die Trabantenstadtund Asterix auf Korsika. Die von Uderzo nach Goscinnys Tod im Alleingang erzählten Geschichten, wie Der Sohn des Asterix, Obelix auf Kreuzfahrt, Asterix und Latraviata oder gar Gallien in Gefahr finden hier keine Berücksichtigung, auch wenn Julius Cäsar darin oftmals eine große Rolle spielte. Dies könnte als Indiz darauf gedeutet werden, dass sich Uderzo tatsächlich von Asterix zurückgezogen hat und dem neuen Team völlige Freiheit lässt. Es darf sich somit durchaus auf das nächste Album gefreut werden, denn Gallien ist nicht mehr in Gefahr.
Der 1933 geborene Marcel Uderzo ist der sechs Jahre jüngere Bruder des legendären Comickünstlers Albert Uderzo. Er assistierte diesem bei einigen Asterix-Alben, zeichnete aber auch Flugzeuge für die Comic-Serie Tanguy und Laverdure und setzte diese Arbeit auch fort, nachdem Albert Uderzo von Jijé als Hauptzeichner abgelöst wurde. Anfang der Achtziger Jahre startete Marcel Uderzo nach Texten von Michel Clatigny alias Moloch mit eine eigene Serie namens Mathias.
Diese wurde auch bei uns zeitnah veröffentlicht. Die beiden ersten Abenteuer erschienen bei Ehapa unter dem Titel Matti erzählt. Der erste Band Die Zaubertrommel kam 1982 an die Kioske und das zweite Album Die magische Maske folgte 1985. Den dritten und zunächst letzten Band veröffentlichte in Deutschland 1989 unter dem Titel Die Abenteuer von Matthias: Die Götter des Sees der holländische Verlag Arboris.
Der Titelheld der Serie ist ein junger Mann, der um 1750 Frankreich verlassen hat um nach Kanada aufzubrechen ist. Dort erlebte er zahlreiche Abenteuer mit Trappern, französischen Soldaten, Bären und Indianer-Mythen. Mathias kehrte jedoch in sein heimatliches Dorf in der Normandie zurück und erfreut dort die Kinder, indem er von seinen Erlebnissen erzählt.
Als Autor kann Moloch dem großen René Goscinny nicht das Wasser reichen, zu unübersichtlich sind seine Abenteuergeschichten erzählt und viel zu plump kommen die gar nicht so zahlreichen Gags daher. Marcel Uderzos Zeichnungen hingegen sind bei Mathias ähnlich gut gelungen wie die Arbeiten seines Bruders bei Asterix oder Umpah-Pah. Trotzdem hat Marcel Uderzo ab 2015 seine Mathias-Alben noch einmal komplett überarbeitet und etwas arg grell schimmernd am Computer neu kolorieren lassen.
Das ursprünglich auf 44 Comicseiten erzählte erste Comic-Album Die Zaubertrommel hat jetzt einen Umfang von 54 Seiten. Salleck Publications hat die von Marcel Uderzo sehr liebevoll editierte Hardcover-Ausgabe übernommen und bringt auch die weiteren Alben heraus.
Aktuell erscheint in dieser Form in Frankreich unter dem Titel “Le Maître des bisons“ sogar ein viertes Album mit Mathias, das bei uns ebenfalls von Salleck veröffentlicht wird.
Der römische Generalinspekteur Lucius Nichtsalsverdrus macht seinem Namen alle Ehre. Er befehlt den unwilligen Legionäre des Lagers Kleinbonum ein weiteres Mal das unbeugsame gallische Dörfchen anzugreifen. Nachdem dies zu nichts – außer ein paar Beulen – führt, lässt der Römer eine Palisade rund um das Dorf errichten. Dies animiert Asterix zu einer Wette. Er will als Beweis dafür, dass sich ein Gallier durch nichts aufhalten lässt, mit Obelix quer durchs Land reisen und als Beweis Spezialitäten der jeweiligen Regionen mitbringen.
Ihr 1963 erschienendes fünftes Abenteuer führt Asterix und Obelix nach Rotamagus (Rouen), Lutetia (Paris), Camaracum (Cambrai), Durocortorum (Reims), Divodurum (Metz), Lugdunum (Lyon), Nicae (Nizza), Massilia (Marseille), Tolosa (Toulouse), Aginum (Agen), Burdigala (Bourdeaux) und Gesocribate (Le Conquet). Diese Reiseroute ist angelehnt an den Streckenverlauf des berühmten Radrennens.
In Lutetia schließt sich unseren Helden erstmals eine Figur an, die künftig in keinem Asterix-Album fehlen soll. Vor einer Metzgerei wartet ein kleiner weißer Hund, der von da an ganz selbstverständlich Asterix und Obelix auf ihrer abenteuerlichen Reise folgt. Erst zum Ende des Abenteuer – kurz vor dem großen Festmahl – nimmt Obelix das Hündchen wahr und erst im nächsten Album Asterix und Kleopatra erhielt es seinen Namen Idefix.
Anlässlich des 50-jährigen des ersten Auftritts von Idefix erscheint am 26. Juni 2015 Asterix – Tour de France als limitierte Sonderausgabe (Softcover, 6,50 Euro) mit 16 zusätzlichen redaktionellen Seiten.
Mittlerweile gibt es auch eine auf der Animationsserie Idefix und die Unbeugsamen basierende neue Comic-Reihe, die in Lutetia spielt und Geschichten erzählt, die sich zugetragen haben, bevor sich das Hündchen Asterix und Obelix angeschlossen hat.
Bevor der (lang erwartete?) Comicteil beginnt, gibt es zunächst zwei Einleitungen. Eine stammt von “Asterix“, also von Albert Uderzo, die zweite von Anne Goscinny. In beiden Vorworten geht es darum, zu rechtfertigen, warum die Serie nach dem Tode von René Goscinny im Jahre 1977 unbedingt fortgeführt werden musste. “Asterix“ meint, dass der (finanzielle) Erfolg Grund genug sei, Anne Goscinny merkt an, dass wenn die Asterix-Reihe aufgehört hätte, es ein wenig so wäre, als wenn sie “im Alter von neun Jahren stehen geblieben wäre“. Doch im Jahre 1977 war Asterix bereits volljährig und was er danach noch erlebte wirkt gegenüber dem Frühwerk erschreckend unreif.
War der Band 33 Gallien in Gefahrschon eine ziemliche Katastrophe, so bleibt Uderzo auch im Jubiläumsband Asterix & Obelix feiern Geburtstag: Das goldene Buch den Beweis schuldig warum die Serie unbedingt fortgeführt werden muss (ein halbwegs guter Grund mag sein, damit es gelegentlich bei Lidl auch Comic-Alben zu kaufen gibt, denn dort lag der Band an der Kasse neben Zigaretten und Süßigkeiten aus). Das Album erzählt – genau wie erwartet – keine fortlaufende Geschichte, enthält jedoch neues Material. Anfangs malt Uderzo sich aus, wie es wäre, wenn Asterix, Obelix und die übrigen Gallier tatsächlich um 50 Jahre gealtert wären. Mitten in dies mäßig amüsante Gedankenspiel (so ist Asterix verheiratet und hat zahllose Kinder, mit ähnlichem Blödsinn endete ja auch Harry Potter) platzt Uderzo himself rein und bekommt für seine dumme Idee von Obelix ordentlich einen auf den Latz.
Daraufhin (wir befinden uns erst auf Seite 4!) meint der von Uderzo gezeichnete Uderzo: “Ich gebe zu, das war keine gute Idee! Verzeiht mir! Ich tu´s auch nie wieder!“ Doch er hält nicht Wort sondern tut es stattdessen auf den restlichen 46 Seiten immer und immer wieder. Ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang gibt es eine Obelix-Modenschau (die damit endet, dass dieser sich als Sprayer betätigt), Asterix als Marsupilami, ein Ständchen der Piraten, ein von Leonardo Da Vinci gezeichneter Obelix, etliche Seiten mit blödsinnigen Reiseprospekten, ein Gemälde das Cäsar als Napoleon zeigt, und, und, und… Halbwegs lustig wäre es gewesen, wenn Uderzo für jeden dieser Einfälle von Obelix ein paar gescheuert bekommen hätte. Mittlerweile liegt “Das goldene Buch“ auch als Abschlussband der optimal aufgemachten großformatigen Ultimativen Asterix-Edition vor.
Wie zuvor schon bei Asterix und Latraviata hatte es wieder 4 1/2 Jahre gedauert, bis Uderzo 2005 ein neues Abenteuer mit den unbeugsamen Galliern fertig gestellt hatte.
Mit Entsetzten war in Comic-Insiderkreise trotz aller Geheimhaltung schon vorab zu vernehmen, dass Gallien diesmal von Außerirdischen bedroht werden sollte. Ganz im Gegensatz zu Goscinny hatte Albert Uderzo in seinen selbst getexteten Asterix-Alben nie so recht verstanden wie viel Fantasy-Elemente über den Zaubertrank hinaus die Saga verkraftet. Am weitesten ging er (vor Gallien in Gefahr) in Obelix auf Kreuzfahrt. Hier landen die Gallier in Atlantis und treffen auf kitschig gezeichnete Kinder, die Zentaurenkörper haben oder auf Kühen durch die Luft schweben.
In Gallien in Gefahr trieb es Uderzo noch eine Spur doller und lässt einen lila Alien im Micky-Maus-Look begleitet von Schwarzenegger-Klonen in Superman-Kostümen in Gallien landen. Anscheinend interessiert der Zaubertrank von Miraculix das ganze Universum. Es kommt zu zahlreichen actionreichen Verwicklungen, aber zu kaum einem gelungenen Gag. Da ist schon zu verstehen, dass im Vorfelde selbst auf einer pompösen Präsentation in Brüssel totale Funkstille über den Inhalt des neuen Asterix-Alben herrschte.
Es ist völlig unverständlich, warum Uderzo, dessen Comics ja ohnehin vollautomatisch die Bestsellerlisten stürmen, unbedingt und völlig unpassend Manga- und Superhelden-Versatzstücke bei Asterix platziert. Eine Anbiederung bei den Fans von japanischen Comics oder US-Heften hat gerade er nicht nötig. Eine Erklärung wären vielleicht, dass die pseudo-pompöse Geschichte es Uderzo erlaubt extrem großformatige Panels von Raumschiffen einzusetzen, die sich leichter und schneller zeichnen lassen als die kleinen Wimmelbilder mit der Dorfgemeinschaft. Dabei sind es doch gerade diese liebenswerten und streitsüchtigen Dickköpfe, die das Salz in der Asterix-Suppe sind.
Mittlerweile liegt Gallien in Gefahr auch als großformatige Ultimative Edition vor. Die Buchrücken dieser Hardcover-Bände sind mit einem durchgehenden Motiv bedruckt, auf dem das gallische Dorf zu sehen ist. Dieses verlängert sich durch Gallien in Gefahr um einen knappen Zentimeter, was der Hauptgrund für die Anschaffung dieses Bandes sein dürfte.
Diese Sammlung mit Asterix-Kurzgeschichten wurde zuvor gerade unter großem Werbegetöse als Band 32 in den offiziellen Kanon mit aufgenommen (und kam auch in der Bild-Comic-Bibliothek zum Abdruck). Kurz darauf folgt eine sehr schön aufgemachte großformatige Ultimative Edition, die ihrem Titel allerdings nur eingeschränkt gerecht wird.
Für die Kiosk-Ausgabe von Asterix plaudert aus der Schule wurde mit einer erstmals veröffentlichten fünfzehnten Kurzgeschichte geworben. Doch diese dreiseitige Story von 2004 namens ABC Schütze Obelix (die auch in Band 12 der Asterix Gesamtausgabe enthalten ist) fehlt unverständlicherweise in der Ultimativen Edition.
Doch ansonsten machen die vierzehn in bester Druckqualität reproduzierten Kurzgeschichten natürlich trotzdem sehr viel Spaß. Bemerkenswert ist u. a. die Story Die Geburt von Asterix in der erstmals die danach wieder in Asterix und Latraviata auftauchenden Eltern (Astronomix, Obelodalix, Praline, Popeline) unserer gallischen Helden auftreten. Sehr lustig sind auch jene beiden Geschichten in denen Goscinny und Uderzo höchstpersönlich zu sehen sind. Sie treffen einen direkten Nachfahren von Obelix treffen und lachen sich über eine neue Idee so schlapp, dass der Krankenwagen kommen muss.
So nach und nach sickerte 2001 durch, dass Asterix und Obelix im neuen Album möglicherweise heiraten würden und irgendwann war auch der Titel des neuen Albums zu erfahren. 4 ½ Jahre nach Obelix auf Kreuzfahrtwar ein erster Blick auf das endlich mal wieder wunderschön gestaltete Cover möglich. Anscheinend gibt es jetzt also sowohl für Asterix als auch für Obelix eine wunderschöne Falbala.
Die Lektüre ist dann, wie eigentlich immer bei den Solowerken von Uderzo, mal wieder ziemlich ernüchternd. Einen großen Anteil an der Geschichte haben diesmal die Eltern unserer Helden (die Uderzo bereits 1994 in der Kurzgeschichte Die Geburt von Asterix, siehe Asterix plaudert aus der Schule, vorstellte). Während die Väter Astronomix und Obelodalix von den Römern verhaftet wurden, versuchen die Mütter Praline und Popeline ihre Söhne endlich unter die Haube zu bringen. Nebenbei geht es noch um eine viel zu kompliziert konstruierte Intrige gegen Cäsar bei dem ein Helm und ein Schwert eine wichtige Rolle spielen. Da beide Gegenstände im Besitz von Asterix und Obelix sind, setzen die Römer ihre Starschauspielerin Latraviata auf die beiden an.
Uderzos Zeichenkünste (diesmal gibt er sogar zu, dass er das Album weder geinkt noch coloriert hat) machen immer noch Spaß (siehe auch das zugehörige „Asterix Skizzenbuch“). Die Geschichte hingegen ist zwar keine völlige Katastrophe wie bei Obelix auf Kreuzfahrt, doch die Story schleppt sich schon ziemlich mühsam dahin und die Erlebnisse der Väter unserer Helden sind kein bisschen witzig. Überhaupt ist diese ganze ausgiebig geschilderte Familienkiste eher nervig. Das gilt auch für die aktuellen Anspielungen zu ICE und BSE und es ist fraglich ob in einigen Jahren noch jemand folgende Textzeile versteht: „Manchmal, aber nur manchmal haben Römer ein kleines bisschen Haue gern“? Mittlerweile liegt der Band auch als hervorragend aufgemachte großformatige Ultimative Asterix Edition vor.