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Baru: Autoroute Du Soleil

Karim Kemal, ein Franzose nordafrikanischer Abstammung, schläft mit der Frau eines höchst nationalistischen Franzosen. Dieser trommelt seine Neonazi-Bande zusammen und macht Jagd auf Karim, der von seinem Freund Alexandre Babiéri begleitet wird. Auf diesem Trip von Nancy nach Marseille erleben sie haufenweise haarsträubende Situation.

Baru: Autoroute Du Soleil Hervé Barulea alias Baru (Die Sputnik-Jahre, Bella Ciao) zeichnete diesen Comic ursprünglich für den japanischen Markt. Die Geschichte wurde zunächst 1994 als Fortsetzungs-Serie im Manga-Magazin Morning des Verlags Kōdansha veröffentlicht. Dort erschien drei Jahre später der von Moebius geschriebene und von Jiro Taniguchi gezeichnete Comic Ikarus.

Baru: Autoroute Du Soleil

Mit Autoroute Du Soleil gelang Baru ein für das eher Album-fixierte Europa sehr ungewöhnliches Werk. Von einigen kolorierten einführenden Seiten, die so nur in Japan veröffentlicht wurden, hat Baru alles in Schwarzweiß gezeichnet.

Baru: Autoroute Du Soleil

Der Comic verzichtet auf ausführliche Dialoge. Die Geschichte wirkt dadurch eher filmisch und der 430 Seiten starke Schmöker ist schneller weggelesen, als so manches stärker durch Worte als durch Bilder erzähltes 48-seitige Comic-Album.

Baru: Autoroute Du Soleil

Formal handelt es sich zwar um einen Manga, inhaltlich ist das Werk aber zutiefst europäisch und wurde 1996 auf dem Comic-Salon in Angoulême als bestes Album prämiert. Während die Figuren in Autoroute Du Soleil genau wie im japanischen Comic mal realistisch und mal überzeichnet als Karikaturen dargestellt werden, sind Landschaft, Gebäude und Autos immer sehr exakt der Realität nachempfunden.

Baru: Autoroute Du Soleil

Bei aller Action in der Handlung ist der Comic zugleich aber auch die teilweise sehr bittere Beschreibung einer Welt voller Hass, Rassismus und verratener Ideale. Formal und inhaltlich ist Autoroute Du Soleil ohne Zweifel ein absolutes Meisterwerk.

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Joe Sacco: Palästina

Im Winter 1991/92 verbrachte der in Malta geborene US-Amerikaner Joe Sacco zwei Monate in den besetzten Gebieten Palästinas. Seine Eindrücke hat er in einem kräftigen an Underground-Meister Robert Crumb erinnernden Zeichenstil zu Papier gebracht. Erzähltechnisch betrat Sacco mit Palästina und dem Vorgänger Bosnien jedoch absolutes Comic-Neuland und er selbst bezeichnet sich als Cartoon-Journalist. Die zahlreichen Gespräche, die Sacco mit sehr vielen Palästinensern und einigen Israelis führte, setzte er ohne den erhobenen Zeigefinger und so direkt in Szene, dass der Leser den Eindruck hat dabei zu sein.

Joe Sacco: Palästina

Im hochinteressanten Vorwort des Buches schreibt der aus einem „arabisch-protestantischen“ Umfeld stammende Schriftsteller und Literaturdozent Edward W. Said, dass die „Flut von Saccos Comicbildern und -texten in ihrer kompromisslosen Schärfe und – wo es die extreme Situation, die darin zum Ausdruck kommen soll, erfordert – ihrer manchmal grotesken Überzeichnung“ einen Gegenpol bildet zu „salbungsvollen Berichten über israelische Siege und demokratische Errungenschaften.“

Joe Sacco: Palästina

Saccos zunächst in Form von neun Comicheften erschienenen Berichte streifen scheinbar ziellos umher, vermitteln aber gerade dadurch den Eindruck, dass der Autor hier nicht belehren sondern seine selbst vor Ort gewonnenen Erkenntnisse über die Leiden der Palästinenser unter der brutalen Willkür der israelischen Siedler und Soldaten möglichst ungefiltert mitteilen möchte.

Joe Sacco: Palästina

Im Schlusskapitel erzählt Sacco von drei israelischen Soldaten, die einen palästinensischen Jungen verhören und dabei dem starken Regenguss aussetzen, während sie selbst trocken unter einem Vordach stehen. Mit dieser selbst vor Ort erlebten leider alltäglichen Geschichte gelingt Sacco ein eindringliches Gleichnis zur verfahrenen Situation in Palästina. Sacco schlussfolgert, dass der Junge bestimmt nicht denken wird: „Eines Tages werden wir eine bessere Welt haben, und diese Soldaten und ich, wir werden uns als Nachbarn grüßen.“

Süddeutsche Zeitung Bibliothek - Graphic Novels I

Palästina erschien 2011 auch in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels.

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Koren Shadmi: Love Addict

Die Beziehung zwischen der Hauptfigur dieses Comic und der attraktive Michelle geht genauso heftig zu Bruch geht, wie jener Stuhl mit dem alles begann.

Koren Shadmi: Love Addict

Auf wenigen Seiten erzählt Koren Shadmi (Lugosi) wie der Single K., als er vor seiner New Yorker Wohnung zusammen mit seinem besten Kumpel und Mitbewohner Brian einen kleinen Flohmarkt veranstaltete, Michelle kennenlernte und ihr jenen Stuhl verkaufte. Das Paar zog zusammen und nach 18 Monaten bzw. 10 Seiten war alles vorbei.

Koren Shadmi: Love Addict

Im selben Erzähltempo geht es weiter mit den Erlebnissen des „Liebessüchtigen“. Brian empfiehlt K. sich auf der Dating-Plattform Lovebug anzumelden, denn er hat dort bereits zahlreiche junge Frauen kennengelernt und diese zumeist auch in sein Bett locken können. Mit einiger Skepsis lässt sich K. ebenfalls darauf ein. Nach ersten Misserfolgen kommt die Sache ins Rollen und K. taumelt von einem sexuellen Abenteuer ins nächste…

Koren Shadmi: Love Addict

Koren Shadmi präsentiert in “Love Addict“ die Höhepunkte aus insgesamt 75 Dates, die K. zunächst viel Selbstvertrauen verschaffen, ihn dann aber süchtig und immer oberflächlicher werden lassen. Doch allzu sehr schwingt Shadmi nicht die moralische Keule, sondern er interessiert sich sehr stark für die skurrilen Momente im zwischenmenschlichen Bereich. Dabei kommt das Ende von manchem der kurzen Kapitel, die die einzelnen Dates schildern, etwas abrupt und nur bedingt pointiert daher. Dies kann aber auch daran liegen, dass Shadmi viel autobiographisches Material mit einfließen ließ.

Koren Shadmi: Love Addict

Graphisch kann der Comic ebenfalls punkten. Ein Kapitel in dem K. mit seinem Date eine Ausstellung von Robert Crumb besucht, zeigt wer eins der Vorbilder von Shadmi ist. Manche (aber längst nicht alle) der im Comic auftretenden Frauen scheinen direkt aus einem Crumb-Comic zu stammen. Doch die orange-violette Farbgebung sorgt für eine ganz eigene Stimmung in diesem ganz eigenen Comic.

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Riad Sattouf: Der Araber von morgen 2

Man hätte es ahnen können, denn im letzten Panel des Comics “Der Araber von morgen“ war zu lesen: “Fortsetzung folgt“. In dem Buch schildert Riad Sattouf seine ersten sechs Lebensjahre. Der Sohn eines in Paris studierenden Syrers und einer Französin aus der Bretagne, fiel schon früh durch seine langen platinblonden Haare auf und dies natürlich ganz besonders in der arabischen Welt.

Riad Sattouf: Der Araber von morgen 2

Sattouf schildert, wie er zwischen 1978 bis 1984 in Libyen, Syrien und gelegentlich auch in Frankreich lebte. Der mehrfach preisgekrönte Comic überzeugte, weil es Sattouf nicht darum ging, allgemeingültigen Unterschiede zwischen dem Leben in der westlichen und dem in der arabischen Welt darzustellen. Vielmehr brachte er aus der Sicht eines Kindes seine oft am Rande zum Surrealen liegenden Erlebnisse auf originelle Art zu Papier. Dadurch gab er dem Leser die Möglichkeit eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.

Riad Sattouf: Der Araber von morgen 2

Die Fortsetzung konzentriert sich bei gleichem Seitenumfang diesmal nicht auf sechs sondern auf nur zwei Lebensjahre von Riad Sattouf. Diese verbrachte der Autor, abgesehen von einem kurzen Aufenthalt in Frankreich, in Syrien. In der Geschichte dominieren Riads Erlebnisse mit sehr autoritären und unberechenbaren Lehrern in einer syrischen Dorfschule. Die Beschreibung des in rötlichen Farben dargestellten Lebens in Syrien, inklusive eines Ehrenmords, stehen nicht nur farblich im starken Kontrast zum bläulich kolorierten Kurzurlaub in Frankreich. Auf wenigen Seiten erzählt Riad Sattouf hier, wie er bei einem Besuch seiner Großeltern in Frankreich gut gefüllte Supermärkte, Hotel-Büffets und Ski-Pisten erlebte.

Riad Sattouf: Der Araber von morgen 2

Riad Sattouf im ersten Band noch sehr sympathisch wirkender Vater Abdel-Razak kommt diesmal ziemlich verantwortungslos rüber, weil er sich in bedrohlichen Situationen sehr passiv verhält und seiner Frau und den beiden Söhnen die im Comic sehr drastisch geschilderten Lebensumstände zumutet. Während der Lektüre drängt sich beinahe permanent der Gedanke auf, dass es die Familie in Frankreich sehr viel besser hätte, was als Fazit eines 150-seitigen Comics ziemlich dünn ist.

Riad Sattouf: Der Araber von morgen 2

Doch das Titelbild des Comics zeigt einen kleinen Riad Sattouf, der sich sowohl räumlich als auch farblich von seiner Familie entfernt, und auch diesmal steht unten rechts im letzten Panel “Fortsetzung folgt“.

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Art Spiegelman: Küsse aus New York

Das Titelbild dieses Buches ziert ein eher naives Gemälde auf dem ein orthodoxer Jude ein junges schwarzes Mädchen küsst. Kaum zu glauben, dass dieses Bild, als es am 15. Februar 1992 (!) zum Valentinstag auf der Titelseite des Magazins The New Yorker veröffentlicht wurde, gewaltige Proteste bei der schwarzen und jüdischen US-Bevölkerung nach sich zog. Der für seinen Comic Maus mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Art Spiegelman (Breakdowns) wählte das eher herzige Motiv jedoch nicht ohne Grund, denn im New Yorker Stadtteil Crown Heights gab es damals reichlich Zoff zwischen jüdischen und schwarzen Einwohnern und das ganze gipfelte im Lynchen eines Juden.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Obwohl der eher snobistische New Yorker zuvor nicht gerade durch sonderlich provokante Themen aufgefallen war, versuchte Spiegelman auch danach weiterhin, im ständigen Clinch mit der Chefredakteurin Tina Brown, mit seinen Zeichnungen aufzurütteln. Doch dies gelang ihm erst so richtig wieder am 8. März 1999 mit einer Zeichnung von einem Polizisten, der in einer Jahrmarktsschießbude auf die Silhouetten von harmlosen Passanten schießt.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Zuvor töteten vier New Yorker Polizisten einen Einwanderer aus Westafrika mit 41 Schüssen. Doch Spiegelmans Satire ging in diesem Falle nach hinten los. Sein Titelbild diente als „Beweis“ für die Befangenheit der New Yorker Öffentlichkeit, der Prozess gegen die vier Polizisten fand daher im deutlich konservativeren Albany statt und endete mit einem Freispruch.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Das vorliegende Buch enthält alle Titelbilder die Spiegelman von 1992 bis 2002 (danach arbeitete er u. a. für die Zeit, siehe Im Schatten keiner Türme) für den „New Yorker“ schuf, darunter auch das nur aus zwei unterschiedlichen Schwarztönen bestehende Motiv zum 11. September. Dazu gibt es auch noch Entwürfe, abgelehnte Motive und Erläuterungen Spiegelmans.

Art Spiegelman: Küsse aus New York

Ebenfalls enthalten sind einige sehr beeindruckende Comics, die ebenfalls für den „New Yorker“ entstanden. Hierin beschäftigt Spiegelman sich mit Comickünstlern wie Charles M. Schulz (“Peanuts“) oder dem MAD-Schöpfer Harvey Kurtzman und gestaltet die Seiten in deren höchst unterschiedlichen Zeichenstilen, die Spiegelman täuschend ähnlich nachahmt obwohl er nicht viel von seinen Fähigkeiten als Zeichner hält.

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Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Lange hat es gedauert bis dieses Buch endlich auch in Deutschland erschienen ist. Dies ist besonders verwunderlich, da es doch die Wochenzeitung Die Zeit war, die Art Spiegelmans Comic-Serie Im Schatten keiner Türme weltweit zuerst veröffentlichte. Der Autor und Zeichner der einflussreichen und Pulitzer-Preis-gekrönten Comics Maus lebt mitten in New York City und musste am 11. September um seine Tochter bangen, deren Schule sich in der Nähe der Twin Towers befand.

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Mit den patriotischen Gefühlen, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center auch bei kritischen Geistern plötzlich aufkamen, konnte Spiegelman genauso wenig anfangen wie mit dem kurz zuvor nur eine zweifelhafte Wahl ins Amt gekommenen Präsidenten George W. Bush. Er fragte sich: “Warum mussten aus der Asche von Ground Zero diese provinziellen US-Flaggen hervorsprießen? Warum nicht ein Globus?“

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

Etwas Trost fand Spiegelman in den Tagen nach 9/11 in den alten Comic-Sonntagseiten von ebenso bunten wilden Serien wie George Herrimans Krazy Cat, Winsor McCays Little Nemo oder Bringing Up Father von George McManus. Er beschloss im Stile dieser farbenprächtigen großformatigen Comicseiten seine Eindrücke vom 11. September in unregelmäßigen Abständen zu Papier zu bringen. Diese verarbeitete Spiegelman auf zehn großformatigen prächtig illustrierten Seiten sehr vielschichtig und manchmal auch etwas pathetisch (wenn er z. B. seine Hassliebe zu New York vergleicht mit den Heimatgefühlen von Juden, die es während des Dritten Reiches lange nicht fertigbrachten Deutschland zu verlassen).

Art Spiegelman: Im Schatten keiner Türme

In Buchform wurden diese 10 Seiten geringfügig kleiner als in der Zeit hochkant auf Doppelseiten veröffentlicht. Um das Werk noch etwas anzudicken wurden kurze Texte von Spiegelman sowie ausgewählte Klassiker des Zeitungscomics beigefügt und außerdem besonders dicke Pappe verwendet. Das Cover des Buches ziert Spiegelmans aus zwei unterschiedlichen Schwarztönen bestehendes Motiv mit den Twin Towers, das schon als Cover des New Yorker für Aufsehen sorgte.

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Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

1978 erschien erstmals Art Spiegelmans Breakdowns. Die Veröffentlichung des großformatigen Bandes, der Comics enthielt, die zuvor bereits im kurzlebigen Underground-Magazin Arcade veröffentlicht wurden, entstand unter großen Schwierigkeiten. Wie Spiegelman im Nachwort zu diesem Band erzählt sprang als Finanzier in letzter Minute ein “Verleger von erlesenen Bondage- und Pornobüchern“ ein und die Hälfte der 5000er-Auflage kamen unbrauchbar aus der Druckerpresse.

Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

Der Band enthielt mindestens zwei Stories, die heute Klassikerstatus haben: Die 1972 entstandene dreiseitige noch sehr viel weniger reduziert gezeichnete erste Version von Spiegelmans Meisterwerk Maus und die beklemmende holzschnittartig gestaltete Story Gefangener auf dem Höllenplaneten. In dieser Geschichte, die auch in Maus enthalten ist, versucht Spiegelmann den Selbstmord seiner Mutter zu verarbeiten und stellte sich selbst als einsamer Sträfling dar, der nicht weiß warum er allein gelassen wurde. Auch die restlichen Beiträge aus Breakdowns, u. a. Reflektionen über das Wesen des Witzes oder Farbspiele mit Rasterfolien, sind hochinteressante Experimentalcomics.

Art Spiegelman: Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*!

Dennoch war das Buch kein Erfolg (erschien aber bereits 1980 in einer deutschen Übersetzung), stachelte Spiegelman jedoch dazu an es in Maus zur Abwechslung einmal mit einer epischen und nachvollziehbaren Erzählstruktur zu versuchen. Die Neuauflage von Breakdowns enthält nicht nur einen kompletten Reprint des Buchs von 1978, sondern auch noch die aktuelle Geschichte Portrait des Künstlers als %@*!. Hier ist Spiegelman (auto)biographisch wie in Maus aber zugleich auch experimentell wie in seiner wilden Phase. Er erzählt von Tod, Selbstmord und Holocaust, zugleich aber auch sehr humorvoll von seiner seit frühster Jugend andauernden Liebe zu den Comics.

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Art Spiegelman: MetaMaus

Art Spiegelman erzählt in seinem 1992 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Comic Maus in Form einer Tierfabel wie sein Vater Wladek den Holocaust überlebte. In einem kurzen Comic, der auf auf den ersten Seiten dieses Buches abgedruckt ist, beklagt Spiegelman sich darüber dass Journalisten auch 25 Jahre nach Erscheinen des Werkes immer noch die gleichen Fragen an ihn richten: Warum Comics? Warum Mäuse? Warum der Holocaust? In MetaMaus versucht Spiegelman in Form eines Interviews, das er mit Hillary Chute führte, diese Fragen möglichst ausführlich zu beantworten, um in Zukunft Ruhe zu haben.

Art Spiegelman: MetaMaus

Doch Spiegelman liefert noch sehr viel mehr und erzählt zum Beispiel, dass er Maus in zwei Teilen veröffentlichte, damit das Werk noch vor dem Kinostart von Feivel der Mauswanderer erschien. Spiegelman wirft Steven Spielberg, den Produzenten dieses Zeichentrickfilms vor, seine Idee geklaut und weichgespült zu haben. Spiegelman beschreibt auch, wie unterschiedlich Maus international aufgenommen wurde. Er legt Wert darauf, dass der Comic exakt in der Größe seiner Originalzeichnungen veröffentlicht wird, um wie ein Tagebuch zu wirken. Die einzige Ausnahme ist Japan, hier wurde Maus in einem größeren Format (“fast Magazingröße“) herausgegeben, da die Seiten “verglichen mit Mangas so mit Informationen gefüllt sind, dass Japaner zum Lesen eine Brechstange bräuchten.“

Art Spiegelman: MetaMaus

In Israel hingegen durfte die Comicfigur Wladek Spiegelman nicht “gebrochen hebräisch“ sprechen. Um zu verhindern, dass der Nachfahre eines Holocaust-Überlebenden eine Klage einreicht, musste Spiegelman in der israelischen Ausgabe einer Figur in seinen Zeichnungen einen “weichen Hut“ statt einer Polizeimütze aufsetzen. Durch Wladeks in diesem Detail getrübten Erinnerungsvermögen hätte diese Person ansonsten wie ein Komplize der Nazis gewirkt.

Art Spiegelman: MetaMaus

In Deutschland hingegen wollte bereits Zweitausendeins den Comic herausbringen, lange bevor sich ein amerikanischer Verleger dafür interessierte. Doch ein ansonsten renommierter Übersetzer hatte die “grandiose“ Idee Wladek Spiegelman nicht mit einem jüdisch gefärbten Deutsch sondern “wie ein hipper Berliner“ sprechen zu lassen. Spiegelman kaufte daraufhin die Rechte zurück und wurde sich mit Rowohlt einig. Dem dort in der Verlagsleitung tätigen Michael Naumann gelang es eine Sondererlaubnis zu bekommen, um – wie weltweit überall – auf dem Cover von Maus ein Hakenkreuz abbilden zu dürfen (was ansonsten nur bei Werken der “seriösen Geschichtsschreibung“ gestattet ist). Mittlerweile haben die meisten Werke Spiegelmans wie etwa Breakdowns: Portrait des Künstlers als %@*! bei Fischer ihre verlegerische Heimat gefunden.

Art Spiegelman: MetaMaus
Im Anhang des reich und interessant bebilderten Buchs befinden sich Teile des Interviews, das Art Spiegelman 1972 mit seinem Vater Wladek führte. Eine längere Version des Textes und weitere Interviews befinden in der unübersetzten Originalfassung auf einer DVD, die dem Buch beiliegt. Hier kann auch der vollständige Comic Maus in deutscher Übersetzung mit Direktzugriff zu Tondokumenten und Entwurfszeichnungen gelesen werden. Umfassender kann die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte eines Comicmeilensteins nicht dokumentiert werden.

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Art Spiegelman: Maus

In Form einer Tierfabel (Juden = Mäuse, Deutsche = Katzen, Polen = Schweine) schilderte Art Spiegelman (Küsse aus New York, Breakdowns, Im Schatten keiner Türme) die Leidensgeschichte seines Vaters Wladek, der als polnischer Jude nach Auschwitz verschleppt wurde und das Grauen überlebte. Maus erschien zunächst 1980 bis 1991 als Fortsetzungsgeschichte im Avantgardemagazin Raw und dokumentiert in jedem Kapitel zugleich auch eine äußerst komplizierte Vater-Sohn-Beziehung.

Art Spiegelman: MausSpiegelman besuchte seinem Vater regelmäßig, um mit diesem über seine Vergangenheit zu sprechen. Dabei wurde er beständig mit Vorwürfen und seltsamen Marotten konfrontiert (recht passend betitelte er den ersten Teil auch mit Mein Vater kotzt Geschichte aus). Doch gerade diese detaillierte Schilderung seines nicht eben sehr umgänglichen und äußerst komplizierten Charakters machen Wladek – auch als sehr schlicht gezeichnete Comicmaus – zu einem äußerst komplexen Wesen, dessen Leidensweg anrührt.

Art Spiegelman: Maus

Spiegelman gelang es durch seine klaren schwarzweißen Bilder und die jederzeit spürbare Wahrhaftigkeit der geschilderten Ereignisse den Leser zumindest ahnen zu lassen wie der Holocaust stattgefunden hat. Maus erhielt 1992 den Pulitzerpreis. Nachdem die zweibändige deutsche Ausgabe von Rowohlt schon lange vergriffen ist, brachte der Fischer Verlag eine Gesamtausgabe heraus und sorgt dafür, dass diese grandiose Comicerzählung endlich wieder lieferbar ist.

Art Spiegelman: Maus

Im sehr empfehlenswerten Buch MetaMaus dokumentiert Spiegelman umfassend die Entstehungsgeschichte von Maus.

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Die Ignoranten – Wenn Wein und Comic sich begegnen

Sicher ist jeder auf irgendeinem Gebiet ein absoluter Ignorant. Während der Comic-Zeichner Étienne Davodeau (Lulu – Die nackte Frau, Der schielende Hund) kaum etwas über die Wein-Produktion weiß, kennt sich der Winzer Richard Leroy überhaupt nicht mit Comics aus. Das Konzept diese beiden „Ignoranten“ zusammenzubringen, sich über ihre Arbeitsmethoden austauschen zu lassen und dies zu einem von Davodeau gezeichneten Comicalbum zu verarbeiten, klingt nur bedingt prickelnd. Doch das Resultat kann sich wahrhaft lesen lassen.

Die Ignoranten - Wenn Wein und Comic sich begegnen

Das liegt sicher auch daran, dass Richard Leroy kein typischer Weinbauer ist. Der ehemalige Bankangestellte produziert in seinen Weinbergen einen fast schon legendären trockenen Weiswein in sehr viel kleineren Mengen als er verkaufen könnte. Seine Produkte sind bei französischen aber auch internationalen Gastronomen und in amerikanischen Weinführern bereits mehr als ein Geheimtipp. Es hat schon fast etwas Mystisches wenn Leroy seine Reben beschneidet, seinen Weinberg frühmorgens mit seltsamen Substanzen dünkt, versucht genau die richtigen Holzfässer auszuwählen und bei der Gärung darauf verzichtet Schwefel oder ähnliches zu verwenden, sondern den “Traubensaft sich selbst überlässt“.

Die Ignoranten - Wenn Wein und Comic sich begegnen

Doch auch über Comics erfährt der Leser so einiges. Während Davodeau nicht immer erfolgreich versucht Leroy beim Winzern zu helfen, empfiehlt er seinem Freund auch einige Comics als Bett-Lektüre. Während dieser bei Watchmen von Alan Moore und Dave Gibbons recht bald eingenickt ist, haben ihm Comics wie Art Spiegelmans Maus oder Der Fotograf von Emmanuel Guibert und Frederic Lemercier schlaflose Nächte bereitet. Da Davodeau gut in der französischen Comic-Szene verdrahtet ist, besucht er gemeinsam mit Leroy neben den Festivals in Saint Melo oder in Bastia auf Korsika auch Zeichner-Kumpels wie Jean-Pierre Gibrat (Der Aufschub) oder Marc-Antoine Mathieu (Gott höchstselbst). Die daraus resultierenden Gespräche hat Davodeau äußerst lebendig in lässigen schwarzweißen Zeichnungen zu Papier gebracht.

Die Ignoranten - Wenn Wein und Comic sich begegnen

Eine Rolle spielen auch die Produktionsmethoden in der französischen Comic-Industrie. Davodeau besucht gemeinsam mit Leroy seine Druckerei in Belgien um zu überprüfen, wie seine Farben auf dem ausgewählten Papier zur Geltung kommen oder seinen Verlag Futuropolis in Paris. Hier bekommt der Leser einen Eindruck in die Sorgfalt mit der in Frankreich nicht nur Weine produziert sondern auch Comicprojekte angeschoben und begleitet werden, was Früchte trägt in originellen Werken wie Die Ignoranten.

Étienne Davodeau: Die Ignoranten - Wenn Wein und Comic sich begegnen

Bereits 2013 veröffentlichte Egmont diesen Comic als eins der wenigen Highlights einer kurzlebigen Graphic-Novel-Reihe. Der Hardcoverband ist schon lange vergriffen und daher ist es sehr erfreulich, dass sieben Jahre später bei Carlsen eine Neuauflage als Paperback erschien ist.

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