Es ist erstaunlich wie produktiv Jean Giraud alias Moebius etwa mit seiner epischen Western-Serie Leutnant Blueberry, John Difools abgefahrenen Incal-Abenteuern oder den Sternenwanderern war. Einige seiner wichtigsten Werke veröffentlichte er in den 70er Jahren im bahnbrechenden Magazin Metal Hurlant, das bei uns – ergänzt um deutsche Beiträge – als Schwermetall veröffentlicht wurde.
Viele der Beiträge des meisterhaften Zeichners, die in Metal Hurlant erschienen sind, hat Cross Cult in diesen sechs Bänden als Moebius Collection veröffentlicht: The Long Tomorrow, Die blinde Zitadelle, Die Ferien des Majors, Arzach, Die hermetische Garage und Zwischenlandung auf Pharagonescia. Alle diese Comics sind mittlerweile vergriffen und werden hoch gehandelt.
Es ist durchaus eine Überlegung wert, diese Einzelbände gegen den prachtvollen Band Moebius Opus einzutauschen, der – soweit ich es beurteilen kann (leider fehlen in Buch angaben, wann die einzelnen Comics erschienen sind) – auf 446 Seiten in chronologischer Reihenfolge alle Beiträge enthält, die Moebius für Metal Hurlant gezeichnet hat. Splitter veröffentlicht das schön aufgemachte Buch im Format 23 x 32 cm als elften Band seiner interessant zusammengestellten Jubiläums-Edition, in der auch eine Gesamtausgabe von Jean Girauds Serie Jim Cutlass erschienen ist.
Obwohl die Auflage 1.111 Exemplare beträgt, war das Buch zu seinem Erscheinungstermin schon fast komplett ausverkauft. Mittlerweile wird es teilweise bereits recht hochpreisig angeboten. Seinen Coverpreis von 99,80 Euro ist diese Wahnsinnsreise durch die phantastischen Welten von Moebius auf alle Fälle wert!
Ende der 70er Jahren waren Autor Jean-Michel Charlier (Mick Tangy) und Zeichner Jean Giraud nach 13 Alben ihrer Serie Leutnant Blueberry etwas überdrüssig. Sie suchten nach einer Alternative und starteten eine zweite Westernserie. Im Zentrum stand mit Jim Cutlass wieder ein Mann aus den Südstaaten, der im Sezessionskrieg für den Norden gekämpft hatte.
Die Geschichte spielt in nach dem Ende des Bürgerkriegs und beschreibt die unsicheren Verhältnisse im Süden der USA. Obwohl Cutlass gemeinsam mit seiner ebenso attraktiven wie wehrhaften Cousine Carolyn der rechtmäßige Eigentümer der Plantage Cyprus Lodge ist, wird es ihm nicht leicht gemacht sein Erbe anzutreten…
Das erste Album Mississippi River ist ein gradlinig erzählter Western vor attraktiver Südstaaten-Kulisse. Einmal mehr zeigt sich hier die Meisterschaft des großen Comicautors Charlier den Leser in seinen Bann zu ziehen. Genau wie bei Blueberry wird er auch hier optimal ergänzt von dem mit sicheren Strich zu Papier gebrachten Bildern von Jean Giraud, der kurz zuvor damit begonnen hatte als Moebius mit Werken wie Arzach ein ganz eigenes Comic-Universum zu schaffen.
Es sollte 10 Jahre dauern, bis Charlier und Giraud mit Der Mann aus New Orleans zu Jim Cutlass zurückkehrten. Die Zeichenarbeit hatte jetzt jedoch Christian Rossi übernommen, was dank dessen Talent jedoch kaum auffiel. Im weiteren Verlauf der Serie war jedoch immer stärker der Verlust von Charlier zu spüren, der am 10. Juli 1989 verstarb und das Szenario zu Der Mann aus New Orleans nicht mehr beenden konnte.
Jean Giraud übernahm das Schreiben der Serie. Was ihm durch Interventionen der Familie von Charlier bei Blueberry nicht erlaubt wurde, konnte er bei Jim Cutlass voll ausleben. Die Serie wird von Band zu Band immer mystischer. Im Zentrum steht zwar auch – wie noch von Charlier vorgegeben – der Kampf gegen den Klu-Klux-Klan, doch dominanter in der Geschichte sind der Kult des weißen Albinos und des ebenfalls weißen Riesenalligators. Die Bilder Rossis sind weiterhin eine Pracht und lassen an Moebius denken, die abgefahrene Geschichte leider auch.
Trotzdem ist es erfreulich, dass der Splitter Verlag eine wunderschön aufgemachte gebundene Gesamtausgabe von Jim Cutlass veröffentlicht hat. Enthalten sind im leichten Überformat von 23 x 32 cm auf 448 Seiten alle sieben Alben der Serie sowie einige Skizzen und Hintergrundinfos. Besser kann ein Comic nicht präsentiert werden!
Durch eine Verkettung widriger Umstände und Intrigen ist Mike S. Donavan, der arrogante Sohn eines reichen Plantagenbesitzers aus Georgia, gezwungen in den Norden zu flüchten. Er nennt sich fortan Blueberry und kämpft in der Armee der Nordstaaten gegen seine ehemaligen Landsleute aus dem Süden. Diese Geschichte erzählten Jean-Michel Charlier (Mick Tangy) und Jean Giraud erstmals 1968, doch ihre Erfolgsserie Leutnant Blueberry starteten sie bereits fünf Jahre zuvor.
Trotzdem ist es sinnvoll, dass Ehapas Reihe Die Blueberry Chroniken mit Blueberrys Geheimnis von 1968 und sieben weiteren Kurzgeschichten gestartet wurde, die zunächst im kleinformatigen Super Pocket Pilote erschienen sind. Später wurden diese in einem sehr lockeren Stil gezeichneten Geschichten in den Zack Parade -Taschenbüchern und dann unter dem Titel Die Jugend von Blueberry veröffentlicht. (Zu diesen Kurzgeschichten gehört auch noch Donner über der Sierra, die jedoch zeitlich deutlich später spielt und daher in Band 6 der Blueberry Chroniken nachgereicht wird).
Im zweiten Band der Blueberry Chroniken startet unter dem Motto Die Sierra bebt das eigentliche Epos. Die Geschichte beginnt 1866 in Arizona: Der junge und äußerst pflichtbewusste Leutnant Craig ist unterwegs nach Fort Navajo, einem mitten im Indianergebiet gelegenen Außenposten der Armee.
Bei einer Rast in einem Saloon hilft er einem Glücksspieler aus einer selbstverschuldeten Notlage. Zu seiner Überraschung stellt Craig fest, dass es sich bei dem verantwortungslosen Burschen um Leutnant Mike S. Blueberry handelt und dieser ebenfalls seinen Dienst in Fort Navajo antreten will.
Mit dieser Geschichte, die 1963 im Comicmagazin Pilote gestartet wurde und zwei Jahre später als Album Fort Navajo erschienen ist, begann die wohl beste Westernserie der Comicgeschichte. Jean-Michel Charlier etablierte schon nach wenigen Seiten einen äußerst sympathischen Antihelden. Er verarbeitete bei Blueberrys Abenteuern immer wieder tatsächliche Ereignisse, wie etwa die Geschichte des Apachen-Häuptlings Cochise, der genau wie im Comic von einem Offizier namens Bascom bei angeblichen Friedensverhandlungen hereingelegt wurde und daraufhin einen erbitterten Kampf gegen die Weißen begann.
Die Blueberry Chroniken enthält mit den drei zusammenhängenden Alben Fort Navajo, Aufruhr im Westen und Der einsame Adler jetzt den eigentlichen Auftakt der Serie. Ebenso spannend wie die Geschichte ist die künstlerische Entwicklung von Jean Giraud, der anfangs noch im etwas steifen Stile seines Lehrmeistes Jijé (Jerry Spring) zeichnete, dann aber immer lockerer wurde. Gelegentlich schimmert dabei schon etwas von jenen klaren Konstrukten durch, die zum Markenzeichen von Girauds Alterego Moebius (John Difool: Der Incal) werden sollten.
Für die Blueberry Chroniken wurden die Geschichten sorgfältig neu übersetzt und frisch gelettert. Zusätzlich gibt es Bonusmaterial, das allerdings eher auf historische Fakten als auf die Entstehung der Comics eingeht. Mittlerweile liegt mit Mann gegen Mann bereits der 19. Band dieser Reihe vor!
Christophe Blain
Demnächst kommt übrigens wieder etwas Bewegung in die Traditionsserie. Die beiden Comic-Chaoten Joann Sfar und Christophe Blain, die auch für eine Fortsetzung von Hugo Pratts Corto Malteseim Gespräch waren, arbeiten gerade an einem neuem Blueberry-Album.