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Siggi und Babarras

Lange bevor die Comics über die Gallier Asterix und Obelix bei uns zum absoluten Bestseller wurden, traten das ungleiche Duo als Germanen unter dem Namen Siggi und Barbarras auf. Rolf Kauka, der ab 1953 mit Fix & Foxi eine erfolgreiche Konkurrenz zu den Micky-Maus-Heften aufgebaut hatte, kaufte in den 60er-Jahren verstärkt Lizenzen aus dem frankobelgischen Raum ein.

Siggi und Babarras

Bei den Übersetzungen nahm er sich allerlei Freiheiten. So hießen Spirou & Fantasio bei ihm Pit und Pikkolo, ihr originelles Haustier Marsupilami wurde zu Kokomiko, Gaston stotterte unter dem Namen Jojo, während Boule & Bill zu Schnieff und Schnuff wurden. Die Piloten Tanguy & Laverdure hießen bei Kauka Rolf Randers & Miki Kabel und wurden zu „zwei deutschen Jagdfliegern in einer geheimen Spezialstaffel.“  Doch so radikal wie bei Asterix – ja man kann durchaus sagen: rechtsradikal – fiel bei keiner anderen Serie die deutsche Bearbeitung aus. Diese „freie Übersetzung “ nahm das vorweg, was später – unter anderem politischen Vorzeichen – in Raubdrucken wie Asterix und das Atomkraftwerk mit der Erfolgsserie angestellt wurde.

Siggi und Babarras

1965 in Ausgabe 6 des Comic-Magazins Lupo, das kurz darauf in Lupo modern umbenannt wurde, startete der Comic Siggi und die goldene Sichel. Auf der einleitenden Seite mit der Landkarte liegt das kleine Dörfchen “so um die Zeitenwende herum“ nicht etwa an der Küste des heutigen Frankreichs, sondern “am rechten Ufer des Rheins“ und heißt Bonhalla. Dort leben “Restgermanen“, die von den “Feinden nicht ernsthaft behelligt werden“, doch vielleicht als “Verbündete oder Gladiatoren“ gebraucht werden könnten.

Siggi und Babarras

Die römischen Legionäre sprechen bei Siggi und Barbarras nicht etwa lateinisch, sondern englisch, genau genommen amerikanisch und die Serie wurde in Lupo zu einer “Satire“ auf das Nachkriegsdeutschland. In Kaukas Version von Die goldene Sichel brachen Siggi und Barbarras auf, um den Druiden Wernher von Braunsfeld (der später Talentix hieß) zu finden, den auch die römischen Besatzer suchten, ähnlich wie Russen und Amerikaner kurz vor Kriegsende nach dem für die Nazis tätigen Raketen-Pionier Wernher von Braun fahndeten.

Siggi und Babarras

Die großteils von Rolf Kauka persönlich durchgeführte Verfremdung ging sogar so weit, dass eine schurkische Figur mit jiddischen Akzent sprach und der Hinkelstein von Barrabas alias Obelix zum (Auschwitz-) Schuldkomplex wurde. Zitat: „Babarras, musst du denn ewig diesen Schuldkomplex mit rumschleppen? Germanien braucht Deine Kraft wie nie zuvor.“

Siggi und Babarras

In Lupo modern folgte direkt im Anschluss an Siggi und die goldene Sichel unter dem Titel Kampf um Rom eine verfremdete Version von Asterix als Gladiator. Besonders extrem fiel die deutsche Bearbeitung von Asterix und die Goten aus.

Siggi und Babarras

Unter dem Titel Siggi und die Ostgoten treffen hier die freiheitsliebenden Bewohner von Bonhalla auf die bösen Ostgoten und ihren “Führer Hulberick“, deren Sprechblasen nicht – wie im französischen Original – mit Texten in Fraktur gefüllt sind, sondern mit sächsischen Dialekt in roten Maschinensatz-Buchstaben.

Siggi und Babarras

Dem Magazin PARDON war schon recht bald aufgefallen, dass hier “Politische Bildung für die Kleinen“ (so der Titel eines Artikels in Ausgabe 6 von 1965) betrieben wurde. Peter Sulzbach verglich Lupo modern mit Landser-Heften und bezeichnete es als “rechtsradikales Kindermagazin“.

Siggi und Babarras

Im seinem Buch Albert Uderzo erzählt sein Leben schildert der Asterix-Zeichner, wie er durch PARDON erfuhr, dass die deutsche Asterix-Übersetzung “rechtsradikale Propaganda verbreitete“. Rolf Kauka wurde daraufhin die Asterix-Lizenz entzogen und dieser hat sich danach laut Uderzo “bei Pressekonferenzen in Deutschland unter die Journalisten gemischt, um mich zu beschimpfen. Jedes Mal wurde er resolut vor die Tür gesetzt.

Siggi und Babarras

1966 erschien in Lupo modern unter dem trotzigen Titel Siggi der Unverwüstliche noch eine halbwegs moderat eingedeutschte Version des ersten Albums Asterix der Gallier, in dem die Römer auch schon einmal lateinisch sprachen. Doch danach war Schluss mit Asterix bei Kauka. Auf der Suche nach Ersatz wurden Die Pichelsteiner als die “legendären Vorfahren von Siggi und Barbarras“ aus der Steinzeit präsentiert.

Siggi und Babarras

Auch mit der Eigenproduktion der Serie Fritze Blitz und Dunnerkiel versuchte Kauka ab 1967 die Lücke zu schließen, wobei diese auch nicht mehr Erfolg hatte, nachdem  die Germanen zwei Jahre später in Siggi und Barbarras umbenannt wurden. Zeitgleich feierte Asterix passabel übersetzt in Kaukas Konkurrenz-Magazin MV Comix erste Erfolge. Doch erst nachdem Gudrun Penndorf ab 1968 als Übersetzerin fungierte, stellte sich nach und nach der große Erfolg ein.  Die Veröffentlichung einer kritisch kommentierten Gesamtausgabe der Kaukaschen Asterix-Verunglimpfung wäre dennoch wünschenswert!

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Albert Uderzo erzählt sein Leben

Anstatt mit witzigen Anekdoten garnierte Albert Uderzo seine Autobiographie lieber mit reaktionären Seitenhieben (á la “Wer Wehrdienst schiebt, zündet keine Autos an“) und persönlichen Abrechnungen. Hauptschurke des Buches ist der Verleger Georges Dargaud, der laut Uderzo öffentlich gerne so tat, als wenn hauptsächlich er für den Erfolg von Asterix gesorgt hätte. Doch auch Kollegen wie etwa Morris und Greg kommen zum Teil nicht allzu gut weg.

Albert Uderzo erzählt sein Leben

Witzig hingegen sind die kurzen Passagen über Rolf Kaukas “verdrehte Übersetzung“. Der Fix und Foxi-Schöpfer hatte 1965 die Gallier Asterix und Obelix in die Germanen Siggi und Barbarras verwandelt. Diese traten in Lupo modern gegen Besatzer an, die nicht lateinisch, sondern amerikanisch sprachen. Uderzo erfuhr davon durch die Satirezeitschrift Pardon, die berichtete, dass hier ein Comic “rechtsradikale Propaganda verbreitete“. Uderzo entzog Kauka die Asterix-Lizenz und dieser hat sich danach laut Uderzo “bei Pressekonferenzen in Deutschland unter die Journalisten gemischt um mich zu beschimpfen. Jedes Mal wurde er resolut vor die Tür gesetzt.

Albert Uderzo erzählt sein Leben
Wer nicht jedes Wort in diesem Buch für bare Münze nimmt, bekommt (auch durch die interessant ausgewählten Fotos) immerhin einen recht lebendigen Eindruck in die wilden Gründerjahre des Comicmagazins Pilote und in die äußerst produktive Freundschaft zwischen dem genialen Zeichner Uderzo und dem unersetzlichen René Goscinny.

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