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Hokusai x Manga

Das direkt am Hamburger Hauptbahnhof gelegene Museum für Kunst und Gewerbe verfügt über eine große – nach eigenen Angaben “international einmalige“ – Sammlung von japanischen Farbholzschnitten und Holzschnittbüchern. Darunter befinden sich auch viele Werke von Katsushika Hokusai (1760 – 1849), wie etwa ein Exemplar von dessen wohl bekanntesten Farbholzschnitt “Die große Welle vor Kanagawa“.

Hokusai x Manga

Wenn das Haus eine Ausstellung dieser Holzschnitte zeigt und diese noch um Mangas von Keiji Nakazawa (“Barfuß durch Hiroshima“) oder Jiro Taniguchi (“Vertraute Fremde“) ergänzt, dann wirkt dies auf den ersten Blick so, als wenn hier versucht wird Dinge zu kombinieren, die wenig gemeinsam haben. Auch der schön aufgemachte Katalog zur Ausstellung, der im Hirmer Verlag erschienen ist, bestätigt die Vermutung, dass mit populären Manga-Elementen versucht wird, Klassiker aufzumotzen. Den Abbildungen der Holzschnitte wird im Buch deutlich mehr Raum eingeräumt als den japanischen Comics.

Hokusai x Manga

Doch auf den zweiten Blick ergibt sich ein faszinierendes Ganzes, denn bei einigen der Holzschnitte, die im 17. Jahrhundert entstanden sind, handelt es sich zweifelsohne bereits um Comics. Der Katalog dokumentiert ausführlich Hishikawa Moronobus aus 19 Blättern bestehende Geschichte “Die Legende vom Dämon Shuten-doji“ (1680), die noch ohne Text auskommt, was sich jedoch schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ändern sollte. Wichtiger aber noch ist eine Serie von Mallehr-Büchern, in denen Katsushika Hokusai unter dem Titel “Hokusai manga“ (“Zufällige Skizzen von Hokusai“) ab 1814 Skizzen veröffentlichte. Hier werden zwar keine Geschichten erzählt, aber dennoch wurde Hokusai durch diese Reihe zum Paten des Mangas.

Hokusai x Manga
Kobayashi Kiyochika, „Die Jōō- und Manji-Periode, Japan, Tōkyō, 1896 © MKG

Natürlich kann weder die Ausstellung “Hokusai x Manga“ noch der Katalog das ganze Spektrum der japanischen Comics abdecken. Doch mit Nakazawa, Taniguchi, Kiriko Nananan und Inio Asano wurden einige interessante japanische Künstler porträtiert. Den Abschluss des Buchs bildet der interessanter Text “Manga im Wandel: Abrücken von der Popkultur“ von Jaqueline Berndt, die u. a. versucht zu erklären, warum manche aus westlicher Sicht skandalös wirkenden japanischen Comics (Stichwort: “Boys Love“) eigentlich eher harmlos sind.

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Jiro Taniguchi: Ihr Name war Tomoji

Wenn Jiro Taniguchi (Die Sicht der Dinge) aus dem Leben einer buddhistischen Religionsstifterin erzählt, dann ist das Resultat kein religiöser Erbauungsroman, sondern eher das japanische Gegenstück zu Anna Wimschneiders Erfolgsroman “Herbstmilch – Lebenserinnerungen einer Bäuerin“. Im Zentrum des Comics stehen die Jugendjahre von Tomoji Uchida, die nachdem sie 1932 ihren Cousin Fumaki Ito heiratete, gemeinsam mit diesem die Religionsgemeinschaft Shinnyo-En gründete.

Jiro Taniguchi: Ihr Name war Tomoji

Tomoji wurde 1912 in einfachen Verhältnissen in einem kleinen Bergdorf westlich von Tokyo geboren. Dort wuchs sie im Kreise einer weit verzweigten Familie zwar relativ behütet auf, wurde aber dennoch mit zahlreichen Schicksalsschlägen, wie dem Tod ihres Vaters und einiger Geschwister, konfrontiert. Sie kam damit besser klar als ihre Mutter, die eines Tages einfach aus dem Leben ihrer Kinder verschwand.

Jiro Taniguchi: Ihr Name war Tomoji

Taniguchi realisierte diesen Comic im Auftrag einer buddhistischen Religionsgemeinschaft. Er akzeptierte das Angebot unter der Bedingung, dass er sich bei der Erzählung Freiheiten erlauben und fiktive Ereignisse mit einbauen durfte. Gemeinsam mit der Autorin Miwako Ogihara zeigte sich Taniguchi stärker daran interessiert von den Härten eines arbeitsreichen Lebens auf dem Lande, als von den möglicherweise daraus resultierenden spirituellen Erkenntnissen zu erzählen.

Jiro Taniguchi: Ihr Name war Tomoji

Ganz ohne mystische Elemente kommt die Geschichte jedoch nicht aus. Der Aufhänger der Story ist eine nicht stattgefundene Begegnung zwischen Tomoji und ihrem späteren Ehemann Fumaki. Die Beiden verpassten sich 1925 knapp, als Fumaki auf dem Lande als Fotograf unterwegs war. Doch die manchmal etwas seltsam verschachtelt erzählte Geschichte vermittelt den Eindruck, dass das Paar, allen Widrigkeiten zum Trotz, füreinander bestimmt ist.

Jiro Taniguchi: Ihr Name war Tomoji

Doch in erster Linie erfreut auch dieses Werk von Taniguchi durch die Akribie mit der nur scheinbar banale Alltäglichkeiten nachfühlbar geschildert werden. Die deutsche Ausgabe von Carlsen erscheint in westlicher Leserichtung und enthält als Anhang ein aufschlussreiches Gespräch mit Taniguchi. Sehr schön ist auch, dass die jeweils ersten Seiten der sechs Kapitel in Farbe zum Abdruck kommen.

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Sabrina Schmatz: München 1945

Die Türme der Frauenkirche stehen 1945 noch, doch ansonsten liegt München großteils in Trümmern. Vom Himmel fallen Flugblätter, auf denen die US-amerikanischen Truppen ihren Einmarsch in die Stadt ankündigen und die Bürger dazu auffordern Vernunft zu bewahren und keinen Widerstand zu leisten. Dadurch soll den Fanatikern “das Heft aus der Hand“ genommen werden.

Sabrina Schmatz: München 1945

Vor diesem Hintergrund empfindet das junge Mädchen Konstanze den Einmarsch der US-Truppen durchaus als Befreiung. Sie ist jedoch entsetzt, als die Wohnung ihrer Freundin Franziska von den Militärs beschlagnahmt und diese zusammen mit ihrem kleinen Sohn einfach auf die Straße gesetzt wird.

Sabrina Schmatz: München 1945

Zugleich fragt sich Konstanze ob die Deutschen „diese Verluste nicht irgendwie verdient haben“. Sie freundet sich ein wenig mit dem jungen amerikanischen Sanitätssoldaten Daniel an, was nicht nur bei ihrem aus dem Krieg heimkehrenden Cousin Roman auf wenig Verständnis stößt…

Sabrina Schmatz: München 1945

Sabrina Schmatz hat “München 1945“ in einem skizzenhaften Stil veröffentlicht, da sie “leider kein gutes Händchen“ hat, “was tuschen betrifft“ und befürchtet “alle Dynamik einfach tot“ zu inken. In der Tat sah schon so manche Comic-Erzählung sehr viel lebendiger aus, bevor sie dann mit dicken Umrisslinien und üppiger Farbgebung zum Drucker geschickt wurde.

Sabrina Schmatz: München 1945

Die Postkarten mit den Protagonisten aus “München 1945“, die Sabrina Schmatz auf dem Comic-Salon in Erlangen im Angebot hatte, zeigen jedoch, dass sie sehr gut mit Farben und konkreten Konturen klar kommt. Der skizzenhafte Stil mit dem sie “München 1945“ realisiert hat, passt jedoch sehr gut zu den unsicheren Verhältnissen am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Sabrina Schmatz: München 1945 – Gesamtausgabe

Mittlerweile liegen alle sechs Bände von München 1945 vor. Der Carlsen Verlag hat – mit dem Untertitel Eine Liebesgeschichte am Ende des Krieges – eine zweibändige gebundene Gesamtausgabe gestartet.

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Taniguchi & Moebius: Ikarus

Lange hat es gedauert bis diese Zusammenarbeit zweier auch bei uns sehr populärer Comickünstler endlich als deutsche Ausgabe vorliegt. In den 90er Jahren bemühten sich japanische Comic-Verlage darum mit westlichen Künstlern zusammenzuarbeiten. So erlebte Barus 1996 auf dem Comic-Salon in Angoulême als bestes Album prämiert Comic-Meisterwerk Autoroute Du Soleil seine Premiere zwei Jahre zuvor im Manga-Magazin Morning des Verlags Kōdansha.

Taniguchi & Moebius: Ikarus

Dort erschien 1997 ebenfalls als Fortsetzung-Serie der Comic Ikarus. Dieser entstand nach einer Geschichte, die Jean Giraud alias Moebius (Sternenwanderer) gemeinsam mit Jean Annestay entwickelte. Den ursprünglich für einen Umfang von 10.000 Seiten (!) konzipierten Comic setzte Jiro Taniguchi (Vertraute Fremde) in Szene.

Taniguchi & Moebius: Ikarus

Ikarus spielt in einem zukünftigen Japan, das von einer sadomasochistischen Diktatorin beherrscht wird. Hier kommt ein kleiner Junge zur Welt, der bereits als Säugling schweben kann. Icaro wird sofort von der Mutter getrennt, auf einer Insel eingesperrt und dort Experimenten unterzogen. Als er zum jungen Mann heranreift, verliebt Icaro sich in die Wissenschaftlerin Yukiko. Dem Paar gelingt die Flucht…

Taniguchi & Moebius: IkarusDie Serie kam bei ihrer Erstveröffentlichung nicht allzu gut bei den japanischen Lesern an und schloss bereits nach 280 Seiten mit einem eher offenen Ende ab. Taniguchi setzte sich erfolglos für eine Fortführung von Ikarus ein. Immerhin fand er einen japanischen Verlag, der 2000 eine Gesamtausgabe veröffentlichte. Internationale Veröffentlichungen folgten und “Ikarus“ erhielt dadurch endlich die verdiente Aufmerksamkeit.

Taniguchi & Moebius: Ikarus

Bei Schreiber & Leser liegt eine gebundene Gesamtausgabe von Ikarus vor, die zudem noch ein sehr interessantes und aufschlussreiches Interview mit Moebius enthält, das Numa Sadoul im April 2004 führte. Hier ist zu erfahren, dass Taniguchi dem Comic nicht nur durch die Zeichnungen, sondern auch durch seine Freiheit beim Inszenieren der Geschichte seinen Stempel aufgedrückt hat.

Taniguchi & Moebius: Ikarus

Die Wucht mit der hier eine futuristische aber auch zutiefst emotionale Geschichte ohne viele Worte doch mit großartigen oft auch großformatigen Bildern in Szene gesetzt wird, lässt immer wieder an Katsuhiro Otomos Manga-Klassiker Akira denken. Doch Ikarus ist zugleich etwas ganz eigenes. Schade, dass es mit der Geschichte nicht weiterging, doch großartig, dass „Ikarus“ endlich erschienen ist.

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Baru: Autoroute Du Soleil

Karim Kemal, ein Franzose nordafrikanischer Abstammung, schläft mit der Frau eines höchst nationalistischen Franzosen. Dieser trommelt seine Neonazi-Bande zusammen und macht Jagd auf Karim, der von seinem Freund Alexandre Babiéri begleitet wird. Auf diesem Trip von Nancy nach Marseille erleben sie haufenweise haarsträubende Situation.

Baru: Autoroute Du Soleil Hervé Barulea alias Baru (Die Sputnik-Jahre, Bella Ciao) zeichnete diesen Comic ursprünglich für den japanischen Markt. Die Geschichte wurde zunächst 1994 als Fortsetzungs-Serie im Manga-Magazin Morning des Verlags Kōdansha veröffentlicht. Dort erschien drei Jahre später der von Moebius geschriebene und von Jiro Taniguchi gezeichnete Comic Ikarus.

Baru: Autoroute Du Soleil

Mit Autoroute Du Soleil gelang Baru ein für das eher Album-fixierte Europa sehr ungewöhnliches Werk. Von einigen kolorierten einführenden Seiten, die so nur in Japan veröffentlicht wurden, hat Baru alles in Schwarzweiß gezeichnet.

Baru: Autoroute Du Soleil

Der Comic verzichtet auf ausführliche Dialoge. Die Geschichte wirkt dadurch eher filmisch und der 430 Seiten starke Schmöker ist schneller weggelesen, als so manches stärker durch Worte als durch Bilder erzähltes 48-seitige Comic-Album.

Baru: Autoroute Du Soleil

Formal handelt es sich zwar um einen Manga, inhaltlich ist das Werk aber zutiefst europäisch und wurde 1996 auf dem Comic-Salon in Angoulême als bestes Album prämiert. Während die Figuren in Autoroute Du Soleil genau wie im japanischen Comic mal realistisch und mal überzeichnet als Karikaturen dargestellt werden, sind Landschaft, Gebäude und Autos immer sehr exakt der Realität nachempfunden.

Baru: Autoroute Du Soleil

Bei aller Action in der Handlung ist der Comic zugleich aber auch die teilweise sehr bittere Beschreibung einer Welt voller Hass, Rassismus und verratener Ideale. Formal und inhaltlich ist Autoroute Du Soleil ohne Zweifel ein absolutes Meisterwerk.

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Enrico Marini: Gipsy

Der wilde Sinti-Trucker Tsagoi zigeunerd von Verlag zu Verlag. Die Serie startete einst bei Ehapa, danach übernahm Carlsen und brachte in einem etwas großformatigeren Format alle sechs Bände heraus. Splitter setzt noch einen drauf und veröffentlicht zum fairen Preis in chronologischer Reihenfolge eine edle sechsbändige Hardcover-Gesamtausgabe mit Bonusmaterial.

Enrico Marini: Gipsy

Beim Blick aufs Cover des ersten Bands Der Stern des Zigeuners fällt auf, dass die Signatur von Enrico Marini aus dem Jahre 1992 stammt. Es ist erstaunlich. wie gut sich diese leicht futuristische Serie gehalten hat und mit welch einem ausgereiften Stil der damals erst 23-jährige Enrico Marini sie in Szene setzte. Während der gebürtige Schweizer heute – etwa in Die Adler Roms – farbenprächtige Couleur-Directe-Orgien feiert, sind es bei Gipsy (zunächst) noch klare vom Manga-Style beeinflusste Zeichnungen, die eher flächig koloriert wurden.

Enrico Marini: Gipsy

Doch nicht nur Marinis opulente Zeichnungen und sein klares Figurendesign sprechen für die Serie. Auch die Geschichten überzeugen, denn der Belgier Thierry Smolderen ist ein mitreißender Erzähler. Ihm gelingen farbige Charaktere voller menschlicher Schwächen, allen voran die ihre Herzensgüte sehr erfolgreich hinter einer ultrarauen Schale verbergende Hauptfigur. Der Zigeuner-Macho Tsagoi greift zwar schnell zum Messer, aber für seine kleine Schwester Oblivia opfert er sich auf. Er arbeitete hart als Trucker, um ihr so lange wie möglich eine gute Erziehung in einem Schweizer Internat zu bieten.

Enrico Marini: Gipsy
Angesiedelt ist die Geschichte in einer nahen Zukunft mit Klimakatastrophen und Flugverbot. Hier wird der Fernverkehr überlebenswichtig, und die Autobahn C3C (Circumpolar 3 Continental) umspannt fast die komplette nördliche Halbkugel, wodurch Güter in westlicher Richtung von New York bis Paris transportiert werden können. Die Gipsy-Ausgabe von Splitter lässt den Leser noch tiefer in diese Welt eintauchen. Neben Skizzen enthält sie u. a. eine Weltkarte mit den Transport-Routen der C3C und einen fiktiven Zeitungsartikel über den Schlüsselroman Der Tag des Zaren.

Enrico Marini: Gipsy

Hier schreibt Oblivia nicht nur über den tragischen Ausgang ihrer Liebesgeschichte mit  dem frisch gekrönten Zaren von Russland, aber auch über ihre problematische Beziehung zu ihren Bruder. Die ersten drei Bände von Gipsy erzählen zwar in sich abgeschlossene Geschichten, setzen sich aber zugleich auch zu einer mitreißend erzählten Trilogie zusammen.

Enrico Marini: Gipsy

Der vierte Band Die schwarzen Augen spielt vor dem Hintergrund eines fußballbesessenen Deutschlands. Smolderens Geschichte ist auch eine derbe Satire auf deutsche Gepflogenheiten, beleuchtet zugleich aber auch ein wichtiges Kapitel aus der Kindheit des Gipsy. Leider bleiben Marinis Zeichnungen hier oftmals ein wenig  hinter den tollen Bildern der ersten drei Bände zurück und sehen manchmal erschreckend grob aus. In den beiden letzten Bänden der Serie läuft Marini jedoch wieder zur alten Hochform auf.

Enrico Marini: Gipsy

Doch im fünften Band Die weiße Schwinge kehrt der Hyper-Macho Tsagoi wieder in alter Frische zurück. Er zeigt diesmal sogar einen weichen Kern und liest das Buch Intelligente Konversation für Dummies, denn er hat eine Verabredung mit zwei Frauen.

Enrico Marini: Gipsy

Eine davon ist seine Schwester Oblivia und diese hat gerade jenen Bestseller geschrieben, in dem sie ungeniert über ihren Bruder herzieht. In Oblivias Begleitung befindet sich noch die blonde Verlegerin Eva Darfold.

Enrico Marini: Gipsy

Dass sich diese gleich an Tsagoi ranschmeißt trägt nicht gerade zur Stabilisierung der ohnehin schon stark angeschlagenen geschwisterlichen Bindung bei. Doch keine Angst, das war auch schon alles was auf der psychologischen Ebene abgeht. Ansonsten gibt es Action satt, wobei sowohl japanische Manga-Comics als auch der erste Indiana Jones-Film als Inspiration dienten.

Enrico Marini: Gipsy

Im sechsten Band Das Lachen der Azteken tauchen viele alte Bekannte des Gipsys wieder auf. Trotzdem ist die Geschichte nicht das große Serien-Finale, sondern ein weiteres wildes Abenteuer, das dem Leser noch einmal alle Stärken dieser außergewöhnlichen leicht futuristischen Trucker-Serie vor Augen führt. Schauplatz ist diesmal das fiktive an Mexiko erinnernde Land Parador.

Enrico Marini: Gipsy

Hier bekommt es der Gipsy mit einem Virus zu tun, das Menschen in irre grinsende Mordmaschinen verwandelt. Doch natürlich spielen auch schöne Frauen, wilde Action-Szenen, überraschende Gags und schnelle Fahrzeuge – in diesem Falle sogar Seifenkisten – eine große Rolle. Dieser in allen Belangen überzeugende Comic macht es dem Leser nicht leicht, Abschied zu nehmen vom charmanten, sich oftmals nicht ohne guten Grund selbst überschätzenden Macho Tsagoi.

Enrico Marini: Gipsy

Besser als in der Splitter-Gesamtausgabe kann eine Serie nicht präsentiert werden, und Gipsy hat diese edle Veröffentlichung auch wirklich verdient! Der einzige Wermutstropfen ist, dass seit 2002 keine weiteren Bände der Serie erschienen sind.

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Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Dieser Comic ist das erfreuliche Resultat eines von den Egmont Verlagsgesellschaften ausgeschriebenen Wettbewerbs zum Thema “Heimat 2.0“. Olivia Vieweg arbeitete zum Zeitpunkt der Ausschreibung bereits an ihrem bei Suhrkamp erschienenen Comic Huck Finn und hatte die Geschichte Antoinette kehrt zurück eigentlich für eine befreundete Zeichnerin geschrieben. Als sich dies zerschlug reichte sie ihren Entwurf bei Egmont ein und gewann das Comic-Stipendium.

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Sie erzählt von einer attraktiven erfolgreichen jungen Frau, die in Los Angeles bei einer Werbeagentur beschäftigt ist und einen Hollywood-Star zum Freund hat. Doch Antoinette ist dennoch von Selbstzweifeln geplagt, sie verleugnet ihre Heimat Deutschland und behauptet sie käme aus Schweden. Dennoch wirft sie jeden Tag per Webcam einen Blick auf ihren im Harz gelegenen kleinen Heimatort. Eines Tages sieht sie dabei wie eine nackte Frau, die ihr totales Ebenbild ist, durchs Bild huscht. Daraufhin macht sich Antoinette auf den Weg nach Harzberg, da sie dort noch einige Rechnungen zu begleichen hat…

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Antoinette kehrt zurück behandelt vor dem Hintergrund einer spannenden Geschichte mit Mystery-Touch ein ernstes Thema. In Rückblenden fließt immer wieder ein, wie grausam Antoinette in ihrer Jugend von ihren Schulkameraden gemobbt wurde. Da sie intelligenter und attraktiver als viele ihrer Mitschülerinnen war, wurde sie mit ihrer psychisch kranken Mutter aufgezogen. Damit sie dennoch dazugehören durfte, wurde ihr ein grausames Ritual abverlangt.

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Genau wie schon bei Huck Finn oder auch bei Schwere See, mein Herz überzeugen hier neben der Story auch Olivia Viewegs Bilder. Simpel gezeichnete aber ausdrucksstarke Figuren mit leichtem Manga-Touch, detailfreudig ausgeführte Landschaften sowie eine stimmungsvolle rotbraue Kolorierung setzen sich zu einem stilvollen Gesamtkunstwerk zusammen.

Olivia Vieweg: Antoinette kehrt zurück

Da die Egmont-Ausgabe mittlerweile verlagsvergriffen ist, hat Schwarzer Turm eine preiswerte Taschenbuch-Ausgabe des Comics mit einem schönen neuen Titelbild veröffentlicht. Dies Buch kann hier bestellt werden. Auf Wunsch kann das Buch von Olivia Vieweg mit einer Widmung oder „einer hübschen kleinen Illustration“ versehen werden!

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Vertraute Fremde

Als er von einer Geschäftsreise zurückkehrt steigt der Comiczeichner und Familienvater Thomas scheinbar zufällig in den falschen Zug und landet in einem Dorf in den französischen Bergen. Hierbei handelt es sich um seinen Geburtsort. Thomas sucht dort erstmals seit Jahren wieder das Grab seiner Mutter auf und fällt in Ohnmacht. Als er wieder erwacht, ist er plötzlich 14 Jahre alt und befindet sich plötzlich in den 60er Jahren. Er trifft auf seine Mutter und seinen Vater, der kurz darauf die Familie verlassen hat. Thomas setzt alles daran dies zu verhindern…

Vertraute Fremde

Als erster japanischer Comic überhaupt wurde Jiro Taniguchis Vertraute Fremde 2003 auf dem französischen Comicfestival in Angoulême mit dem Preis für das beste Szenario ausgezeichnet. Noch erstaunlicher ist jedoch, dass sechs Jahre später der belgische Regisseur Sam Garbarski (Irina Palm) den Manga mit Alexandra Maria Lara in einer der Hauptrollen verfilmte und die Handlung nach Frankreich verlegte.

Jiro Taniguchi: Vertraute Fremde

Außerdem machte der Film aus der Hauptfigur, die in Taniguchis Manga Architekt war, auch noch einen Comiczeichner und heuerte den populären Comickünstler Frank Pé (Jonas Valentin, Zoo) an um hierfür das nötige Artwork anzufertigen. Außerdem hatte Jiro Taniguchi noch einen Gastauftritt in Garbarskis Film.

Vertraute Fremde
Das Resultat ist jedoch weniger das Wunschprojekt eines Comic-Nerds, sondern transportiert ebenso kompakt wie sensibel Inhalt und Grundaussage von Taniguchis Manga. Auch vor europäischen Hintergrund funktioniert die Geschichte vom Mann, der noch einmal seine Jugend durchlebt, und vom Vater, der das Recht auf ein zweites Leben einfordert.

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Jiro Taniguchi: Der geheime Garten vom Nakano Broadway

Obwohl Jiro Taniguchi (Vertraute Fremde, Die Sicht der Dinge) diesem Comic nicht getextet hat, sind die kurzen Geschichten maßgeschneidert für den akribischen Chronisten des japanischen Alltags. Auf der Basis eigener Beobachtungen erzählt der Autor Masayuki Kusumi, der mit Taniguchi auch bei Der Gourmet: Von der Kunst allein zu genießen zusammenarbeitete, vom leitenden Angestellten Uenohara, der immer wieder vom rechten (Spazier-)Weg abkommt und dabei kuriose Entdeckungen macht.

Jiro Taniguchi: Der geheime Garten vom Nakano Broadway

Die Geschichte des “geheimen Garten vom Nakano Broadway“ ist seltsamerweise in diesem Band nicht in Comicform vorzufinden, sondern wird von Masayuki Kusumi im umfangreichen Nachwort erzählt. Hier erklärt dieser auch die Hintergründe zu seinen acht Short Storys, die für ein Magazin konzipiert wurden, das hauptsächlich von Hausfrauen gelesen wird. Doch die Geschichten haben einen universellen Charme und laden dazu ein, ausgetretene Pfade zu verlassen und sich auf Entdeckungsreise zu begeben. Vielleicht findet der Leser ja auch etwas ähnlich Kurioses wie den Nachbau einer Edison-Glühbirne, in deren schwachen Licht manches (wie etwa die eigene Ehefrau) neu zu erstrahlen beginnt.

Jiro Taniguchi: Der geheime Garten vom Nakano Broadway

Ein wenig erinnert dies Konzept an Taniguchis Comic Der spazierende Mann, den Carlsen in einer um Farbseiten ergänzten Ausgabe neu herausgebracht hat. Auf den ersten Innenseiten von Der geheime Garten vom Nakano Broadway ist ein wunderschönes Aquarellgemälde von Taniguchi abgebildet, das zeigt wie gut aber auch wie lässig dieser mit Farben umgehen kann und es ist ein bisschen schade, dass seine Comics fast nur aus schwarzweißen Seiten bestehen.

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Jiro Taniguchi: Sky Hawk

Wer Jiro Taniguchi nach Meisterwerken wie Von der Natur des Menschen, Die Sicht der Dinge oder dem auch verfilmten Manga Vertraute Fremde für einen Erzähler hält, der sich hauptsächlich für die inhaltlich und zeichnerisch akribische Wiedergabe von japanischen Alltagswelten interessiert, sollte sich nicht nur dessen Veröffentlichungen bei Carlsen anschauen. Schreiber & Leser brachte einige Werke von Taniguchi wie Die Stadt und das Mädchen, Der Wanderer im Eis oder Der Gipfel der Götter heraus, die eher dem Abenteurer-Genre zuzurechnen sind.

Jiro Taniguchi: Sky Hawk

In diese Richtung geht auch Sky Hawk, denn hierbei handelt es sich um einen klassischen Western. Passend hierzu stammt auch das Vorwort des Buches von Jean “Moebius“ Giraud (Blueberry). Dieser attestiert Taniguchi, dass er der einzige Mangaka ist, “der in der Lage ist, die speziellen Voraussetzungen eines Western zu verstehen“ und das so gut, dass “Hollywood gar nicht mehr gebraucht wird“. Taniguchi gibt in seinem Nachwort zu, dass er “wichtige Anregungen“ von Western-Serien wie Mac Coy, Blueberry, Comanche, Jonathan Cartland oder Buddy Longway empfangen hat, ohne die er “mit Sicherheit diesen Western nicht gezeichnet hätte.“

Jiro Taniguchi: Sky Hawk

Doch auf eine seltsame Weise wirkt Taniguchis Western-Ansatz auch ganz schön “deutsch“. Während in “Frankobelgien“ fast immer US-Amerikaner die Comichelden sind, schickt Taniguchi zwei Samurais in den Wilden Westen. Diese sind genau wie Karl Mays sächsischer Old Shatterhand die besseren Westmänner, da sie sich mit den Indianern anfreunden und diese nicht wie die bösen Weißen ausrotten wollen. Ähnlich wie in einem ostdeutschen DEFA-Indianerfilm sind nahezu alle innerhalb der Geschichte auftretenden US-Amerikaner abgrundtief böse und hinterhältig.

Jiro Taniguchi: Sky Hawk

Doch Klischees gehören schließlich zum Western und auch daher ist Sky Hawk eine sehr spannende und interessante Variation altbekannter Motive.

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