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Joann Sfar: Die Synagoge

Eine schwere Corona-Erkrankung zwang Joann Sfar (Blueberry: Das Trauma der Apachen, Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte) zu einem wochenlangen Krankenhausaufenthalt. Während etliche Patienten in den Nachbarzimmern starben, arbeitete der knapp 50-jährige Sfar an einem autobiografischen Comic. Wie bereits in seiner Erfolgsserie Die Katze des Rabbiners ist sein kompliziertes Verhältnis zum jüdischen Glauben das Leitmotiv.

Die Geschichte beginnt mit dem 17-jährigen Sfar, der sich in seiner Heimatstadt einem Wachdienst anschlossen hatte, der sich nach etlichen Terroranschlägen auf Synagogen formiert hatte. Für Sfar ging es jedoch nicht hauptsächlich darum, seine Gemeinde zu schützen. Anstatt die von ihm als langweilig empfundenen Gottesdienste abzusitzen, stand er lieber bei Wind und Wetter vor der Synagoge, denn als Beschützer der Betenden war er vor dem Zorn Gottes und vor allen vor dem seines Vater sicher.

Die zentrale Figur im Comics (und Leben) von Sfar ist sein Vater André. Bevor dieser nach Frankreich kam, verteidigte er in Algerien als junger Anwalt Araber gegen die Willkür der Kolonialmacht. Der junge Joann Sfar erlebte seinen Vater, der in Nizza eine erfolgreiche Kanzlei betrieb, als “sehr zionistisch und pro Palästina“. Dies änderte sich “ab dem Moment, als die Palästinenser beschlossen haben, alle Juden seien schuld an dem, was im Nahen Osten passiert“, selbst wenn sie “keine andere Meinung haben als irgendein beliebiger Bürger.“

Fortan widmet der Anwalt sein Leben dem Kampf gegen die Rechtsradikalen. Für Joann Sfar ist sein Vater, der zwar gesetzestreu war, aber – da er “die Gesetze der Straße kannte“ – auch seine Fäuste einsetzte, ein so überlebensgroßes Vorbild, dass er sehr lange versuchte ihm nachzueifern. Während er Kampfsport trainierte, war ihm immer klar, dass dies nicht seine Welt ist. Erst nachdem der bereits als Comickünstler erfolgreiche Sfar Probleme mit seinen Handgelenken bekam, gab er den Boxsport auf.

Sfar vermittelt auf 170 Seiten faszinierende Einblicke in seine Biografie. Scheinbar planlos und zu wilden Zeitsprüngen neigend, schildert er, wie er seinen Platz im Leben sucht. Zugleich erzählt der Comic davon, wie die Rechtsradikalen immer salonfähiger werden. Als Zugabe reflektiert Sfar darüber, wie und warum er einen autobiografischen fast schon intimen Comic machen wollte. Fraglich ist auch, ob die Erkenntnis “besser schreiben als sich prügeln“ ihm fortan als Lebensmotto dienen bzw. genügen kann.

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Ein Sack voll Murmeln

Joseph Joffo betrieb in Paris etliche Friseursalons und erst nachdem er sich eine Weile auskurieren musste, brachte er 1972 unter dem Titel Ein Sack voller Murmeln seine Lebenserinnerungen zu Papier. Das Buch erzählt von seiner Jugendzeit als Jude im besetzten Frankreich. Der Bestseller wurde zweimal verfilmt und als Comic adaptiert.

Auf den Straßen von Paris waren Joseph und sein älterer Bruder Maurice begeisterte Murmelspieler. Doch alles ändert sich, nachdem sie 1941 gezwungen wurden, gelbe Judensterne zu tragen. Joseph tauscht seinen Stern zwar bei einem Mitschüler gegen einen Sack voller Murmeln ein, doch seinen Eltern ist klar, dass er und Maurice in Paris nicht mehr sicher sind.

Unter abenteuerlichen Bedingungen gelingt es den Brüdern Nizza zu erreichen, wo sie sich mit den italienischen Besatzungssoldaten arrangieren und auf dem Schwarzmarkt aktiv sind. Doch nachdem Mussolini abgesetzt wird, kontrollieren deutsche Truppen auch Nizza und die lebensgefährliche Odyssee der Brüder geht weiter…

Joseph Joffo beschreibt seinen damaligen Seelenzustand wie folgt: “Die Nazis haben mir noch nicht mein Leben genommen, aber sie stehlen mir meine Kindheit. Ich hänge im Grunde genommen nicht mehr sehr am Leben. Nur die Maschine ist am Laufen. Das Rennen geht weiter (…) Ich werde alles tun, damit sie nicht die Freude haben mich zu erwischen.“  

Der Autor Christophe Goret alias Kris (Mutter Krieg, Ein Match für Algerien) vermittelt einfühlsam, wie durch drastische Erlebnisse aus dem zurückhaltenden Joseph ein abgebrühter Überlebenskünstler wurde. Stärker noch als die Verfilmung von 1975 vermeidet es der Zeichner Vincent Bailly (Le Cœur de sang) den Schleier der Nostalgie über die Ereignisse zu legen, obwohl sein beeindruckendes Artwork nicht mit Farbe und Details geizt.    

In einem Sammelband veröffentlicht bahoe books die ersten beiden Alben von Ein Sack voll Murmeln, für die Kris und Vincent Bailly 2014 den Eisner Award in der Kategorie Best Reality-Based Work erhalten haben.

Der dritte Band Baby-Foot spielt im befreiten Frankreich und wird hoffentlich ebenfalls bei uns erscheinen.

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Cool Waves

Der 30-jährige Brice Agostini ist immer gut drauf und allgemein beliebt im sonnigen Nizza. Als “Brice de Nice“ veranstaltet er regelmäßig luxuriös ausgestattete Partys in einer Luxus-Villa. Dort lebt er „mit seinen Eltern zusammen mit seinem Vater“. Brice lässt es sich gutgehen und zitiert ständig aus seinem Lieblingsfilm Gefährliche Brandung.

Cool Waves

Brice hält sich für einen begnadeten Surfer. Doch leider gibt es keine haushohen Wellen am Mittelmeer. Das sorglose Leben gerät aus den Fugen als sein schwerreicher Vater verhaftet wird und Brice schlagartig ohne Geld und Freunde dasteht. Erschwerend kommt hinzu, dass bei einem Surfwettbewerb in Biarritz auch noch feststellen muss, dass er überhaupt kein Talent zum Wellenreiten hat…

Cool Waves

In letzter Zeit fanden französische Komödien ohne Arthouse-Touch hierzulande kaum noch ihr Publikum. Daher traute auch kein deutscher Verleiher der gallischen Erfolgskomödie Brice de Nice über den Weg, die in der Grande Nation satte 4 Millionen Kinobesucher erreichte. Mit Brice 3 gab es elf Jahre später sogar eine direkte Fortsetzung!

Cool Waves

In unseren Kinos hätte das Werk durchaus Chancen gehabt, denn der Humor ist zwar oft etwas platt aber mindestens so universell und entwaffnend wie in den Frühwerken von Jim Carrey oder Adam Sandler. Der sympathische Jean Dujardin trägt nicht nur im wirklichen Leben einen fast so lustigen Namen wie “Brice de Nice“, sondern hat auch noch wirklich gute Fratzen im Angebot. Der Darsteller startete danach durch mit den OSS 117-Filmen und seiner Oscar-prämierten Hauptrolle in The Artist.

Cool Waves

Unter dem Titel Cool Waves erlebt der Film seine Premiere auf DVD. Die deutsche Synchronisation ist zum Glück sehr solide, bleibt bei der Sache und bemüht sich nicht darum (wie seinerzeit bei der französischen Erfolgskomödie Die Zeitritter) noch einen drauf zu setzen. Insgesamt kann Cool Waves somit allen Freunden von rustikalen Komödien im Stil der (frühen) Farrelly-Brothers durchaus ans Herz gelegt werden.

Cool Waves

Extras der schon lange vergriffenen und hoch gehandelten DVD von Ascot Elite: Vier Making Ofs (ein Beitrag ist doppelt insgesamt 17:09 min, wahlweise mit deutschen Untertiteln), Deutscher Trailer (1:22 min), 2 französische Teaser (0:37 min + 0:36 min), Bildergalerie (1:45 min)

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