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Vasmers Bruder

Lange hat es gedauert. Bereits 2010 erschien in Ausgabe 6 und 7 der Monats-Zeitung COMIX die ersten 20 Seiten von Vasmers Bruder. Doch David von Bassewitz war mit seinen Zeichnungen nicht zufrieden und hat sie noch einmal komplett neu gezeichnet. Das Resultat gibt ihm absolut recht. Während die in COMIX abgedruckten schwarzweißen Seiten auf ihre rohe Art durchaus überzeugen konnten, sind die im fast vier Jahre später erschienenen Hardcover-Album veröffentlichten Zeichnungen sehr viel mehr als die ersten Fingerübungen eines talentierten Newcomers.

Vasmers Bruder

Beim ersten Durchblättern ist auf den düsteren Seiten des Albums kaum etwas zu erkennen, doch bei der Lektüre des Buches ist dann plötzlich doch alles da. Es braucht schon sehr viel Talent um mit derart reduzierten finsteren Bildern auf denen nur sehr selten Licht ins Dunkle kommt, so viel auszudrücken, wie es David von Bassewitz in Vasmers Bruder gelingt. Doch vor allem braucht es auch eine Geschichte, die es wirklich wert ist erzählt zu werden. Einmal mehr – nach seinen Mörder-Balladen Gift und Haarmann sowie dem etwas leichtfüßigeren Nachkriegs-Jugend-Drama Böse Geister – erweist sich Peer Meter als begnadeter Comic-Autor.

Vasmers Bruder

Aufhänger der Geschichte ist wieder ein Serienmörder aus längst vergangenen Zeiten, doch Meter siedelt seine Geschichte hauptsächlich im heutigen Polen an. Dort im Städtchen Ziebice, das einst als Münsterberg zum Deutschen Reich gehörte, trieb Karl Denke sein Unwesen. Der von seinen Nachbarn für einen harmlosen Kauz gehaltene Denke ermordete zwischen 1903 und 1924 mindestens 30 Menschen. Er verarbeitete deren Haut zu Schnürsenkeln oder Hosenträger und verkaufte ihr Fleisch angeblich auf dem Wochenmarkt. Da Denke nach seiner Ergreifung Selbstmord beging und auch um zu vertuschen, dass die örtlichen Stellen jahrzehntelang nichts bemerkt hatten, wurde in dem Fall danach nur noch sehr halbherzig weiter ermittelt.

Vasmers Bruder

Der Comic erzählt von einem gewissen Martin Vasmer, der versucht seinen Bruder Hans-Georg aufzuspüren, der in Polen für einen privaten TV-Sender Recherchen in Sachen Karl Denke anstellte. Martin erhielt seltsame SMS von seinem Bruder, konnte ihn aber telefonisch nicht erreichen. Daher bricht er auf ins verschneite Ziebice. Dort trifft er einen gewissen Sadowski, der Karl Denke für einen “in jeder Hinsicht faszinierenden Menschen“ hält und sich jeden Tag auf Spurensuche in dessen Haus begibt. Martin Vasmer ist ebenfalls nicht unempfänglich für Serial-Killer-Begeisterung und es erscheint ihm so als wenn in Ziebice der Geist von Denke noch sehr lebendig ist. Meter und von Bassewitz gelang eine ebenso spannende wie atmosphärisch düstere Geschichte, die auch davon erzählt, dass ganz schlimme Untaten nie wirklich verjähren.

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Böse Geister

Nach Gift und Haarmann und noch vor dem Erscheinen von Vasmers Bruder erzählte Peer Meter ausnahmsweise einmal keine Mörder-Ballade. Hauptfigur in Böse Geister ist der 60-jährige Harry Wallmann, der jenes Stadtviertel in dem er groß geworden ist, noch einmal aufsucht, bevor es abgerissen wird. Dabei kommen Erinnerungen auf, die meistens alles andere als angenehm sind.

Böse Geister

Harry Wallmann erinnert sich daran, wie er als kleiner Junge durch seine Vorliebe für Grusel-Romanhefte nicht nur den Spitznamen “Gespenster-Harry“, sondern auch immer wieder Ärger mit seinem gestrengen Schuldirektor Herrn Müller-Naujoks bekam. Dieser hatte im Krieg eine Hand verloren und ist auch für sein Lehrerkollegium alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse.

Böse Geister

Gute Erinnerungen hat Harry hingegen an den Ladenbesitzer Herrn Geffe, der ihn mit “Geschichten des Grauens“ versorgte und mit dem es ein halbes Jahrhundert später zu einem seltsamen Wiedersehen kommt…

Böse Geister

Gezeichnet wurde Böse Geister von Gerda Raidt, die bisher hauptsächlich als Illustratorin von Kinderbüchern aufgefallen ist. Ihr Bilderbuch Die Straße erzählt auf großformatigen Doppelseiten davon, wie sich ein Stadtteil und seine Bewohner im Laufe der letzten 100 Jahre verändert haben.

Böse Geister

Daher ist sie eine gute Wahl um Peer Meters immer wieder die Zeitebene wechselnde Geschichte in klare aber auch atmosphärische Bilder umzusetzen. Der einzige Nachteil ist, dass das Buch sehr schnell durchgelesen ist. Doch die Bösen Geister spuken danach noch eine ganze Weile im Kopf des Lesers herum.

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Peer Meter & Rem Broo: Beethoven

Das Cover kündigt eine Biografie in Comicform über einen Künstler voller Schaffensrang an. Doch an genau so etwas hatte Peer Meter, der in Comics wie Haarmann, Gift oder Vasmers Bruder immer einen originellen Erzählansatz suchte, keinerlei Interesse.  Wie er im Nachwort dieses Buches erzählt hatte arte ihm angeboten “parallel zu einer Fernsehdokureihe über klassische Musiker eine kleine Graphic-Novel-Reihe“ zu produzieren.

Peer Meter & Rem Broo: Beethoven

Die Idee gefiel Meter auch nicht besser, nachdem ihm angeboten wurde ein Pseudonym zu verwenden. Die Sache kam nicht zustande, doch quasi als Abfallprodukt des gescheiterten Projekts erfuhr Meter einige amüsante Fakten über Ludwig van Beethoven und erzählt nun doch noch vom „unsterblichen Genie“. Allerdings geht es wenig um dessen Leben, sondern sehr viel mehr darum, was direkt nach seinem Tode geschah.

Peer Meter & Rem Broo: Beethoven

Als der Komponist 1827 in Wien starb, war es nicht unüblich, dass sich Bewunderer ein Scheibchen von ihrem Idol abschneiden wollten. So begann seinerzeit ein schwunghafter Handel mit Locken von verstorbenen Künstlern. Die Herkunft der Haarbüschel war zwar zweifelhaft, doch Beethoven wurde kahl beigesetzt und auch seine Gebeine inklusive Schädel waren begehrte Handelsware.

Peer Meter & Rem Broo: Beethoven

Neben dieser lukrativen Leichenfledderei beschreibt Meter auch, wie manche Menschen mit ziemlich dreisten Lügen versuchen, sich in die Biografie von verstorbenen Promis einzuschleichen, um etwas Ruhm abzugreifen. Die eigentliche Hauptfigur der Geschichte ist der (fiktive) französische Edelmann Louis Lefebvre, der eigentlich nach Wien reiste, um ein Autogramm von Beethoven zu bekommen. Zugleich erzählt er aber auch gerne, dass er angeblich höchstpersönlich verhindert hatte, dass Napoleon Bonaparte von Beethoven eine Symphonie gewidmet wurde.

Peer Meter & Rem Broo: Beethoven

Mit dem 1983 in Bukarest geborenen Rem Broo fand Meter den optimalen Zeichner für seine Geschichte. Diesem kommt seine Erfahrung als Architekt zugute, etwa wenn Louis Lefebvre die verschiedenen Orte aufsucht, an denen Beethoven (der angeblich in Wien fast achtzigmal umgezogen ist) gewohnt hat. Die stimmungsvoll von Broo eingefangenen Örtlichkeiten und seine treffsicher überzeichneten Figuren bringen die pointenreiche Erzählung zum Funkeln.

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Gift

Auf dem Bremer Domhof befindet sich inmitten des rötlichen Pflasters ein größerer schwarzer Basaltstein mit einem eingemeißelten Kreuz. Dieser ist unbekannten Ursprungs, wird jedoch von Bürgern der Hansestadt gerne angespuckt. Der Stein soll jene Stelle markieren an der am 21. April 1831 die letzte öffentliche Hinrichtung in Bremen stattgefunden hat. Vor den Augen von 35.000 Zuschauern wurde damals die 46-jährige Gesche Gottfried geköpft, die gestanden hatte, 15 Menschen (darunter ihre Eltern, Kinder und Ehemänner) mit “Mäusebutter“ (einem Gemisch aus Schmalz und Arsen) vergiftet zu haben. Gift

Über die Motive von Gesche Gottfried, die in der Nachbarschaft einen guten Ruf hatte und zahlreichen weiteren Mitmenschen nicht tödliche “Mäusebutter“-Dosierungen verabreichte, wird bis heute spekuliert. Der Autor Peer Meter veröffentlichte unter dem Titel Eine Bremer Tragödie nach Einsicht in die lange verschollenen Prozessakten ein Sachbuch in dem er – anders als bisher angenommen – die Gottfried nicht als berechnende Mörderin, sondern als psychisch kranke Frau darstellt. Auch den Bremer Bürgern und Autoritätspersonen weist Meter eine Teilschuld an den Taten zu, da es schon lange vor Gottfrieds Verhaftung reichlich Hinweise und Verdachtsmomente gab.

Gift

Peer Meter hat die Geschichte von Gesche Gottfried außerdem noch zu dem Comic Gift verarbeitet. Hier erzählt er von einer (unbenannt gebliebenen) Schriftstellerin, die genau zum Zeitpunkt als die Giftmörderin hingerichtet wurde, nach Bremen reist. Die junge Frau erlebt und erfährt eine höchst ungute Stimmung in der Stadt. Sie will dort eigentlich eine Reisebeschreibung über die Hansestadt verfassen, wird jedoch immer wieder mit Gesche Gottfried konfrontiert. Dem Comic ist auf jeder Seite anzumerken, wie sorgfältig Meter recherchiert hat und wie gut er sich in der Materie auskennt. Der Leser ist ebenso begierig wie die Hauptfigur darauf, herauszufinden, wie es zu den Morden kommen konnte. Die Kohlezeichnungen von Barbara Yelin (Channa MaronDas Wassergespenst von Harrowby Hall) hingegen sind oft etwas zu detailarm und flüchtig geraten, stehen der Erzählung aber nicht im Wege.

Gift

Mit Gift kehrte Peer Meter nach 20-jähriger Pause zum Medium Comic zurück. 1990 erschien bei Carlsen von einer von der auf drei Bände angelegten und von Christian Gorny gezeichneten Serie über dem Serienmörder Fritz Haarmann lediglich der erste Teil. Doch plötzlich startete Meter voll durch und hatte gleich mehrere Comicprojekte am Start, darunter – wieder bei Carlsen – ein neuer Haarmann, diesmal gezeichnet von Isabel Kreitz (Rohrkrepierer) und komplett in einem Band.

Gift erschien 2011 auch in der Reihe Süddeutsche Zeitung Bibliothek – Graphic Novels.

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Isabel Kreitz & Peer Meter: Haarmann

1924 wurde Fritz Haarmann hingerichtet nachdem er des Mordes an über 24 Jungen schuldig gesprochen wurde. Doch Haarmann lebte trotzdem einfach weiter, schon durch das Lied mit dem “kleinen Hackebeilchen“ aber vor allem durch Fritz Langs Filmklassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder sowie durch Götz Georges beängstigendes Psychogram des Massenmörders in Romuald Karmakars Der Totmacher.

Isabel Kreitz & Peer Meter: Haarmann

1990 erschien bei Carlsen von einer vom Texter Peer Meter auf drei Bände angelegten und von Christian Gorny gezeichneter Haarmann-Serie lediglich der erste Teil. Doch nachdem Meter 2010 mit dem von Barbara Yelin gezeichneten Album Gift über die Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried ein glanzvolles Comic-Comeback feierte, wurde – warte, warte nur ein Weilchen – auch Haarmann vollendet bzw. in einer Gesamtausgabe komplett neu angegangen. Danach widmete sich Peer Meter in Vasmers Bruder dem Serienmörder Karl Denke.

Isabel Kreitz & Peer Meter: Haarmann

Während Christian Gorny auf karge aber doch irgendwie beeindruckende (wenn auch nicht sonderlich lesefreundliche) Grafik setzte, hat Isabel Kreitz (Die Entdeckung der Currywurst, Der 35. Mai, Die Sache mit Sorge) die Geschichte des Massenmörders in ihrem ausgereiften Zeichenstil mit manchmal fast schon zu detailfreudigen schwarzweißen Bildern in Szene gesetzt.

Isabel Kreitz & Peer Meter: Haarmann
Isabel Kreitz

Ähnlich wie schon bei Gift lässt Peer Meter den Leser zwar auch über die Morde schaudern, aber noch mehr darüber, wie wenig die offiziellen Stellen unternommen hatten, um die Untaten zu verhindern. Im Falle Haarmann verfügte der auch als Spitzel für das Diebstahlskommisariat Hannover arbeitende Mörder gar über einen Polizeiausweis. Wenn die verzweifelt nach ihren verschollenen Söhnen suchenden Eltern von der Polizei wie Bittsteller von oben herab behandelt werden, verbreitet sich dabei fast ebenso viel Grusel wie bei der Vorstellung das Haarmann die örtlichen Gaststätten höchstwahrscheinlich mit Menschenfleisch beliefert hat.

Isabel Kreitz & Peer Meter: Haarmann

Sehr nah an historischen Tatsachen orientiert gelang Meter und Kreitz ein beängstigend faszinierender Blick in menschliche Abgründe.

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