Ulli Lust: Flughunde

Sehr lange hat es gedauert, bis der Suhrkamp Verlag seine groß angekündigte Graphic Novel Reihe endlich auf Trapp gebracht hat. Zunächst sah es so aus, als wenn hier ausschließlich Nicolas Mahler veröffentlicht wird. Dessen höchst amüsante Adaption von Thomas Bernhards Alte Meister erschien bereits Ende 2011 und 15 Monate später folgte als zweiter Band der Reihe Alice in Sussex, ebenfalls von Mahler mit lockerer Hand gezeichnet, diesmal allerdings frei nach Lewis Carroll und H.C. Artmann.

Ulli Lust: Flughunde

Doch – Oh Wunder! – bevor Mahler mit seiner Adaption von Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften der Suhrkamp-Hattrick gelang, schaffte es Andreas Platthaus, der Betreuer der Reihe, doch noch einige andere Zeichner an den Start zu bringen. Olivia Viewegs Comicadaption von Mark Twains Huckleberry Finn sieht großartig aus, da der Zeichenstil an Mawil erinnert und die Geschichte vom Mississippi an die Saale zu verlegen hat seinen Reiz.

Ulli Lust: Flughunde

Ulli Lust hingegen, hat sich ein Stück deutsche Gegenwartsliteratur aus dem geräumigen Fundus der regenbogenbunten Suhrkamp-Bücher herausgesucht, wobei sie sich bei der Suche wie “ein Kind im Spielzeugladen“ fühlte. Die Wahl fiel schließlich auf Marcel Beyers Flughunde, ein Roman aus dem Jahre 1995, der sich auf ungewöhnliche Weise mit dem Ende des Dritten Reiches beschäftigt. Hauptfiguren sind die zwölfjährige Helga, die Älteste der fünf Töchter von Joseph Goebbels, dem “Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“, sowie der gefühlskalte Akustiker Hermann Karnau. Dieses “Horch-Ungeheuer“ ist für die literarische Quartettspielerin Sigrid Löffler “der fürchterlichste Roman-Unhold, seit Patrick Süskind in seinem Roman Das Parfum das Geruchsmonster Grénouille erfand.“ Vielleicht ist das ganze Buch aber auch einfach nur eine “Blechtrommel“ für Arme.

Ulli Lust: Flughunde

Ulli Lust macht aus dem etwas über 300-seitigen Roman einen 364-seitigen Comic, wobei sie dem Leser einiges an Lesezeit erspart, auch wenn sie immer wieder ganze Textpassagen aus dem Roman unillustriert zwischen die Panels packte. Gezeichnet und in Szene gesetzt ist die ganze Chose durchaus meisterlich, doch mich persönlich hat die Geschichte trotzdem eher kalt gelassen. Was nicht ganz stimmt, denn bei der Lektüre kam auch etwas Bedauern darüber auf, dass Ulli Lust diesmal nicht wie bei ihrem mitreißenden Comic Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens (und in der Fortsetzung Wie ich versuchte ein guter Mensch zu sein) einfach ihr eigenes Ding durchgezogen hat, sondern “fremd gegangen“ ist.

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