EC Comics Library: Weird Science

Nachdem Taschen in übergroßen Sammelbänden die ersten Marvel-Comics mit Spider-Man, den Fantastic Four, den Avengers oder Silver Surfer aus den Sechzigern präsentierte, geht es jetzt mit der EC Comics Library ein Jahrzehnt zurück. Im Mai 1950 – einen Monat nachdem er die Horror-Serien Tales from the Crypt und The Vault of Horror gestartete hatte – veröffentlichte William Gaines in seinem Verlag EC Comics den angeblich zwölften Band der neuen Serie Weird Science.

Im Gegensatz zum Inhalt des Comichefts hatte diese seltsame Nummerierung jedoch nichts mit Science-Fiction zu tun, sondern mit der Knauserigkeit von Gaines. Für ihn war es preiswerter, bei einer laufenden Comicreihe den Titel zu ändern, anstatt 2.000 Dollar zu zahlen, um eine neue Serie an die Kioske zu bringen. Daher stellte er einfach seine schlecht laufende Reihe Saddle Romances mit Heft 11 ein und die nächste Ausgabe hieß Weird Science # 12. Darin gab es keine Cowboy-Liebesgeschichten, sondern es ging um “Things from Outer Space“ und den Mikrokosmos.

Die Rechnung mit den gesparten 2.000 Dollar ging nicht auf, denn Gaines musste diese Summe dennoch zahlen und seine Nummerierung auf Vordermann bringen. Daher folgte auf Weird Science # 15 die Ausgabe Weird Science # 5 und die Hefte 12 bis 14 gab es zweimal. Die Serie lief zwar nicht so gut wie ECs Horror-Comics, doch viele der darin enthaltenen Geschichten wurden zu Klassikern. Der wichtigste EC-Mitarbeiter war zweifelsohne Al Feldstein, von dem viele Titelbilder und Comics stammen. Er schrieb aber auch häufig Geschichten für andere Zeichner.


Ein kurzes Gastspiel als Zeichner bei Weird Science gab Harry Harrison, der Comics häufig zusammen mit dem wohl besten EC-Künstler Wally Wood zu Papier brachte. Harrison merkte jedoch recht bald, dass er ein sehr viel talentierterer Autor als Zeichner war und begann Science-Fiction-Bücher zu schreiben, wie etwa den Roman Make Room! Make Room!, der Vorlage des Erfolgsfilms Soylent Green (… Jahr 2022 … die überleben wollen).

Ein Höhepunkt von Taschens Ausgabe mit den ersten elf Heften von Weird Science sind sieben Comics, die Harvey Kurtzman gezeichnet und größtenteils auch getextet hat. Kurtzmans Stil war sehr eigenwillig und überschritt häufig die Grenze zur Karikatur, was ihn ab 1952 zum ebenso idealen wie genialen Herausgeber des EC-Satiremagazins MAD qualifizierte.

Kurtzman zeichnete mit Verschollen im Mikrokosmos die erste in Weird Science veröffentlichte Story. Diese von Al Feldstein geschriebene Geschichte hat große Ähnlichkeit mit der sechs Jahre später von Richard Matheson verfassten Erzählung Die seltsame Geschichte des Mr. C., die Jack Arnold 1957 verfilmte.

Genau wie bei Taschens Veröffentlichung der Marvel-Comics waren auch diesmal hochauflösende Fotografien jeder einzelnen Comicseite die Grundlage. Das 3,58 Kilo schwere Buch wurde – genau wie seinerzeit die Hefte – wechselweise bei den Covern auf dickerem, glänzenden Papier und beim Comicinhalt auf rauen Papier “mit der Haptik von Zeitungsseiten“ gedruckt.

Es ist zu hoffen, dass Taschen in ähnlich optimaler Form auch die weiteren EC-Serien veröffentlicht. Sehr gerne auch Harvey Kurtzmans Kriegscomics aus Two-Fisted Tales und Frontline Combat. Es ist zu allerdings zu befürchten, dass mein Wohnraum dafür nicht ausreicht…

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Alfred Hitchcock – Die frühen Filme

1925 führte Alfred Hitchcock inThe Pleasure Garden (Irrgarten der Leidenschaft) erstmals Regie und drehte anschließend in Großbritannien (aber auch in Deutschland) bis 1939 pro Jahr mindestens einen Spielfilm. Bereits sein dritter Film The Lodger (Der Mieter) war ein Thriller und ein großer Erfolg. Dennoch sollte es noch eine Weile dauern, bis Hitchcock diesen Weg Mitte der Dreißiger mit ebenso hochspannenden Filmen wie Der Mann, der zuviel wusste, Die 39 Stufen, Sabotage, Jung und unschuldig oder Eine Dame verschwindet weiter in Richtung Hollywood beschritt.

Eine vorbildlich zusammengestellte Box präsentiert auf Blu-ray zehn zumeist großartig restaurierte Frühwerken des Master of Suspense, die selbst Filmexperten bisher entgangen sein dürften. Kernstück der Edition ist Hitchcocks 1929 entstandener erster Tonfilm Blackmail, der bereits viele Leitmotive aus seinen späteren Werken erklingen lasst und auf einer Extrascheibe mit der spielfilmlangen Doku Becoming Hitchcock vom Making-Of-Meister Laurent Bouzereau angemessen gewürdigt wird.

Die restlichen Filme in der Box zeigen, dass Hitchcock nach The Lodger noch nicht bereits war, ausschließlich Geschichten über Mord und Todschlag zu erzählen. Auch problematische Zwischenmenschlichkeiten von Boxern, Landwirten, Inselbewohnern oder kleinen Angestellten standen im Zentrum seiner spannend und amüsant in Szene gesetzten Frühwerke.

Hier die Filme im Überblick:

Der Weltmeister (The Ring, 1927, 101 min) Der Originaltitel The Ring ist schön doppeldeutig, denn es geht sowohl um ein Schmuckstück als auch um die Faustkampf-Arena. Im Zentrum steht der Jahrmarktsboxer Jack „One-Round“ Sanders (Carl Brisson), dessen Freundin mit dem australischen Meister im Schwergewicht anbändelt. Die Konflikt wird – großartig von Hitchcock inszeniert – im Boxring ausgetragen. Auf der Tonspur der Blu-ray ist leider nur eintöniges Klaviergeklimper von Antonio Coppola enthalten.

Die Frau des Farmers (The Farmer’s Wife, 1928, 112 min) ist eine ebenso menschlich anrührende wie teilweise ganz schön groteske Komödie, die so von Hitchcock nicht zu erwarten war. Der verwitwerter Landwirt Samuel Sweetland (großartig: Jameson Thomas) wandelt auf Freiersfüßen und macht sich nach Kräften lächerlich. Dabei übersieht er beinahe, dass seine patente Haushälterin Minta (ebenfalls sehr gut: Lilian Hall-Davis) genau die Richtige für ihn ist.     

Champagner (Champagne, 1928, 105 min) erzählt von einem reichen New Yorker Fabrikanten, der seiner verwöhnten Tochter Betty eine Lehre zu erteilen will und vorgibt , ruiniert zu sein.

Der Mann von der Insel Man (The Manxman, 1929, 100 min) Wie bereits in The Ring spielt Carl Brisson auch hier einen Naturburschen, dessen Freundin (Anny Ondra war kurz darauf in der Hauptrolle von Blackmail zu sehen) sich einem anderen Mann zuwendet. Der in Cornwall gedrehte Film spielt auf der Isle of Man. Obwohl Hitchcock hemmungslos auf Pathos setzt, ist das Resultat erstaunlich kraftvoll und mitreißend.  

Erpressung (Blackmail, 1929, 77 min bzw. 85 min) Eine junge Frau (Anny Ondra) tötet einen übergriffigen Mann in Notwehr. Sie gerät in die Fänge eines Erpressers, während ihr bei Scotland Yard arbeitender Freund versucht den Mordfall zu klären. Zunächst war Blackmail als Stummfilm geplant, dann sollte nur das Ende vertont werden. Schließlich entstand sowohl ein Stumm- als auch ein etwas längerer Tonfilm. Beide Versionen sind auf dieser Blu-ray enthalten.

Juno und der Pfau (Juno and the Paycock, 1930, 95 min) Basierend auf einem Theaterstück von Sean O’Casey erzählt Hitchcocks zweiter Tonfilm vom Alltag und den wirtschaftlichen Problemen einer irischen Arbeiterfamilie inmitten des Bürgerkriegs. Eine deutsche Synchronisation exisiert nicht.

Mord – Sir John greift ein! (Murder!, 1930, 102 min) In Hitchcocks einzigen Whodunit gibt es sehr viel Dialoge und wenig Spannung. Der Regisseur drehte zeitgleich in den selben Kulissen mit anderen Darstellern eine deutsche Version. Diese trägt den Titel Mary, ist 20 Minuten kürzer und ebenfalls auf dieser Blu-ray enthalten.

Endlich sind wir reich (Rich and Strange, 1931, 82 min) Der Londoner Angestellte Fred ist gestresst von seinem Job und träumt vom Ausstieg aus seiner Tretmühle. Prompt vermacht ihm ein Onkel eine größere Summe und Fred bricht mit seiner Gattin Emily (Joan Barry sollte kurz darauf die Osteuropäerin Anny Ondra in Blackmail synchronisieren) zu einer Weltreise auf. Doch daheim ist es am schönsten. Dieses auf Reiseerlebnissen von Alma und Alfred Hitchcock basierende maritime Roadmovie hat ebenso viele großartige Momenten wie Leerlauf.

Bis aufs Messer (The Skin Game, 1932, 64 min) Basierend auf einem Theaterstück erzählt Hitchcock von einem Streit zwischen alteingesessenen Adligen und einer neureichen Industriellenfamilie. Spannung und Dramatik halten sich in Grenzen. Das sah anscheinend auch das britische Filminstitut so und verzichtete auf eine Restaurierung. Das Bild ist grottig, die deutsche Synchronfassung passabel. Als Extra gibt es eine sehenswerte 28-minütige Doku über Alma Hitchcock.

Nummer siebzehn (Number Seventeen, 1931) Der nur knapp einstündige Film beginnt in einem Treppenhaus als kompliziert erzähltes Kammerspiel, das sichsich selbst nicht ganz ernst nimmt. Nach einer rasant mit Modellen in Szene gesetzten Verfolgungsjagd zwischen einer Eisenbahn und einem Linienbus kommt es zu einem spektakulären Finale auf einer Kanalfähre. Auf DVD existiert eine deutsche Synchronfassung von Nummer siebzehn, die hier leider keine Verwendung fand. Die vom britischen Filminstitut durchgeführte Restaurierung ist jedoch sensationell gut gelungen.

Auf jeder Blu-ray gibt es kurze Einleitungen vom kauzigen französischen Regisseur, Drehbuchautor, Filmhistoriker und Romancier Noël Simsolo, der auch eine Comicbiografie über Hitchcock geschrieben hat. Hinzu kommen zu jedem Film Audiokommentare, ein mit Standbildern illustriertes Tondokumente aus Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, dem legendären Marathon-Interview von François Truffaut, sowie 17 Stunden mit hochinteressanten Extras.

Außerdem enthält der Schuber ein 64-seitiges Booklet mit ziemlich abgehobenen Texten und sehr kleinformatigen Reproduktionen von Programmheften.

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Alfred Hitchcock: Blackmail

1929 drehte Alfred Hitchcock seinen ersten Tonfilm. Zunächst war Blackmail als Stummfilm geplant, dann sollte nur das Ende vertont werden. Schließlich entstand sowohl ein Stumm- als auch ein Tonfilm. Auf dem Backcover der deutschen DVD-Veröffentlichung ist zu lesen, dass Hitch darauf bestand „den kompletten Film neu zu drehen und so ein eigenes Werk schuf.“

Wer sich die ebenfalls auf der DVD enthaltene Stummfilmfassung zu Gemüte führt, wird schnell feststellen, dass dem nicht so ist. Nur sehr wenige Szenen mussten neu gedreht werden und der Anfang der Tonfilmversion kommt noch komplett ohne Dialoge aus. Die Unterschiede sind klein, aber fein.

So zeigt der stumme Auftakt des Films wie Polizisten (darunter ein „echter“ ehemaliger Scotland Yard-Beamter) einen Verbrecher verhaften und einsperren. Erst nach getaner Arbeit setzt ein ganz banaler Alltagsdialog ein und der Polizisten Frank trifft sich anschließend mit seiner Verlobten Alice (Anny Ondra). Die Beiden gehen im Streit auseinander und das Mädchen folgt einem Maler in seine Atelier-Wohnung.

Dort versucht dieser sie zu vergewaltigen und das Mädchen tötet den Mann mit einem Brotmesser. Obwohl sie aus reiner Notwehr wird sie danach von einem Unbekannten erpresst.  Ausgerechnet ihr Freund Frank, der Polizeibeamte Frank wird mit der Aufklärung des Mordfalls betraut. Er entdeckt eine Spur, die geradewegs zu Alice führt, verschweigt dies aber seinen Vorgesetzten bei Scotland Yard. Als Alice ihm alles gesteht, gibt es für Frank nur ein einziges Ziel: Der Erpresser muss gefasst werden, und so kommt es zu einer spannenden Verfolgungsjagd über den Dächern des Britischen Museums…

Ursprünglich wollte Hitchcock den Film damit enden lassen, dass Marys von Frank, genau wie anfangs den Verbrecher, verhaftet und eingesperrt. Doch dies gefiel den Produzenten nicht. Diese ersparten dem Publikum ein unglückliches (aber schlüssiges) Ende und verhalfen Hitchcock zu einem Welterfolg, wobei es zunächst die stumme Version war, die die Kinokassen klingeln ließ.

Die Blu-ray Edition Hitchcock – Die frühen Filme enthält eine großartig restaurierte Version von Blackmail.

Extras der DVD von Studiocanal:  Die Stummfilmfassung mit einer neuen von Joachim Bärenz komponierten und eingespielten Musik (82 min, englische Originalfassung ohne deutsche Untertitel) und eine Galerie mit 11 Fotos.

Bemerkenswert ist auch der “Blackmail Test Take“, ein ebenso kurzer (50 Sekunden) wie sehenswerter Tonfilm-Test. bei dem Hitchcock seine Hauptdarstellerin Anny Ondra (die später den Boxer Max Schmeling heiratete) ganz schön in Verlegenheit bringt. Hitchcock: “Sind Sie immer ein braves Mädchen gewesen?“ Ondra: “Oh, nein.“ H: “Nein? Haben Sie mit Männern geschlafen?“ O: “Nein!“ H: “Bleiben Sie jetzt ruhig auf Ihrem Platz stehen, sonst flutscht´s nicht, wie das Mädchen zum Soldaten sagte.“ O: “Oh, Hitch, Sie machen mich verlegen!“ H.: “Cut!“  

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Der Untertan

Bereits von seinen Eltern wurde Diederich Heßling durch Prügel und das Erzählen von Schreckensmärchen Respekt vor Autoritäten eingeflößt. Dies setzte sich fort in der Schule, während des Studiums, in der Burschenschaft und beim Militär. Als Heßling schließlich die Papierfabrik seines Vaters übernimmt, ist er ein voll funktionsfähiger Untertan, der vor den Mächtigen kuscht und sich an den sozial Schwachen abreagiert.

Neben seinem 1930 mit Marlene Dietrich unter dem Titel Der blaue Engel verfilmten Roman Professor Unrat, ist wohl Der Untertan wohl das bekannteste Werk von Heinrich Mann. Der immer etwas im Schatten seines Bruders Thomas stehende Schriftsteller schrieb sein 1916 zuerst als Privatdruck veröffentlichte Buch bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Darin kritisiert und karikiert er aufs Heftigste den (wilhelminischen) Untertanengeist.

Von seinem US-amerikanischen Exil aus übertrug Heinrich Mann nach dem Zweiten Weltkrieg die Verfilmungsrechte am Untertan an die DDR-Filmgesellschaft DEFA. Deren bester Regisseur Wolfgang Staudte (Die Mörder sind unter uns, Der kleine Muck) machte daraus 1951 ein Meisterwerk. Werner Peters ist der Titelrolle die Idealbesetzung, während Staudtes Bildgewalt die satirischen Absichten von Heinrich Mann verlustfrei auf die Leinwand zauberte. In diesem Zusammenhang spricht es Bände, dass der überall in der Welt preisgekrönte Film in der BRD erst sechs Jahre nach seiner Entstehung und dann auch noch in einer um elf Minuten gekürzten Fassung aufgeführt werden durfte.

Bei Filmjuwelen ist eine sehr schöne Blu-ray-Edition mit Schuber und Wendecover von “Der Untertan“ erschienen. Das Bonusmaterial besteht aus seinem sehr fundierten Audiokommentar von Dr. Rolf Giesen, dem “DDR Magazin 1971/08“ mit einem Bericht über Heinrich Mann (10:12 min) und dem DDR-Kinotrailer (2:43 min). Die Veröffentlichungen von Filmjuwelen überzeugten bisher durch ihre edle Ausstattung mit reich bebilderten Booklets. Dieses wurde zwar von Detlef Kannapin und Dr. Rolf Giesen zusammengestellt und in gewohnter Form layoutet, liegt jedoch nicht bei und ist nur digital erhältlich.

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Timur Vermes: Briefe von morgen…

Vor genau einem Jahr, am 2. Februar 2024, schrieb Timur Vermes (Er ist wieder da, Comicverführer) einen offenen Brief an Friedrich Merz, den dieser ruhig erst einmal “weglegen, zur Wiedervorlage“ könne. „In etwa zwei oder drei Jahren“ , wenn seine Union „der AfD den Weg in die Regierung geöffnet hat“, dann hast Merz genügt Zeit den Brief zu lesen.

Vermes prophezeit ihm: “Politisch tätig sind Sie inzwischen ja nicht mehr. Wie auch Ihre Kollegen von der Union, denen man nahegelegt hat, zu Hause zu bleiben und den Mund zu halten.“ Vermes beschreibt in seinem Brief, wie die “undankbare“ AfD „irgendwie unkontrollierbar“ wurde und wünscht Merz alles Gute: “Bleiben Sie gesund. Bleiben Sie in Deckung.“

Foto © Jörg Koch

Ein Jahr nach der Veröffentlichung ist der Brief aktueller denn je. Ohne darin ein Wort zu ändern, veröffentlicht Vermes ihn in seinem neuen Buch, zusammen mit knapp dreißig weiteren Briefen und Dokumenten von morgen, „die wir gern gestern schon gelesen hätten“. Herausgekommen ist ein Rundumschlag gegen alles, was in diesem Land und auf dieser Welt weiterhin absolut vorhersehbar schieflaufen wird.

So lässt Vermes durch ein Gutachten belegen, dass die Deutsche Bahn kein Transportunternehmen mehr ist, sondern sehr viel besser zur Lagerung “von Käse oder Wein und Spirituosen geeignet“ ist. Wenn es bei Vermes in einer Schlagzeile aus dem Jahre 2035 “Neue Härtte in Nahost“ heißt, so ist dies kein Schreibfehler, sondern um die Gewaltspirale zwischen Israel und den Palästinenserorganisationen verbal überhaupt noch vermitteln zu können, musste eine neue Wortschöpfung wie “Härtte“ verwendet werden.

Auf dem Backcover des Buchs ist zu lesen, dass Vermes “unnachahmlich bissig und böse“ sei. Doch mindestens einer seiner Briefe beweist das glatte Gegenteil. Es ist durchaus Mitleid zu spüren, wenn er “dokumentiert“, wie dem 2021 in die Türkei geflüchteten Veggie-Koch Attila Hildmann von der mittlerweile in Regierungsverantwortung stehenden Alice Weidel eiskalt mitgeteilt wird, dass seine Rückkehr nach Deutschland “von unserer Seite aus nicht angedacht ist.“

Optimist ist Vermes anscheinend auch noch, denn am Ende seines Buchs träumt er davon, dass eines seiner Werke einmal nicht von Denis Scheck in die Büchertonne getreten wird.

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Die 1000 Gesichter von Jack the Ripper

Die Grundidee dieser Short Stories ist ebenso naheliegend wie originell. Da niemand weiß, wer Jack the Ripper war, ist jener Schlitzer, der sich vorletztes Jahrhundert durch das Londoner East End meuchelte, in jeder der neun in diesem Band enthaltenen Geschichten jemand anders.

Die Comics wurde von 1984 bis 1985 im spanischen Magazin Creepy veröffentlicht. Von dem Autoren Antonio Segura und dem Zeichner José Ortiz stammen auch die Erfolgsserien Hombre und Juan der Lange.

Die 1000 Gesichter von Jack the Ripper überzeugt durch die stimmungsvollen schwarzweißen Zeichnungen von José Ortiz. Dieser verbeugt sich darin vor einigen Größen des Horrorgenres. So absolviert ganz unverkennbar Peter Lorre einen Gastauftritt und auch die in ihren letzten Rollen ziemlich gruselig auftretende Bette Davis ist gut zu erkennen als „Apple-Annie“ aus Frank Capras Die unteren Zehntausend.  

Besonders angetan hat es Ortiz und Segura ganz offensichtlich Boris Karloff, dessen Auftritt in der Story Im Rampenlicht an seine wohl beste Rolle als Der Leichendieb erinnert. 

Doch auch die Geschichten überzeugen, denn Segura beendet diese fast immer mit einer makabren Pointe. Daher ist es angemessen, wenn der All Verlag verkündet: Dieser Band ist nur für Leser ab 18 Jahren geeignet!

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Jared Muralt: Buglands

Mit gemischten Gefühlen kehrt Adelé nach langer Zeit in ihr Heimatdorf Rochedaine zurück. Die Insektenforscherin hatte einen ziemlich wirren Brief von ihrem Jugendfreund Pierrot erhalten. Über eine Nachricht vom ebenfalls in Rochedaine lebenden Maxim hätte sie sich sehr viel mehr gefreut. Doch wie sie nach ihrer Ankunft erfährt, ist dieser unter seltsamen Umständen verschollen. Gemeinsam mit Pierrot macht sich Adelé auf die Suche…

Die ersten Seiten dieser neuen Serie von Jared Muralt spielen in einer wüstenartigen Umgebung, die sich auf unserer heutigen Erde befinden könnte. Doch Szenerie und Geschichte werden zunehmend seltsamer. Adelé landet in einem französisch anmutenden Bergdorf, das von einem schwerbewaffneten Mann bewacht wird, der einem großen flachen Hut trägt. Im Laufe der weiteren Geschichte spielen riesige Insekten eine immer größere Rolle.

2015 überraschte Jared Muralt mit dem 41-seitigen Album Hellship, an dem er sieben Jahre gearbeitet hatte. Auf dem ersten Blick scheint es sich um einen frankobelgischen Fliegercomic im Stile von Buck Danny oder Dan Cooper zu handeln. Doch die 1944 im Südpazifik spielende Geschichte beschränkte sich nicht darauf, Kriegsgerät möglichst realistisch abzubilden. Die zugehörigen US-Soldaten wurden ebenfalls sorgfältig zu Papier gebracht und zudem noch glaubhaft charakterisiert. Daher dürfte das finstere Finale der Geschichte kaum jemanden kalt lassen.     

Auch Jared Muralts nächstes Comicprojekt war nicht gerade von der fröhlichen Sorte. Fünf Jahre vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie begann er an seiner erstaunlich prophetischen Serie The Fall zu arbeiten. Zentrale Figuren sind Liam, sowie seine Kinder Sophia und Max, die miterleben müssen, wie sich nach einer Grippe-Epidemie das zivilisierte Leben weltweit immer mehr verabschiedet. Muralt bringt The Fall zunächst in Einzelheften mit einem Umfang von jeweils 20 bis 30 Seiten heraus. Wenn er drei Hefte fertiggestellt hat, erscheinen diese gebündelt in Sammelbänden, die mittlerweile auch in den USA und in Frankreich veröffentlicht werden.

Mittlerweile liegen die ersten drei der geplanten sechs Sammelbände von The Fall vor, und Muralt gönnte sich eine Auszeit. Doch diese nutzte er, um mit Buglands ein neues Projekt zu starten. Mit Schwarze Wespe ist bereits der erste Buglands-Band erschienen und online geht es weiter mit den Geschichten, die “nach dem Ereignis, das den großen Krieg beendete und die Zeit zum Stehen brachte“ stattfinden.

Der Auftakt von Buglands ist großartig. In Schwarze Wespe lässt Muralt die Lesenden gemeinsam mit Adelé ganz langsam in eine ebenso seltsame wie faszinierende Welt eintauchen. Zeichnungen und Farben erinnern an die schönsten Werke von Moebius. Muralts Story ist ebenfalls geheimnisvoll und mystisch, doch seine Welt ist trotzdem zugänglich und weniger hermetisch als so manche Garage von Moebius.

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Gladiator II

Seit Ende der Neunziger beginnen alle Produktionen von Ridley Scott (und seines 2012 verstorbenen Bruders Tony) mit einem wunderschönen 20-sekündigen Animationsfilm, in dem ein anscheinend von Hand mit Ölfarben gemalter Mann durch eine Höhle rennt, sich in einen Vogel verwandelt und in die Lüfte erhebt.

Bei Gladiator II wurde der Vorspann, genau wie in der Logo Sequenz von Scott Free Productions, ebenfalls vom 1965 in San Marino geborenen Gianluigi Toccafondo realisiert. Kunstvoll werden hier verfremdete Key Scenes aus Ridley Scotts Monumentalfilm von 2000 mit expressionistischen Farbspielereien verknüpft.

In diesem beindruckenden Stil ist noch einmal zu sehen, wie der von Russell Crowe verkörperte Gladiator Maximus den von Joaquin Phoenix gespielten Imperator Commodus im Kolosseum den Todesstoß versetzt und anschließend den Heldentod stirbt.

Im Zentrum der Fortsetzung steht Paul Mescal als Lucius, der Sohn von Maximus. Zusammen mit seiner Frau Lucilla lebt dieser glücklich und zufrieden im nordafrikanischen Numidien. Doch als römische Legionen unter der Führung des Tribuns Arcacius (Pedro Pascal) das Land im Auftrag der tyrannischen Zwillinge Caracalla und Geta angreifen, wird Lucilla getötet und Lucius nach Rom verschleppt.

Dort wird er an den Sklavenhalter Macrinus (Denzel Washington) verkauft, der ihn in Rom als Gladiator einsetzt. Lucius will sich an Arcacius zu rächen, muss jedoch feststellen, dass dieser mittlerweile mit seiner Mutter Lucilla (Connie Nielsen) verheiratet ist und zusammen mit Macrinus die Kaiserzwillinge ermorden will, um Rom wieder zur freien Stadt zu machen…

Diese sich nur sehr lose an historischen Tatsachen orientierende Geschichte dient Ridley Scott als Vorwand dazu, einige Sequenzen nachzuliefern, die er 2000 mangels Budget und Tricktechnik nicht realisieren konnte. Dazu gehört ein Gladiatorenkampf gegen ein berittenes Rhinozeros, sowie eine spektakuläre Seeschlacht im gefluteten Kolosseum.

Die sehr gute Besetzung wird zwar eher in Kampf- als in Dialogszenen gefordert. Doch dank großartiger Bilder und einer sehr dynamischen Inszenierung gelang Ridley Scott ein würdiger Nachfolger von Gladiator, dem er möglicherweise einen dritten Teil folgen lassen wird.

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Gladiator

2000 hatte es schon recht lange keinen Versuch gegeben den historischen Monumentalfilm wiederzubeleben. Ganz sicher der Richtige hierfür war Ridley Scott. Dieser hatte immer wieder bewiesen, dass er eine ganz eigene Sicht der Dinge hat, egal ob es sich um Science Fiction (Alien, Blade Runner), Fantasy (Legende), Krimi (Black Rain) oder aber auch um ein opulent bebildertes Historiendrama wie 1492 handelt.

Bei Gladiator ist die Story eher Nebensache. Diese funktioniert recht gut und wird in der Werbung auf drei Sätze reduziert: „Ein General wird Sklave. Ein Sklave wird Gladiator. Ein Gladiator stürzt ein Imperium“. Russell Crowe, der drei Jahre zuvor in L. A. Confidential als Polizist mit unkontrollierten Wutausbrüchen beeindrucken konnte, spielt für Ridley Scott jenen General, Sklaven und Gladiator. Ihm ist jederzeit abzunehmen, dass er einen ganzen Haufen sehr viel größerer Gegner (wie etwa „unseren“ Ralf Möller) problemlos niedermetzeln kann.

Doch in erster Linie sind es die Bilder, die Gladiator zu einem echten Genuss machen. Angefangen mit einer Schlacht zwischen römischen Legionen und Barbarenhorden im winterlichen Germanien, über ein Sklavencamp in der Wüste bis hin zu den beeindruckend inszenierten Kämpfen im Circus Maximus mit ausgeklügelten Actionszenen, in jeder Minute gibt Ridley Scott den Zuschauern ordenllich etwas auf die Augen, sowie Tod und Spiele.

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Nightwatch – Nachtwache

1994 drehte Ole Bornedal mit Nattevagten einen der erfolgreichsten dänischen Kinofilme. Vordergründig wird hier eine Horrorgeschichte über einem jungen Mann erzählt, der zur Finanzierung seines Studiums mutterseelenallein Nachtschichten in der Kopenhagener Gerichtsmedizin schiebt und dabei Schreckliches erlebt.

Doch Nightwatch – Nachtwache, so der deutsche Titel, ist zugleich und in erster Linie die oft recht komische, manchmal dabei aber auch ganz schön drastische Geschichte über zwei junge Männer, die kurz bevor sie in den Hafen der Ehe einlaufen, ihre Grenzen durch nicht ganz ungefährliche Mutproben austesten wollen.

Die Darsteller des Nachwächters Martin und seines Kumpels Jens machten anschließend Karriere. Nikolaj Coster-Waldau wurde als Jaime Lannister in Game of Thrones zu einer Ikone der Popkultur und Kim Bodnia brillierte als Kommissar Martin Rohde in den ersten beiden Staffeln der dänische-schwedischen Erfolgsserie Die Brücke – Transit in den Tod, von der es fünf Neuverfilmungen gibt, u. a. in den USA und bei uns als Der Pass.

Regisseur Ole Bornedal hingegen hatte 1997 die Ehre mit Freeze – Alptraum Nachtwache das US-Remake seines Filmerfolgs höchstpersönlich in Szene zu setzten. Die Besetzung war mit Ewan McGregor, Patricia Arquette, Josh Brolin und Nick Nolte hochkarätig. Doch obwohl Steven Soderbergh zusammen mit Bornedal am Drehbuch arbeitete, ist das Resultat wenig mehr als ein schlichter Horrorfilm.

Anscheinend orientierte sich die ursprüngliche Version des Remakes nähe am Original. Sie hatte eine Länge von 140 Minuten und wurde um 40 Minuten gekürzt. Der für 10 Millionen Dollar produzierte Film spielte wenig mehr als eine Million ein und Ole Bornedal machte keine Karriere in Hollywood, arbeitete jedoch weiterhin erfolgreich fürs dänische Kino.

2023 kehrte er mit Nightwatch: Demons Are Forever in die Welt und zu den Figuren seines Erfolgsfilms zurück. Die Hauptrolle spielte seine Tochter Fanny Bornedal, die als Medizinstudentin Emma ebenfalls nachts in der Kopenhagener Gerichtsmedizin arbeitet. Dies sorgt für Entsetzen bei ihrem Vater Martin, der wieder von Nikolaj Coster-Waldau gespielt wird. Auch Kim Bodnia kehrt in diesem Film mit großer Spielfreude als Jens zurück.

Bornedal gelang ein spannender Thriller, der dank zahlreicher schräger, überraschender aber auch menschlich anrührender Szenen, dem Geist des Originals gerecht wird und sehr viel mehr ist, als das formelhafte Sequel eines Erfolgsfilms.    

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