Der Hamburger Carlsen Verlag scheint ein besonderes Faible für den Piraten Klaus Störtebeker zu haben. So beschäftigten sich bereits 1993 die Helden des Comics Die Weltenbummler mit dem legendären Schatz des Freibeuters, der vor Helgoland zu finden sein soll. Zeitgleich mit dem neuen Störtebeker-Comic erschien 2004 in Carlsens Pixi-Buch-Reihe auch noch das gereimte Abenteuer Der wilde Klaus, das ebenfalls von einem noch kindlichen Piraten erzählt.
Kim Schmidt (Local Heroes, Öde) hat sich schon eine ganze Weile mit Klaus Störtebeker beschäftigt. In seinem ebenfalls bei Carlsen erschienen Comic-Zeichenkurs hatte er bereits ein Jahr zuvor eine erste Seite abgebildet. Diese ist im Funny-Stil seiner Schumi-Alben gehalten und zeigt einen erwachsenen Störtebeker und seine Möwe Gödeke, die komplett piratenmäßig mit Augenklappe und Holzbein ausgestattet ist.
Der dann erschienene Störtebeker-Comic präsentiert eine komplett andere Hauptfigur. Störtebeker ist jetzt ein circa 12-jähriger Junge, der gemeinsam mit einer deutlich realistischer gestalteten Möwe namens Weddemunkel und dem Freibeuter Gödeke Michel seine ersten Gehversuche als Pirat macht. Dem im Taschenbuch-Format gedruckten Comic ist noch deutlich anzumerken, dass es ursprünglich nicht als Manga sondern als Album im klassischen Format geplant war.
Doch Spaß und Appetit auf mehr macht dieser von Patrick Wirbeleit (Kiste, Alan C. Wilder Ltd.) geschriebene Auftakt allemal. Leider ging der Comic nicht in Serie.
In den letzten Jahren wurde immer seltener versucht, die etwas angestaubte Figur des heldenhaften Pagen zu modernisieren. So zeichnete das aktuelle Album Der Tod von Spirou der eher klassisch an der Ligne Claire orientierte Olivier Schwartz. Statt Spirou zu erneuern, wurde in letzter Zeit immer wieder zu den Wurzeln und der Zeit, in der diese Figur entstanden ist, zurückgekehrt.
So erzählte Émile Bravo wie Spirou Ende der 30er-Jahre als junger Tor tatsächlich als Page tätig war und ließ ihn in seinem 350-seitiges Epos Spirou oder die Hoffnung. vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs zum umsichtigen Menschen mit Gewissen reifen. Außerdem wurden Abenteuer veröffentlicht, in denen der junge Graf Rummelsdorf die Nazis bekämpfte.
2018 erschien mit Sein Name war Ptirou ein Spirou-Album ohne Spirou und seine Freunde. Die Geschichte spielte Ende der 20er-Jahre an Bord eines Transatlantikdampfers und erzählt davon, wie der zur Crew gehörende Robert Velter alias Rob-Vel durch einen heldenhaften Schiffsjungen zu seiner Comicfigur Spirou inspiriert wurde. Mit Mademoiselle J. – Eine Frau. Ein Jahrhundert wurde eine Fortsetzung vonSein Name war Ptirou veröffentlicht, in deren Zentrum eine junge Frau steht, die 1937 für eine linke Zeitung schreibt und sich gegen den Faschismus engagiert.
In dieselbe Richtung geht auch der Comic Die Freunde von Spirou. Hier treten die beliebten Figuren der Serie ebenfalls gar nicht auf. Im Zentrum der an tatsächlicher Ereignissen orientierten Geschichte stehen einige junge Fans der Comicserie, die Ende der 30er-Jahre dem Club Les amis de Spirou (ADS) beigetreten sind. Dieser wurde 1939 vier Wochen nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe des Le Journal de Spirou vom damaligen Chefredakteur Jean Doisy ins Leben gerufen.
Mitglieder erhielten neben einem Vereinsabzeichen auch ein kleines rosafarbenes Faltblatt mit einem aus neun Geboten bestehenden Ehrenkodex, der definiert, wie sich ein Freund von Spirou zu verhalten hat. Das Brevier enthielt auch einen “Schlüssel zur Geheimsprache des Clubs“ zum Versenden und Empfangen von geheimen Nachrichten.
Die in Spirou vermittelten Ideale versuchten viele Jugendliche auch während der deutschen Besetzung Belgiens mit Leben zu erfüllen und engagierten sich daher – genau wie Jean Doisy – im Widerstand. Gleich nach Kriegsende veröffentlichte Doisy im Wochenmagazin Le Moustique einen Nachruf auf zwei amis de Spirou, die im Kampf gegen die Besatzer ums Leben gekommen sind.
In einer Rahmenhandlung des Comics tritt Doisy persönlich auf. Er gedenkt nach Kriegsende auf dem Friedhof von Marcinelle vor zwei Grabsteinen den ermordeten Untergrundkämpfern. Dabei bleibt unklar, ob sich dabei um zwei der jugendlichen Hauptfiguren der Geschichte handelt, die gegen die deutschen Besatzer und die Mitglieder der Jugendorganisation der faschistischen Rexistischen Partei gekämpft haben.
Der erste Band der Serie trägt den Titel “Ein Freund von Spirou ist offen und ehrlich…“ Dies ist auch das erste der neun Gebote von Jean Doisys Ehrenkodex der ADS. Somit darf auf acht weitere Alben gehofft werden, die Jean-David Morvan (Spirou in Tokyo, Madeleine, die Widerständige) ebenso spannend wie humorvoll schreiben und David Evrad ähnlich rotzig in Szene setzen wird.
So richtig verstanden hat das Team von David Fincher nicht, worin der spezielle Reiz, der von Matz alias Alexis Nolent geschriebenen und von Luc Jacamon spektakulär bebilderten Comicserie Der Killer besteht. In Finchers gleichnamigen Netflix-Film ist Michael Fassbender in der Titelrolle meistens damit beschäftigt, beim Warten auf den richtigen Tötungs-Moment immer und immer wieder sein selbstverfasstes Lebensregelwerk aufzusagen.
Im Comic hingegen macht sich der namenslose Killer während des nervenaufreibenden Belauerns seiner Opfer buchstäblich Gedanken über Gott und die Welt. Er grübelt über den Sinn von Religionen oder sucht nach historischen Figuren, die sehr viel mehr Menschen als ein erfolgreicher Auftragskiller auf dem Gewissen haben. Breiten Raum im Gedankengebäude des Killers nimmt auch sein Unverständnis darüber ein, dass sich so viele Menschen unterordnen, um einen 9-to-5-Job ausüben zu dürfen.
Eine der bittersten Pointen der Serie ist, dass in der Fortsetzung Der Killer: Secret Agenda die schlimmsten Alpträume der Hauptfigur wahr werden. Auf Druck des französischen Auslandsgeheimdienstes wird der Killer gezwungen in Le Havre eine langweilige Bürotätigkeit auszuüben. Dies geschieht zwar im Rahmen eines Undercover-Jobs, doch für den Killer ist schwer abzusehen, was der Zweck seiner Mission ist und an wem er die angekündigte “gezielte Prävention“ ausüben soll.
Schreiber & Leser hat die 13 Alben von Der Killer in drei schönen Hardcoverbüchern mit Lesebändchen veröffentlicht, wobei Band 1 noch einen Anhang mit interessanten Texten und Bildern enthält. Die noch nicht abgeschlossene Fortsetzungsserie Der Killer: Secret Agenda wird in Form von gebundenen Alben veröffentlicht, von denen bisher vier erschienen sind, die gespannt auf den weiteren Verlauf der Geschichte machen.
Zu den bekanntesten Werken von Ivica Astalos gehören seine schrägen Märchenparodien, die oft die Rückseite der deutschen Ausgabe des Satiremagazins MAD zierten. Astalos brachte bereits eine komplett neugezeichnete Ausgabe seines Klassiker, Das MAD-Buch der Technik, im Eigenverlag heraus. Anschließend nahm er sich sein 1982 erschienenes MAD-Buch der Märchen wie sie keiner kennt vor. Dieses Buch musste er nicht nochmal zeichnen, da sich alle Originale in seinem Besitz befinden.
Dennoch nahm er Änderungen vor. Auch diesmal ließ er auf dem Titelbild den MAD-Schriftzug weg und pries das Taschenbuch stattdessen als MADIGE SATIRE an. Den Alfred E. Neumann auf dem Cover der Erstausgabe ersetzte er durch eine Eigenkarikatur.
Die vierzig Jahre alten Gags, die sich über die bereits damals alles andere als märchenhafte Gegenwart lustig machten, zünden immer noch. Nur in einem Beitrag zum Kapitel “Märchen, die gar keine sein dürften“ musste Astalos seinen Humor nachjustieren.
“Das Märchen von der fairen Wehrdienst-Kommission“ erschien nicht mehr zeitgemäß, da es hierzulande (zurzeit?) nicht mehr erforderlich ist, bei Bedarf den Dienst an der Waffe zu verweigern.
Stattdessen erfand Astalos “Das Märchen von der fairen DSDS-Jury“, die aus “kompetenten, netten und fairen Menschen bestand“, die die Kandidaten nach ihrer Stimme bewerten und “keine gemeinen Kommentare“ abgeben.
Erschreckend aktuell ist ein unverändert aus dem MAD-Taschenbuch von 1982 übernommener Beitrag aus dem Kapitel “Berühmte Worte, die sich hinterher als Märchen entpuppten…“ In diesem Cartoon sprach Moses nach Überwindung des Roten Meeres zu den Juden: “Hier wird unser Volk für alle Zukunft sicher und in Frieden leben!“
Dieses zeitlose Klassiker, sowie die anderen Werke von Astalos können hier direkt beim Erzeuger bestellt werden. Wer sich auf diese Rezension beruft, dem zeichnet I. Astalos ein ähnlich schönes Bildchen wie das Obenstehende in das Büchlein.
Durch Goldprägung und Goldschnitt suggeriert das neue Buch von Anke Feuchtenberger bereits auf den ersten Blick, das hier keine leichte Kost geboten wird. Parallel zu ihrer Tätigkeit als Dozentin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg arbeitete die Künstlerin dreizehn Jahre lang an Genossin Kuckuck und das 400-seitige Resultat eignet sich nicht zum raschen Binge-Reading.
Während der Lektüre benötigte ich immer wieder kleine Pausen, um nachzuvollziehen, warum die Freundschaft zwischen den – immer wieder komplett anders aussehenden – Freundinnen Kerstin und Effi so problematisch war. Genossin Kuckuck ist teilweise autobiografisch und in einem Künstlergespräch im Rahmen der Comic-Lese-Woche in Dortmund sagte Feuchtenberger sinngemäß, dass in ihrem Leben positive Momente aufbauend waren, während sie negative Erlebnisse künstlerisch aufgearbeitet hatte.
In diesem Sinne ist der Comic eine sehr persönliche unchronologisch geschilderte Chronik vom Erwachsenwerdens in der ländlichen DDR. „Feuchtenbergerowa“ erzählt von der Nachkriegszeit, in der sich Effis Mutter Rosi Gesicht und Zähne mit Schmutz beschmierte, um ihre Attraktivität vor den russischen Befreiern zu verbergen, aber auch von der Aufregung der älteren Dorfbevölkerung über die ständig wachsende Anzahl jugendlicher Demonstranten.
Ursprünglich sollte das Buch “Ein deutsches Tier im deutschen Wald“ heißen, doch inspiriert von Robert Wyatts Song Cuckoo Madame fand Feuchtenberger einen griffigeren Titel. Die chaotisch anmutende Erzählstruktur der 40 Kapitel von Genossin Kuckuck wechselt zwischen Prosatexten und in unterschiedlichen Stilen gezeichneten Comicpassagen. Als Inspiration diente hierbei David Lynchs enigmatischer Dreistunden-Trip Inland Empire.
Auch die zahlreichen Leitmotive des Comics, wie Schnecken, Pilze, Gänse, Wälder, Tümpel, präparierte Tierköpfe, ein sprechender Mülleimer oder Wesen, die auf einer bemalten Teekanne leben, sowie das mysteriöse Plasma-Singen lassen, an die Filmwelten von David Lynch denken.
Genossin Kuckuck ist ein faszinierend vielschichtiges Buch, das seine prächtige Aufmachung mehr als verdient hat.
Mitte der 60er-Jahren war Gerry Andersons englische TV-Serie Thunderbirds ein voller Erfolg und zog sogar zwei Kinofilme nach sich. Im Zentrum stand Vater Tracy, der gemeinsam mit seinen Söhnen eine internationale Rettungsorganisation betreibt. Diese ist reichbestückt mit fantastischsten Fluggeräten, mit denen die gefährlichsten Situationen gemeistert werden können.
Die Spezialeffekte mit den abenteuerlichen Starts und Landungen der Thunderbird-Raketen können auch heute noch überzeugen. Anstelle von Schauspielen setzte Anderson jedoch Marionetten ein. Er nannte seine Puppenspieltechnik zwar “Supermarionation“ doch mehr als die Augsburger Puppenkiste hatte er bezüglich unreiner Gangarten und unveränderlicher Gesichtsausdrücke auch nicht zu bieten.
Erst bei Andersons Nachfolgeserien UFO, Mondbasis Alpha Eins und Space Cops kamen neben den weiterhin sehr rasanten Raketen echte Schauspieler zum Zuge. 2004 bestand schließlich auch die Familie Tracy aus Fleisch und Blut. Die englische Produktionsfirma Working Title (Notting Hill, Bridget Jones) holte sich Jonathan Frakes alias William Riker aus Star Trek – The Next Generation. Dieser hatte seinerzeit bereits zwei Star-Trek-Kinofilme inszeniert, kannte jedoch die Thunderbirds nicht. Die britische Serie hat vor allem in England, Japan und Australien eine treue Gefolgschaft, aber nicht in den USA.
Frakes Kinofilm versuchte sowohl die Thunderbirds– Fans als auch Neueinsteiger zufrieden zu stellen. Der Vorspann ist dann schon einmal ein sehr vielversprechender Einstieg. Zu flotten Computeranimationen, die einen leichten Pink-Panther-Touch haben, erklingt Hans Zimmers powervolle Neuinterpretation von Barry Grays Thunderbirds-Titelmelodie.
Die dann folgende Geschichte schielt etwas sehr stark auf ein junges Publikum und stellt weniger den von Bill Paxton verkörperten Jeff Tracy sondern dessen dreizehnjährigen Alan Tracy in den Mittelpunkt, der lieber Leben retten als zur Schule gehen möchte. Als es dem Erzrivalen The Hood (Ben Kingsley) gelingt Tracy Island zu erobern, schlägt Alans große Stunde…
Covere B
Insgesamt entsteht nicht unbedingt der Eindruck, der Film habe die richtige Mischung aus traditionellen und neuen Elementen gefunden. Ein permanent stotternder Wissenschaftler und ein glatzköpfiger asiatischer Superschurke sind, selbst wenn hier ein Ben Kingsley agiert, in ihrer Klischeehaftigkeit kaum noch auszuhalten.
Cover C
Die Konzentration der Geschichte auf sehr jugendliche Helden hingegen ist angesichts der Erfolge von Spy Kids und Agent Cody Banks zwar verständlich, aber nicht unbedingt im Sinne der Vorlage. Ein großes Plus sind neben den guten Spezialeffekten Sophia Myles und Ron Cook, die als pinkliebende Superagentin Lady Penelope und ihr Butler Parker so frisch aufspielen als wären ihnen gerade eben die Marionettenschnüren gekappt worden.
Cover D
Eine gute Möglichkeit sich mit der Serie und dem Film auseinander zu setzen, bietet ein limitiertes Mediabook mit vier Variantcovern von Turbine Medien. Sehr gut recherchiert und bebildert ist der Text von Christoph M. Kellerbach im 30-seitigen Booklet.
Erstmal in Deutschland erscheint der 94-minütige Film auf Blu-ray und auf einer zweiten Blu-ray ist sehr viel Bonusmaterial enthalten.
Eine sehr schön aufgemachte “Vintage Collection“ mit Mediabook von Turbine Medien enthält drei TV-Produktionen mit Marvel-Helden, die Ende der 70er-Jahre entstanden sind. Die Box wurde mit in drei auf jeweils 500 Exemplare limitierten Editionen mit verschiedenen Covern veröffentlicht und dürfte Comicfreunden viel Freude bereiten.
Cover A
Das Kernstück dieser Collection ist Dr. Strange von 1978, der bei uns seine Premiere nicht im Fernsehen, sondern 1986 auf VHS erlebte und nie auf DVD erschienen ist. Umso überraschender ist, dass Turbine diese Rarität in bester Bildqualität auf Blu-ray präsentiert.
VHS
Fast vier Jahrzehnte bevor Benedict Cumberbatch Marvel Cinematic Universe erstmals als Doctor Strange zu sehen war, legte Peter Hooten die Rolle sehr viel weniger arrogant an. Der nach diesem TV-Film nicht weiter aufgefallene Darsteller ist als Dr. Stephen Strange ein scheinbar ganz normale Arzt vom Krankenhaus nebenan. Dieser sympathische Zeitgenosse erfährt von einem 700-jährigen Magier, der als Thomas Lindner in New York lebt, dass er ebenfalls über Zauberkräfte verfügt.
Peter Hooten
Lindner wird vom britischen Oscar-Preisträger Sir John Mills gespielt und als schurkische Morgan Le Fay ist Jessica Walter zu sehen, die für ihre Leistung als Gegenspielerin von Clint Eastwoods in dessen ersten Regiearbeit Sadistico eine Golden-Globe-Nominierung erhielt.
Peter Hooten mit Sir John Mill
Die Spezialeffekte des TV-Films wirken billig und waren es wohl auch. Dennoch wurde das Budget überzogen und die Quoten bei der Ausstrahlung überzeugten nicht. Daher kam eine ursprünglich geplante Serie mit Dr. Strange nicht zustanden. Doch der Film kann immer noch ganz gut unterhalten und erhielt seinerzeit sogar viel Lob von Marvel-Legende Stan Lee.
Cover B
Vor dem aufwändigen Kinofilm von 2011 gab es einige weitere Versuche Captain America ins Kino oder auf die Bildröhre zu bringen. So entstand bereits 1944 ein 15-teiliges Captain America-Serial, das dem Publikum in den US-Kinos stückchenweise vor dem jeweiligen Hauptfilm gezeigt wurde. 1990 sollte der 50. Geburtstag von Captain America mit einem halbwegs werkgetreuen Kinofilm von Albert Pyun gefeiert werden, der dann jedoch nur auf Video veröffentlicht wurde.
Zwischen dem Serial und dem Möchtegern-Kinofilm wurde auch noch versucht Captain America zum Helden einer TV-Serie zu machen. 1979 entstand ein 94-minütiger Pilotfilm mit dem nicht völlig unsympathischen ehemaligen Footballer und Boxer Reb Brown in der Titelrolle. Der Film vereinfachte die Entstehungsgeschichte des Marvel-Helden stark und verlegte sie komplett in die damalige Gegenwart.
Steve Rogers ist hier der Sohn des ursprünglichen Captain America und wenig mehr als ein naher Verwandter des damals im TV populären Sechs Millionen Dollar Mann, der auf einem schnittigen Motorrad durch die Gegend braust. Für Marvel-Fans ist es dennoch sehr erfreulich, dass Turbine diesen Film auf DVD präsentiert.
Cover C
Ebenfalls in der Vintage Collection enthalten ist die ebenfalls 1979 entstandene Fortsetzung Captain America II: Death Too Soon. Für diesem zweiten und etwas besseren ebenfalls 94-minütigen Marvel-Film mit Reb Brown konnte immerhin “Dracula“ Christopher Lee für die Schurkenrolle des Terroristen “General Miguel“ gewonnen werden, doch auch hier kam eine geplante Serie kam nicht zustande.
Christopher Lee
Turbine präsentiert Captain America II als Deutschlandpremiere erstmals auf DVD. Da keine deutsche Synchronisation existiert, ist nur der Originalton mit optionalen deutschen oder englischen Untertiteln enthalten.
Die Box enthält als Bonus lediglich die Trailer zu den drei Filmen. Auf der Blu-ray zu Dr. Strange ist auch ein deutscher Trailer zu sehen. Im 56-seitigen, reich und interessant bebilderten Booklet informiert Tobias Hohmann ausführlich über die Marvel-TV-Serien der 70er-Jahre, zu denen auch die gelungene Adaption von The Incredible Hulk mit Bill Bixby und Lou Ferrigno gehört. Ab 1977 entstand auch eine Spider-Man-Serie mit Nicolas Hammond von der einige Episoden zu drei Spielfilmen zusammengeschnitten wurden, die in unseren Kinos liefen. Vielleicht veröffentlicht Turbine hierzu ja eine ebenso schöne Mediabook-Edition.
Mit Die Bestie erschien 2020 ein Album, das für die Entwicklung der Figur des Marsupilamis eine ähnliche Bedeutung haben dürfte, wie Emilé Bravos Spirou-Comics für den zuvor kaum charakterisierten belgischen Pagen. Bei Bravo war Spirou Anno 1939 noch ein “junger Tor“ und wurde vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs im Verlaufe eines vierbändigen Epos zur verantwortungsbewussten Identifikationsfigur.
Auch Die Bestie geizt nicht mit finsteren Elementen. Der erste Band beginnt mit einem knapp zwanzigseitigen Prolog. In braunschwarzen Bildern zeigt Frank Pé (Jonas Valentin, Zoo) die düstere Szenerie an Bord des heruntergekommenen Frachters, der exotische Tiere für den Zoo von Antwerpen transportierte. An Bord hat anscheinen eine besonders grausame Bestie nur dadurch überlebt, dass sie sich von dem ebenfalls im Frachtraum befindenden Papageien und Affen ernährte.
Bei der “Bestie“ handelt es sich um einen Artgenossen jenes Marsupilamis, das Spirou und Fantasio 1951 im Comic Eine aufregende Erbschaft im Dschungel von Palumbien entdeckt hatten. Die Bestie spielt kurz danach in Brüssel und konfrontiert ein ungewöhnlich wildes Marsupilami mit dem Jungen François, der sich aufopfernd um geschundene Kreaturen kümmert und zum Entsetzen seiner Mutter Jeanne daheim eine ganze Menagerie beherbergt.
Texter von Die Bestie ist Benoît Drousie, der unter dem Pseudonym Zidrou Comicklassiker wie Rick Masteroder Percy Pickwick fortgeführt hat und für den Zeichner Jordi Lafebre die zu Herzen gehenden Geschichten Lydie und Wundervolle Sommerschieb. Zidrou geht nicht eben pfleglich mit dem kleinen François um. Da dessen Vater ein Soldat der deutschen Wehrmacht war, der nach dem Krieg in seine Heimat zurückkehrte, rasieren ihm einige rabiate Mitschüler den Schädel. Ähnliches wiederfuhr nach dem Krieg Frauen, die mit den Besatzern fraternisiert hatten.
Der zweite Band von Die Bestie ist etwas weniger finster. Hierin geht es hauptsächlich um die Suche nach François und dem Marsupilami. Frank Pé gelingen einige turbulent in Szene gesetzte Verfolgungsjagden, aber auch großartige Bilder vom weihnachtlich geschmückten Brüssel. Zu den Schauplätzen gehört jenes Jugendstil-Kaufhaus, das heute das Comicmuseum Centre Belge de la Bande Dessinéebeherbergt. Großartig ist auch die auf einer Doppelseite dargestellte Sequenz, in der das Marsupilami auf Hergés Tim trifft.
Dabei handelt es sich um eine Puppe, die Teil eines Schaufensters ist, das mit Szenen aus Tim und der Sonnentempel dekoriert wurde. Am Rande der spannenden Action erzählt Zidrou aber auch eine zartbittere Liebegeschichte.
Hierin geht es um Monsieur Boniface, den Lehrer von François. Dieser liebenswerte, nicht mehr ganz junge Sonderling erinnert durch seine schrullige Erfindung des zum Lachen anregenden Hilarions an André Franquins Chaoten Gaston. Monsieur Boniface fühlt sich zur Mutter von François hingezogen. Eine Weile besteht hier durchaus Hoffnung und Jeanne scheint die Gefühle des erfinderischen Pädagogen zu erwidern.
Doch dann kommt ihm ein schneidiger Gendarm in den Weg, der nicht nur über Muskelmassen, sondern auch noch über Humor verfügt. Bedauernd muss Jeanne feststellten, dass sie sich – trotz ihrer sehr bitteren Erfahrungen – immer noch zu Uniformen hingezogen fühlt. Was soll man dazu noch sagen?
Der dritte Band der Collector’s Edition der klassischen Fliegerserie Michel Tanguy enthält die letzten drei der insgesamt acht von Albert Uderzo gezeichneten Alben, die ihre Premiere im Magazin Pilote erlebten. Den Sammelband eröffnet der Zweiteiler Canon Bleu antwortet nicht mehr und Cap Zero, der dramatische Szenen in eisiger Umgebung enthält.
In dieser ansonsten sehr spannend erzählten Geschichte verwundert etwas, dass der Autor Jean-Michel Charlier – der später im Western-Comic Blueberry meist auf der Seite der Indianer stehen sollte – hier mit der arktischen Urbevölkerung teilweise ganz schön rüde umspringt.
Nicht nur schurkische Figuren, sondern auch der Titelheld Mick Tanguy bezeichnen einen Eskimo als “Pelzkittel“, “abgekürzter Walfisch“ oder “Kerzenfresser“. Doch immerhin ist es später ein heldenhafter Inuit, der Tanguy das Leben rettet.
Dass die Serie, die durchaus als Comicgegenstück zu Top Gun bezeichnet werden kann, auch heute noch bestens unterhält, liegt vor allem am bereits Anfang der 60er-Jahre voll ausgereiften Zeichenstil von Albert Uderzo. Dieser zeichnete zeitgleich zur realistisch in Szene gesetzten Fliegerserie auch noch Comicseiten für Asterix und Umpah-Pah. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, dass die frühen Abenteuer von Mick Tanguy auch immer wieder großartig in Szene gesetzte humoristische Einlagen mit dem nicht nur tollkühnen, sondern auch tollpatschigen Piloten Ernest Laverdure enthalten. Mit dieser liebenswerten Figur hat sich Uderzo selbst karikiert.
Ganz im Gegensatz zu den frankobelgischen Fliegercomics Buck Danny oder Dan Cooper geht es in Mick Tanguy nicht nur um die Zurschaustellung von technischem Gerät, sondern neben dem oft in Richtung Slapstick gehenden Humor sind auch die von Uderzo sehr attraktiv zu Papier gebrachten Damen, mit denen sich Laverdure verabredet, eine willkommene Abwechslung zur militärischen Männerwelt.
Daher ist es sehr schade, dass Uderzo 1966 seine Arbeit an Mick Tanguy einstellte. Doch ein Wochenpensum von fünf Comicseiten pro Woche war für ihn nicht mehr zu bewältigen, auch wenn ihm sein Bruder Marcel (Mathias erzählt) bei der Fliegerserie assistierte. Uderzo beauftragte daher Jean Giraud, der damals noch nicht Moebius war, mit einer Probeseite für das letzte Tanguy-Album Piraten des Himmels.
Hier sprang Jean Giraud ein
Diese kam auch in Pilote zum Abdruck, doch Uderzo ahnte schon, dass Giraud kein großes Interesse daran hatte, Flugzeuge zu zeichnen und teilte ihn eine Seite ohne Luftkämpfe zu. Statt Giraud übernahm schließlich Jijé (Jerry Spring, Valhardi) die Serie.
Erstes Album von Jijé
Dieser Band enthält ein interessantes Interview mit Uderzo, der es für keine gute Idee hielt, dass Jijé das Aussehen von Mick Tanguy und Ernest Laverdure änderte, damit sie mehr den Darstellern Jacques Santi und Christian Marin (Der Gendarm von Saint Tropez) ähneln, die deren Rollen seinerzeit in der erfolgreichen TV-Serie Les Chevaliers du ciel spielten.
Diese ist heute schon lange vergessen, während die Comics – wie Egmonds Collector’s Edition und deren bereits vergriffenen Vorgänger belegen – auch heute noch ihr Publikum finden.
Die hier erzählte Geschichte dürfte mittlerweile allgemeint bekannt sein. Peter Parker wird von einer radioaktiven Spinne gebissen und bekommt dadurch Superkräfte. Diese nutzt der zuvor eher unscheinbare Schüler zunächst um Karriere als maskierter Ringkämpfer zu machen. Doch als er durch passives Handeln den Tod seines geliebten Onkel Ben zu verantworten hat, erkennt er: “Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.“
1962 benötigten Stan Lee und Steve Ditko lediglich elf Seiten um im Comicheft “Amazing Fantasy # 15“ diese Origin bzw. Entstehungsgeschichte von Spider-Man zu erzählen. 2002 brauchte Sam Raimi immerhin die ersten 42 Minuten seines Spider-Man-Films um diese Story auf die große Leinwand zu bringen. Die 2008 von David Lapham geschriebene Miniserie Mit großer Kraft… lässt sich ganze 110 Seiten Zeit und am Ende von Heft fünf ist Onkel Ben immer noch nicht gestorben. Das es noch etwas langsamer geht, bewies Brian Michael Brendis, der in Der ultimative Spider-Man aus der Origin sogar sieben US-Hefte herausquetschte!
Im Gegensatz zu Raimis und Bendis ist Lapham in Mit großer Kraft… nicht daran interessiert ein für die heutige Leserschaft leicht zugängliches Update von Spider-Man zu schaffen. Er und Zeichner Tony Harris (Ex Machina) siedeln die Geschichte wieder in den 70er-Jahren an, setzen dabei allerdings nicht allzu stark auf nostalgische Elemente. Sie erzählen vom Teenager Peter Parker, der trotz (aber auch wegen) seiner besonderen Fähigkeiten reichlich Probleme hat und viel zwischenmenschlichen Frust erlebt.
Dies mag vielleicht eher an David Laphams ebenfalls nicht gerade vor Optimismus strotzende Serie Stray Bullets erinnern als an Superhelden-Mainstream, ist zugleich aber auch ebenso menschlich bewegend wie die besten Comics aus dem Hause Marvel.