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Saturday Night Fever

1977 war es für einen 17-jährigen Jungen absolut nicht angesagt sich Saturday Night Fever im Kino anzusehen (diese Prozedur wiederholte sich ein Jahr später bei Grease), denn man war ja selber cool, trug “Folter für Travolta“-Plaketten und dieses permanente Gejohle der Bee Gees nervte schon im Radio gewaltig. Erst nachdem einige Jahre vergangen waren und John Travolta in Pulp Fiction ein grandioses Comeback feierte, konnte ein vorsichtiger Blick auf die vermeintliche Disco-Schnulze geworfen werden.

Saturday Night Fever

Plötzlich war festzustellen, dass Saturday Night Fever einen durchaus kritischen Blick auf ein junges Leben im rauen New Yorker Stadtteil Brooklyn warf. Die Arbeit war öde, die Eltern nervten und die Aussicht auf etwas Abwechslung gab es Nur Samstag Nacht (so lautete auch damals der deutsche Titel des Films) in der Disco 2001.

Saturday Night Fever

John Travolta verkörpert den auf Äußerlichkeiten bedachten Disco-Gockel Tony Manero erstaunlich vielschichtig und lebensnah. Einerseits genießt er das Hüpfen auf diesen bunt blinkenden Bodenplatten, andererseits ist ihm bewusst, dass er nicht der Hellste ist. Doch im Gegensatz zu seinen Kumpels ist ihm klar, dass er nicht ewig so weitermachen kann.

Saturday Night Fever

Zwar war Saturday Night Fever der Auslöser für ein weltweites Disco-Fieber, doch der auf einem Zeitungsartikel basierende Film hinterfragte den Trend zugleich, was ihn durchaus einzigartig macht. Als einfühlsame Milieu-Studie erinnert der von John Badham (Dracula) inszenierte Film an den ersten Teil der Rocky-Reihe, der viel mehr im Alltag als im Ring spielte, seltsamerweise inszenierte Sylvester Stallone 1983 unter dem Titel Staying Alive eine katastrophale Fortsetzung von Saturday Night Fever.

Saturday Night Fever

DVD-Extras der „Saturday Night Fever – 30th Anniversary Edition“ : Audiokommentar zum Film von John Badham, wahlweise mit deutschen Untertiteln, „70ies Discopedia“, englische Einblendungstexte liefern zusätzliche Filminfos, Das echte Saturday Night Fever (50:26 min, interessanter Bericht bei dem leider keine Statements von John Travolta zu hören sind), Zurück zur Bay Bridge (8:30 min, nett zusammen geschnittener Besuch der damaligen New Yorker Locations mit Darsteller Joseph Cali), Tanzen wie Travolta mit John Cassesse (9:37 min), „Saturday Night Fever Wettkampf“ (3:51 min, ein reichlich albernes Spiel)

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High Fidelity – Serie

Die Geschichte vom 35-jährigen Plattenladen-Besitzer Rob Fleming, der alles in Hitlisten erfasst, selbst seine verflossenen Liebschaften,   ist wohl immer noch der schönste Roman von Nick Hornby (About A Boy, Juliet, Nacked).  High Fidelity erschien 1995 und wurde 2000 erfolgreich mit John Cusack in der Hauptrolle verfilmt.

High Fidelity - Serie

Ein Vierteljahrhundert später wurde versucht, den Klassiker mit Hilfe von Gender Swap in die Neuzeit zu katapultieren. Das Experiment ist gelungen, was hauptsächlich an der charismatischen Hauptdarstellerin Zoë Kravitz (The Batman) liegt, deren Laden Championship Vinyl von London (Roman) über Chicago (Kinofilm) diesmal nach Brooklyn verlegt wurde.

High Fidelity - Serie

Die Tochter des Musikers Lenny Kravitz und der Schauspielerin Lisa Bonet, die auch im High-Fidelity-Kinofilm mitspielte, überzeugt in der Serie als nur bedingt beziehungstauglicher Nerd Robyn „Rob“ Brooks. Genau wie einst John Cusack, gelingt es auch Zoë Kravitz, den Zuschauer durch direkte Ansprache zu ihrem Komplizen zu machen.

High Fidelity - Serie

Doch ist es auch möglich Ersatz für Jack Black zu finden, der 2000 als extrovertierter Championship-Vinyl-Verkäufer Barry Judd mächtig aufdrehte, auch musikalisch? Erstaunlicherweise klappt auch dies. In der Rolle von Rob Brooks‘ bester Freundin Cherise trumpft Da’Vine Joy Randolph genauso lautstark und besserwisserisch wie Black auf, hat aber auch eine verletzliche Seite.

High Fidelity - Serie

Die Serie garniert manchen liebgewonnenen Moment aus Roman und Film (etwa dem Ramsch-Verkauf einer irrsinnig wertvollen Platten-Sammlung durch eine betrogene Ehefrau) mit neuen Ideen. Der einzige Nachteil ist, dass die Prodzuenten nach zehn Episoden den Stecker gezogen haben, obwohl noch längst nicht alles zu Ende erzählt wurde.

High Fidelity - Serie

Vielleicht könnte Disney+ zumindest noch eine spielfilmlange Episode nachschieben, denn ich warte noch auf den großen Bühnenauftritt von Cerise und möchte wissen, ob es was wird mit Rob und Clyde (ebenfalls großartig: Jake Lacy), auch wenn dieser einer Beziehung nur eine neunprozentige Chance gibt…

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Basquiat

Auf der Liste der teuersten Gemälde der Malerei, die offiziell mit Kaufvertrag verkauft wurden, steht aktuell auf Platz 12 ein Bild ohne Titel aus dem Jahr 1982, das am 18. Mai 2017 der japanische Milliardär Yusaku Maezawa bei Sotheby’s in New York kaufte. Der Name des Künstlers: Jean-Michel Basquiat. Seine Bilder spielen auf dem Kunstmarkt also eine wichtige Rolle.

Basquiat

Jean-Michel Basquiat wurde am 22. Dezember 1960 in New York City als zweiter Sohn von Matilda Basquiat, deren Familie aus Puerto Rico stammte, und Gerard Basquiat, der in den fünfziger Jahren Haiti verlassen hatte, geboren. Er war der erste afroamerikanische Künstler, der in der hauptsächlich weißen Kunstwelt den Durchbruch schaffte. Er starb am 12. August 1988 im Alter von 27 an einer Überdosis Heroin in New York. Seine Einordnung und sein Stellenwert sind bis heute schwierig und die Kritik über ihn reicht von „Basquiats Bedeutung ist so gering, dass sie praktisch null sei“ bis hin zu der Einschätzung, dass er die Kunst revolutionierte und eine neue Sicht auf Bilder, Zeichen und Kreativität ermöglichte.

Basquiat

Der in Münster geborene Julian Voloj ist ein sehr vielseitiger Comic-Autor. Claudia Ahlering illustrierte seine Geschichte Ghetto Brother: Bronx, NY (avant) und seine Adaption von Annette von Droste-Hülshoffs Erzählung Die Judenbuche (Knesebeck). Carlsen veröffentlichte seinen vom Australier Thomas Campi gezeichneter Comic Joe Shuster – Der Vater der Superhelden und die vom Polen Marcin Podolec in Szene gesetzte Biografie Ein Leben für den Fußball über Deutschlands ersten Profi-Kicker Oskar Rohr.

Basquiat

Voloj lebt seit 2002 in New York, genauer gesagt in Brooklyn, wo das Leben von Basquiat anfing und endete. Hier kam Voloj mit dem spannenden Werk des Künstlers näher in Berührung und ließ ihn nicht mehr los. Seine Biografie über Basquiat gibt einen ersten kurzen Abriss einiger Stationen wieder. In einem extremen Galopp kann miterlebt werden, wie Basquiat mit seinen SAMO-Graffitis in die New Yorker Kunstszene drängte, wie er noch rasanter porträtierte als Andy Warhol und sich dabei ganz selbstbewusst neben den Pop-Art-Meister platzierte. Klar, ist es nicht einfach, auf nur 136 Seiten  Basquiats Leben annähernd gerecht zu werden. Daher finden wichtige Ereignisse keine Erwähnung (documenta 7, 19. Juni bis 28. September 1982; seine Arbeit mit Joseph Beuys).

Basquiat

Der Autor nähert sich mehr poetisch und in kleinen Versatzstücken dem komplizierten Phänomen, was durchaus Charme hat. Nach dem Lesen des Comics könnte der Eindruck entstehen, Basquiats Leben bestand nur aus Arbeiten, das Einnehmen aller Arten von Drogen und das Gequält sein von Inneren Dämonen, die ihn unablässig begleiteten; er scherte sich einen Dreck um sein Umfeld und sich selbst und er war sexuell extrem aktiv, In seiner kurzen Karriere produzierte Basquiat rund 1500 Zeichnungen sowie rund 600 Gemälde und viele Skulpturen. Basquiat zeichnete ständig und benutzte oft Objekte um sich herum als Oberflächen, wenn Papier nicht sofort zur Hand war.

Basquiat

Zu den bekanntesten Sammlern seiner Werke gehören neben „professionellen“ Kunst-Mäzenen auch David Bowie, Johnny Depp, Dave Stewart, Dennis Hopper, John McEnroe,   Leonardo DiCaprio oder Madonna mit der Basquiat ein Verhältnis hatte. Ein Anhang mit Biografien von Basquiat-Weggefährten wie Keith Haring, Debbie Harry oder den Talking Heads vertiefen  die Lektüre des Comics.  Hilfreich ist auch das Nachwort von Voloj, in dem er u.a. erklärt, welch aktuelle politische Brisanz Basquiat hat und darlegt, was er im Comic-Teil aussagen wollte.

Basquiat

Das Artwork des Dänen Søren Glosimodt Mosdal ist bunt und wild. Zusammen mit dem Text eine gelungene Symbiose für solch ein spannendes Leben eines Ausnahmekünstlers. Die englische Ausgabe von Basquiat wurde 2019 vom renommierten The Comics Beat sowohl zu einem der besten Comics des Jahres als auch zu einem der 100 besten Comics des letzten Jahrzehnts ernannt.

Norbert Elbers

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