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Mawil: Mauer, Leiter, Bauarbeiter

Völlig überraschend startete der zuvor eher für verkopfte Graphic Novels stehende Reprodukt Verlag Anfang 2013 ein Programm mit Kindercomics. Dank einer anregenden Mischung aus Eigenproduktionen wie Kiste von Patrick Wirbeleit und Uwe Heidschötter, sowie Lizenzausgaben von internationalen Serien wie Luke Pearsons Hilda, liegt mittlerweile eine auf knapp 150 Titel angewachsene Backlist mit Comics vor, die auch gerne von Eltern gelesen werden.

Mawil: Mauer, Leiter, Bauarbeiter

Mawil hat die Erfolgsserie um gleich zwei Titel bereichert. Bereits in seinem Comic-Erfolg Kinderland betrachtet er den Mauerfall aus den Augen eines kleinen Jungen und sein Lucky Luke sattelt um ist mittlerweile auch in Frankobelgien erschienen. Mawils Kindercomics wirken auf den ersten Blick wie Parodien, die sich darüber amüsieren, dass es – allen Debatten zum Trotz – bei Spielzeugen, Trickfilmen oder Bilderbüchern immer noch Produkte gibt, die sich ausschließlich an verträumte Mädchen oder an auf Action stehende Jungs richten.

Mawil: Mauer, Leiter, Bauarbeiter

Mawil bringt dies auf dem Punkt, indem er in einem mit rosafarbenen Einband versehenen Comic von Prinzessinnen erzählt und als Kontrastprogramm mit babyblauen Titelbild eine Geschichte über Bauarbeiter präsentiert. Im Zentrum von Mauer, Leiter, Bauarbeiter steht der Baggerfahrer Boris, der nicht mehr viele Haare hat und daher mit Inbrunst seinen feschen Bart trimmt.

Mawil: Mauer, Leiter, Bauarbeiter

Boris hält Ordnung auf der Baustelle und mixt in der Mittagspause Smoothies für seine Brigade. Genau wie in Carlsens Pixi-Serie “Ich habe einen Freund, der ist…“ stellt auch Mawil auf seinen liebevoll gestalteten oft doppelseitigen Bildern das berufliche Umfeld der Hauptfigur vor. Dabei besteht die Welt von Boris mit Betonmischer, Bauschutt, Bolzenschneider, Bretter, Brotbüchse oder der in der Baubranche unverzichtbaren Boombox nur aus Gegenständen, die mit demselben Buchstaben beginnen.

Mawil: Mauer, Leiter, Bauarbeiter

Passend dazu treffen Boris und seine Kollegen Bruno, Bernhard und Bogdan zunächst auf der Baustelle und dann auch noch bei der Männerfreizeit beim Bouldern auf die Bauleiterinnen Barbara, Becky und Bianca. Wenn Becky dann auch noch mit Boris anbändelt, lässt Mawil frischen Wind durch sein Kinderbuch wehen. Es sei noch verraten, dass es am Ende ein rosafarbenes Erklärbild mit Beistellbett, Bobby-Car, Bällebad und Barbie gibt.

Power-Prinzessinnen-Patrouille

Barbara, Becky und Bianca spielen in Mawils zweiten Kindercomic die Hauptrolle, doch hier leben sie Krönchen-tragend als Anette, Babette und Cinderette in einem Palast. Bei Power-Prinzessinnen-Patrouille taucht zwar auch ein Prinz auf, doch dieser wird nicht vom kernigen Boris verkörpert, sondern ist ein ziemliches Weichei.

Mawil: Mauer, Leiter, Bauarbeiter

Die selbstbewussten Prinzessinnen ernähren sich von Pralinen, Porridge, Polenta, Pommes, Pökelfleisch, Peperoni-Pizza oder Brosecco. Am Ende des Büchleins brechen sie souverän und ohne männliche Begleitung zu neuen Abenteuern auf…

Es darf sich auf Mawil im März in ähnlicher Aufmachung bei Reprodukt erscheinendes Büchlein Papa macht alles falsch gefreut werden. Bis dahin habe ich Zeit darüber nachzudenken, warum ich mich in meiner Rezension intensiver mit Mawils Bauarbeitern als mit seinen Prinzessinnen beschäftigt habe…

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Ein Sommer am See

Ein Sommer am See ist – nach Mawils Kinderland – der zweite Comic, den Reprodukt in einer kleinformatigen Neuauflage zum Preis von nur 9,95 Euro anbietet. Für mich war dies der Grund, mich endlich einmal mit diesem Werk zu beschäftigen, dessen originell gestaltetes Cover mir bereits einige Male im Comicladen aufgefallen war.

Ein Sommer am See

Die beiden kanadischen Cousinen Mariko (Text) und Jillian (Zeichnungen) Tamaki erzählen darin die Geschichte einer dreiköpfigen Familie, die “eigentlich schon immer“ ihren Urlaub in Awago Beach, Ontario verbringen. Die Tochter Rose freut sich schon darauf ihre etwas jüngere Ferienfreundin Windy zu treffen, sowie auf eine sorglose gemeinsame Zeit mit Naschzeug und dem gemeinsamen Gucken von Horrorfilmen.

Ein Sommer am See

Doch This One Summer (so der Originaltitel des Buchs) ist alles etwas anders. Rose befindet sich in der Pubertät und kann wenig mit der wild herumtobenden Windy anfangen, deren Äußeres Jillian Tamaki ein wenig bei der Trickfilm-Heidi abgeguckt hat. Stattdessen beginnt sie sich für die Dorfjugend zu interessieren. Insbesondere Dunc, der im einzigen Laden des Örtchens jobbt, weckt ihr Interesse. Doch dieser hat eigene Probleme und wird möglicherweise bald Vater…

Ein Sommer am See

Nach und nach fällt Rose auch auf, dass ihre Eltern kaum noch miteinander reden und ihre Mutter eine fast schon panische Angst davor hat, baden zu gehen. Durch Zufall kommt Rose schließlich dahinter, was sich vor einem Jahr ereignet und ihre Mutter aus der Bahn geworfen hat.

Ein Sommer am See

Dies alles ist großartig erzählt und mehr als ansprechend in Szene gesetzt. Die in dunkelblau abgedruckten stimmungsvollen Zeichnungen lassen an die sensibel erzählten Comics von Craig Thompson (Blankets, Habibi) denken und genau dieser lobt auf dem Backcover des Buchs das Werk der Tamakis völlig zu Recht als “eindringlich, sinnlich und von überragender Schönheit“!

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Mawil: Lucky Luke sattelt um

Wie in seinem großartigen Comic Kinderland zu erfahren war, wuchs Mawil in der DDR auf. Trotzdem kam er schon recht früh mit Lucky Luke in Kontakt und zeichnete den Cowboy, der schneller als sein Schatten zieht, aus einem Heft ab, das die Oma eines Freundes im doppelten Boden eines Westpakets nach Ostdeutschland schmuggelte.

Mawil: Lucky Luke sattelt um

Knapp ein Jahr nachdem Flix Spirou nach Ost-Berlin reisen ließ, erscheint Mawil sehr eigenwillige Version von Lucky Luke. Er trennt den Cowboy von seinem Gaul Jolly Jumper und lässt ihn den Wilden Westen zur Abwechslung einmal per Drahtesel erkunden. Genau wie einst beim großen Lucky-Luke-Autor René Goscinny basiert auch hier die spaßige Geschichte auf Tatsachen, denn bereits zu Ende des vorletzten Jahrhunderts kamen auch in den USA Fahrräder in den Handel.

Mawil: Lucky Luke sattelt um
© Lucky Comics, 2019. All Rights Reserved – by Mawil

Lucky Luke sattelt um erzählt davon, wie der Unternehmer Albert H. Overman – als Konkurrenz zu den bereits etablierten Hochrädern – versucht Fahrräder in der heute üblichen Bauart auf den Markt zu bringen. Im Comic gipfelt das in einer abenteuerlichen Fahrradtour quer durch die USA und schließlich in ein turbulent inszeniertes Wettrennen.

Mawil: Lucky Luke sattelt um
© Lucky Comics, 2019. All Rights Reserved – by Mawil

Genau wie Matthieu Bonhomme und Guillaume Bouzard bei den beiden zuvor entstandenen Hommage Bänden Der Mann, der Lucky Luke erschoss und Jolly Jumper antwortet nicht, wurde auch Mawil die Möglichkeit gegeben, seine ganz eigene Version von Lucky Luke zu zeichnen. Davon macht er auch ausgiebig Gebrauch. Mawils sehr individuelles Figurendesign und seine plastisch-bunten Farben passen gut zu einer Geschichte, die statt auf Dialogwitz auf rasante Inszenierung setzt.

Mawil: Lucky Luke sattelt um
Es erscheint auch eine Vorzugsausgabe

Wer erlebt hat, wie visuell aufregend er in Kinderland ein Tischtennis-Match umsetzte, hat schon eine schwache Vorstellung davon, wie Mawil es krachen lässt, wenn ihm der komplette Wilde Westen als Spielwiese zur Verfügung steht!

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Mawil: Kinderland

Im Ostberlin des Jahre 1989 gerät das sonst so geregelte Leben des kleinen Mirco Watzke völlig aus den Fugen. Dies hat jedoch nichts mit der politischen Großwetterlage zu tun, sondern damit, dass es ihm nicht erlaubt wird an seiner Schule ein Tischtennis-Turnier zu organisieren. Doch der sonst so angepasste Mirco lässt sich dies nicht gefallen. Gemeinsam mit seinem zweifelhaften neuen Freund Torsten muckt er gegen die Lehrerschaft und die FDJ-Gruppenratsvorsitzende Angela Werkel auf…

Mawil: Kinderland

Mit Kinderland gelang Mawil (Wir können ja Freunde bleiben) ein 300-seitiges Meisterwerk, das aus kindlicher (aber niemals kindischer) Sicht einen ziemlich umfassenden Einblick in den DDR-Alltag bietet. Unaufdringlich werden Themen wie Mangelwirtschaft, Religion und am Ende der Geschichte schließlich auch der Mauerfall in eine menschlich sehr gut geerdete Geschichte eingebettet. Erfrischend ist, dass „große“ Themen wie Montagsdemos, Fluch oder Ausreise in den Westen nur am Rande der Geschichte stattfinden und vom ganz normalen Leben im anderen Deutschland erzählt wird.

Mawil: Kinderland
Cover der Vorzugsausgabe

Bemerkenswert ist Mawil aber nicht nur als Erzähler, sondern auch seine lockeren Zeichnungen und die schöne stimmige Kolorierung sind außergewöhnlich. Einmal mehr gelingt es Mawil Frauen und Mädchen zu zeichnen, die auf eine höchst ungewöhnliche Art attraktiv wirken. Das zeichnerische Highlights des Comics ist jedoch zweifelsohne ein auf über 30 Seiten in Szene gesetztes, immer mehr aus den Fugen geratenes Tischtennis-Match, bei dem Mirco und Torsten gegen zwei ältere sehr fiese FDJler antreten. Es ist schier unglaublich wie Mawil hier mit Perspektiven und Seitenlayouts arbeitet.

Kinderland“ ist Mawils bisher bester Comic. Das Buch liegt bei Reprodukt auch als auf 777 Exemplare limitierte Hardcover-Vorzugsausgabe mit signiertem Druck vor. Mittlerweile gibt es auch eine preiswerte Taschenbuch-Edition.

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