So langsam aber sicher droht der willige Leser die Übersicht zu verlieren bei den zahlreichen Comicreihen rund um das vom gebürtigen Chilenen Alejandro Jodorowsky ers(p)onnene Incal-Universum. In den Comics geht es hauptsächlich um John Difool, dem Privatdetektiv der Klasse R, der immer wieder aus den höchsten Höhen stürzt und von einem Betonpapagei namens Dipo begleitet wird. Die Ursprungsserie besteht aus sechs Alben, die von der Comiclegende Moebius in ungewöhnlich schönen Bildern umgesetzt wurde.
Danach schuf der jugoslawische Zeichner Zoran Janjetov – ebenfalls nach Texten von Jodorowsky – unter dem Titel John Difool vor dem Incaldie Vorgeschichte zum von Moebius geschaffenen Zyklus. Janjetovs Zeichnungen waren zwar ebenfalls recht gelungen und wurden sogar innerhalb dieses ebenfalls sechsbändigen Zyklus immer besser, aber gegen ein Genie wie Moebius muss er zwangsläufig verblassen.
Jodorowsky startete weitere teilweise sehr epische Serien um Figuren aus dem Incal-Universum. So ließ er vom Spanier Juan Gimenez die Chronik der Meta-Barone in Bilder umsetzen und Zoran Janjetov zeichnete, verstärkt durch einen gewissen Fred Beltran, die Abenteuer der Techno-Väter. Beltran stand 2000 auch Moebius auch bei der geplanten neuen Serie John Difool nach dem Incal zur Seite. Nach der Katharsis wirkt so, als wenn Moebius ganz alleine Hand angelegt und wieder ein Album geschaffen hat, bei dem die atemberaubenden Zeichnungen die etwas wirre Geschichte mühelos vergessen lassen.
Als eine Art “Abfallprodukt“ zu einem nicht zustande gekommenen Filmprojekt – es ging um Frank Herberts Dune – Der Wüstenplanet – starteten Alejandro Jodrowsky und Moebius 1981 die ebenso komische wie phantastische Comicserie John Difool: Der Incal. Hauptfigur ist John Difool, ein Privatdetektiv der Klasse R, der immer wieder aus den höchsten Höhen stürzt und von einem Betonpapageien namens Dipo begleitet wird. Die Ursprungsserie bestand aus sechs Alben, an denen Moebius bis 1988 arbeitete.
Im Anschluss an die Hauptserie gestaltete der jugoslawische Zeichner Zoran Janjetov (Die Techno-Väter) – ebenfalls nach Texten von Jodorowsky – ein sechsbändiges Prequel zum Zyklus. Auch diese sechs Alben Wie alles begann, Privatdetektiv Klasse R, Kuik, Anarcho-Psychoten, Einen Ouiski, bitte, und Homöos und Soluna erscheinen noch einmal gebündelt unter dem Titel John Difool vor dem Incal. Nicht enthalten ist das 2000 entstandene Album John Difool nach dem Incal mit dem Moebius noch einmal zum Incal zurückkehrte.
Auf dem Backcover einer 2008 bei Ehapa erschienenen Gesamtausgabe von John Difool vor dem Incal ist zu lesen, dass Janjetov sich “für diese Ausgabe entschloss alle Episoden neu zu zeichnen“. Dies ist nicht wirklich der Fall. Lediglich den Auftakt, die ersten 10 Seiten von Wie alles begann hat Janjetov in seinem mittlerweile sehr viel lockereren Stil noch einmal neu interpretiert. Doch auch der restliche Teil des Zyklus profitiert nicht unerheblich von Valèrie Beltrans schöner plastischer Neukolorierung. Abgesehen davon, dass die Covers der Einzelbände in dieser Prachtausgabe nicht zum Abdruck kamen und ein paar Hintergrundinfos nicht geschadet hätten, macht die Wiederbegegnung mit John DiFool in dieser Form großen Spaß.
Mittlerweile liegt bei Splitter eine Gesamtausgabe von John Difool vor dem Incal in der alten Kolorierung vor.
Bei Splitter folgte die von José Ladrönn (Die Söhne von El Topo) gezeichnete dreiteilige Abschlussserie Der letzte Incal. mit gleich vier John DiFools.
Im ersten ganzseitigen Panel stürzt John Difool einmal mehr aus höchsten Höhen in tiefste Tiefen ab und es stellt sich die Frage, ob dies wirklich sein letzter Fall ist. Am Ende der Geschichte gibt es ihn schließlich gleich vierfach, einmal in der altbekannten Form, einmal als Adonis, einmal als Guru und einmal gar mit Engelsflügeln und Heiligenschein.
Wie es dazu kam, da (aber nicht nur da!) lässt der Autor Alejandro Jodorowsky den Leser einmal mehr völlig im Dunkel tappen. Doch immerhin liefert seine gewohnt wirre Story dem mexikanischen Zeichner José Ladrönn genügend Vorwände für atemberaubende Bilder. Diese erinnern sowohl an die klaren Zeichnungen von Moebius wie auch an die Gemälde eines Juan Gimenez in Die Kaste der Meta-Barone, sind aber eigenständig genug um aus Der letzte Incal (zumindest optisch) mehr als den x-ten Aufguss einer Erfolgsserie zu machen.
Zwei Jahre nach der deutschen Erstausgabe bei Ehapa veröffentlicht Splitter – hier erscheint auch eine Neuauflage in alter Kolorierung der klassischen Incal-Serie – eine deutlich bessere Edition des selben Albums und der beiden Fortsetzungen Louz de Garra und Gorgo-le-Sale.
In der Hardcoverausgabe von Die vier John Difool kommen die Farben besser zur Geltung und seltsamerweise sind die Sprechblasen teilweise anders platziert als bei der Edition von Ehapa. Ein besonderes Bonbon ist die als Zugabe beigefügte bitterböse 10-seitige Story Die goldenen Tränen von 2004. Hierbei handelt es sich um die erste Zusammenarbeit von Jodorowsky und Ladrönn, die später auch bei Die Söhne von El Topo harmonierten.
Alain Mangel mangelt es eigentlich an nichts. Der gerne in lilafarbenen Klamotten auftretende Philosophie-Professor kommt an der Pariser Sorbonne vor allem bei seinen Studentinnen sehr gut an. Als seine Frau ihm zum 60. Geburtstag die Scheidung schenkt und danach auch noch die Wohnung leerräumt, muss Alain umdenken.
Ob es wirklich eine so gute Idee war sich mit seinem getreusten Fan, der wunderschönen ebenfalls immer lila tragenden Studentin Elisabeth, einzulassen wird sich noch zeigen. Als diese vom sich eigentlich für impotent haltenden Alain schwanger wird, glaubt Elisabeth sie trage den Messias in sich und findet zudem auch noch einige sehr seltsame Gleichgesinnte…
Lust & Glaube überrascht zunächst dadurch, dass das Erfolgsteam von John DiFool: Der Incal hier recht realistisch die linksliberale Realität an der Pariser Uni wiedergibt. Doch Moebius und Alejandro Jodorowsky wären nicht sie selbst, wenn sie nicht doch nach und nach immer mehr esoterische Zutaten in ihr Süppchen einrühren würden. Während der Eröffnungsband Die Irre von Sacré Coeur noch fast wie eine Boulevardkomödie um einen alten Narren wirkt, der noch einmal jung sein möchte, endet der zweite Teil Gefangen im Irrationalen als groteskes Action-Abenteuer.
Das letzte Album Der Irre von der Sorbonne erschien erst fünf Jahre nach Band 2. Hier ist Moebius’ Zeichenstil cartooniger geworden und seine Bilder sind mit oftmals fünf Panelreihen pro Seite sehr viel kleinformatiger. Jodorowskys Geschichte nimmt jetzt keinerlei Rücksicht mehr auf Realität oder Logik, sondern ist ähnlich wild entfesselt wie beim Incal.
Die ersten beiden Bände von Lust & Glaube erschienen bei uns zuerst bei Ehapa und Schreiber & Leser veröffentlichte danach den Abschlussband. Dort erschien auch eine Gesamtausgabe im handlichen “Graphic Novel Format“.
Leider wurde das am wenigsten ansprechende Cover für diese Komplettedition ausgewählt und die beiden anderen Titelbilder (von Band 1 und 3) nicht mitveröffentlicht. Doch ansonsten ist eins der schönsten Werke des Dreamteams Moebius und Jodorowsky endlich wieder lieferbar. Das Format der Comiczeichnungen ist dabei nur geringfügig kleiner als in der alten Edition, die herrlich grellen Farben sind jetzt noch etwas knalliger und außerdem gibt es als Bonus noch ein Lesebändchen, natürlich in Lila!
Ab 2006 hatte Egmont mit Die Blueberry Chroniken bereits eine mittlerweile auf 20 Bände angewachsene Gesamtedition der wohl besten Westernserie der Comic-Geschichte veröffentlicht. Der erste Band enthielt die Jugendabenteuer von Mike S. Donavan alias Blueberry. Egmonts neue noch etwas großformatigere Collector’s Edition präsentiert jedoch als erstes jene Comics, mit denen alles begann.
Ab 1963 erschien im Magazin Pilote als wöchentliche Fortsetzungsserie eine Geschichte, die zwei Jahre später im Album Fort Navajo komplett veröffentlicht wurde. Dies war jedoch nicht – wie seinerzeit üblich – eine in sich abgeschlossene Story, sondern der spannende Auftakt eines fünfbändigen Epos, dessen ersten drei Teile dieser Band der Collector’s Edition enthält.
Der Autor Jean-Michel Charlier (Die Abenteuer von Tanguy und Laverdure, Der rote Kosar) lässt seine Geschichte 1866 in Arizona beginnen. Der junge, pflichtbewusste Leutnant Craig ist unterwegs nach Fort Navajo, einem mitten im Indianergebiet gelegenen Außenposten der Armee. Bei einer Rast in einem Saloon hilft Craig einem Glücksspieler aus einer selbstverschuldeten Notlage. Zu seiner Überraschung stellt Craig fest, dass es sich bei dem verantwortungslos agierenden Burschen um Leutnant Blueberry handelt und dieser ebenfalls seinen Dienst in Fort Navajo antreten will…
Beim weiteren Verlauf der Geschichte orientierte sich Charlier an tatsächlichen Ereignissen, aber auch an Film-Klassikern wie John Fords Kavallerie-Trilogie. Doch stärker noch als die Western aus Hollywood stellte sich Charlier auf die Seite der um ihr Land betrogenen Indianer.
Eine Inspirationsquelle war sicher auch der Film Der gebrochene Pfeil von 1950 mit James Steward. Hierin ist Jeff Chandler als Cochise zu sehen und hat große Ähnlichkeit mit Jean Girauds gezeichneter Version des Apachen-Häuptlings.
Ebenso spannend wie die Geschichte darüber, wie Blueberry mit allen Mitteln versucht einen Krieg mit den Indianern zu verhindern, ist die künstlerische Entwicklung von Giraud. Dieser zeichnete anfangs noch im etwas sterilen Stil seines Lehrmeistes Joseph Gillain alias Jijé (Jerry Spring), von dem auch das Cover zu Fort Navajo stammt.
Der Zeichenstil von Jean Giraud wurde in den nächsten Jahren immer lockerer. Im weiteren Verlauf der eigentlich “realistischen“ Geschichte schimmert schon etwas von jener klar konstruierten Welt durch, die zum Markenzeichen von Girauds Alter Ego Moebius (John Difool: Der Incal) werden sollten.
Bei der Kolorierung der Collector’s Edition wurde sich an der Farbgebung der Erstveröffentlichung in Pilote orientiert. Das geht sogar so weit, dass eine seinerzeit aus Kostengründen nur mit der Schmuckfarbe rot kolorierte Doppelseite in dieser Form auch in die Collector’s Edition übernommen wurde, obwohl alternative farbige Versionen existieren.
Ein interessanter Anhang mit Texten von Volker Hamann (Reddition) zeigt, in wieviel unterschiedlichen Farbversionen Blueberry im Laufe der Jahre auf die Leser losgelassen wurde. Für die Collector’s Edition wurde ungestrichenes Papier verwendet, auf dem – meiner Meinung nach – die Farben nicht so prächtig wirken, wie im Hochglanz-Flyer, mit dem Egmont diese Neuveröffentlichung bewirbt.
Ansonsten gibt es wenig zu meckern. Im Gegensatz zu den Blueberry Chroniken, deren Bonusmaterial meist aus Texten über den Wilden Westen bestand, gibt es diesmal interessante Einblicke in die Entstehungs-Geschichte des Klassikers. Wir erfahren nicht nur, dass Blueberrys Aussehen zunächst an Jean-Paul Belmondo orientiert war, sondern auch noch, dass der französische Filmstar hierfür angeblich um Erlaubnis gefragt wurde (wer noch etwas herumgoogelt “erfährt“, dass Belmondo sogar für den Comic Modell gestanden hat).
In dieser Ausgabe kommt neben einer schwarzweißen Version der ersten Comic-Seite, die zeigt, was für ein ausgereifter Zeichner Giraud bereits 1963 war, auch der zugehörige Text von Charlier zum Abdruck, der aus mehr als vier Schreibmaschinenseiten besteht!
Es bleibt zu hoffen, dass sich diese schöne Edition nicht wie angekündigt darauf beschränkt in neun Bänden (mit durchgehenden Rückenmotiv) alle von Giraud gezeichneten Blueberry-Alben zu präsentieren, sondern noch um Sonderbände mit den Kurzgeschichten und den weiteren Comics der Serie ergänzt wird.
Mittlerweile kam übrigens wieder etwas Bewegung in die Traditionsserie. Von Joann Sfar (Die Katze des Rabbiners, Gainsbourg) und Christophe Blain (Isaak der Pirat), die auch für eine Fortsetzung von Hugo Pratts Corto Malteseim Gespräch waren, liegt jetzt die Blueberry-Hommage Das Trauma der Apachen vor.
Auch wenn es etwas zynisch klingt, die frankobelgische Comicszene profitierte davon, dass während des Zweiten Weltkriegs der Import von US-Serien immer schwieriger wurde. Ende der 30er-Jahre kämpfte auch im Spirou-Magazin Superman für „Truth, Justice and the American Way“ und der Red Ryder versuchte den Wilden Westen zu bändigen. Als der Nachschub aus den USA ausblieb, übernahm der vielseitige Joseph Gillain alias Jijé das Zeichnen des Red Ryder und konnte hier für sein ab 1954 Spirou-Magazin erschienenes Western-Meisterwerk üben.
Mit Jerry Spring startet Ehapa nach Jeff Jordan, Lucky Luke, Isnogud, Tanguy und Laverdure (diese Flieger-Serie übernahm Jijé nach einigen Alben von Albert Uderzo) und Blueberry (hier sprang gelegentlich als Ersatzzeichner ein, während Jean Giraud alias Moebius einen großen Teil des Jerry Spring-Alben Unterwegs nach Coronado zeichnete) eine weitere Gesamtausgabe eines frankobelgischen Comicklassikers.
Der erste Band enthält neben vier albenlangen Geschichten ein 30-seitiges hochinteressantes und exquisit bebildertes Vorwort. Die an B-Movies erinnernden Western-Abenteuer die Jerry Spring zu bestehen hat, mögen heute etwas altbacken wirken, doch Jijés Artwork ist zeitlos modern. Dies zeigt besonders gut diese in Schwarzweiß abgedruckten Gesamtausgabe.
Der Verzicht auf Farbe war Jijés Wunsch, denn beim Zeichnen orientierte er sich an US-Zeitungscomics wie Steve Canyon und geizte nicht mit schwarz ausgemalten Flächen. Das Kolorieren hingegen langweilte Jijé und wurde nach wenigen Alben auch nicht mehr von ihm ausgeführt. Auch wer nicht sonderlich beeindruckt von den bei uns bei Bastei, Condor und Carlsen veröffentlichten Jerry Spring-Alben war, dürfte in dieser sehr schön aufgemachten Gesamtausgabe einen meisterlichen Zeichner mit einem enorm lässigen Strich neu entdecken.
Im Vorwort schreibt Pierre Christin, dass er sich selbst versprochen hat “niemals eine Autobiografie zu schreiben“, denn er hütet sich “vor all diesen Verherrlichungsmechanismen, seien sie auch noch so bescheiden“. Was er schließlich in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Philippe Aymond (Lady S.) schuf, ist nur sehr am Rande eine Biografie.
Christin ist u. a. der Autor von Comic-Meisterwerken wie Bilals Legenden der Gegenwart, André Juillards Lenas Reise oder Annie Goetzingers Das Fräulein von der Ehrenlegion. Seine Geschichten, auch die seiner Science-Fiction-Serie Valerian und Veronique, basieren auf Beobachtungen die Christin auf seinen zahlreichen Reisen gemacht hat.
Das erste Kapitel des Comics Ost-West beginnt damit, in strahlenden Farben zu erzählen, wie Christin die USA erlebte, als er dort ab 1965 als Professor für französische Literatur an der Universität von Salt Lake City arbeitete. Plötzlich befindet er sich in der prächtigen Welt des Wilden Westen, die ihm in den Pariser Kinos seine triste Nachkriegsjugend versüßte. In den USA trifft er auch seinen Jugendfreund Jean-Claude Mézières, der dort tatsächlich als Cowboy arbeitet und später Zeichner von Valerian und Veronique werden sollte.
In Salt Lake City lebt er allerdings auch in einer Welt voller religiösen Wahn und offenen Rassismus. Auch mit der Gegenkultur der Hippies konnte sich Christin nicht identifizieren und so kehrte er nach Frankreich zurück. Kapitel 2 und 3 des Buchs erzählen, wie Christin Frankreich vor und nach seiner USA-Reise erlebte.
Beeindruckend von Philippe Aymond in Szene gesetzt, wird hier dargestellt, wie begeistert Christin und Mézières von der Kunst des jungen Jean Giraud alias Moebius sind. Sehr interessant ist auch die Schilderung der ersten Begegnung mit René Goscinny und Jean-Michel Charlier, die Christin zeigen, wie sie Comics texten.
Doch das Kernstück des Buchs ist das letzte Kapitel, dass detailreich die Beobachtungen darstellt, die Christin – zuerst mit Mézières dann alleine – auf Reisen durch die osteuropäische Welt des real existierenden Sozialismus machte. Er erlebt, wie sich viele der dortigen Bewohner trotz katastrophaler Lebensumstände ihre Menschlichkeit bewahrt haben.
Nach der Rückkehr ins schillernde West-Berlin folgt ein “Gegenschock“ und Christin fragt sich (und uns): “Diese geballte Ladung an Fleisch, an Metall, an Lärm, an unnützer Hektik und an Geld – ist das unsere unübertreffliche Zukunft?“
Es ist erstaunlich wie produktiv Jean Giraud alias Moebius etwa mit seiner epischen Western-Serie Leutnant Blueberry, John Difools abgefahrenen Incal-Abenteuern oder den Sternenwanderern war. Einige seiner wichtigsten Werke veröffentlichte er in den 70er Jahren im bahnbrechenden Magazin Metal Hurlant, das bei uns – ergänzt um deutsche Beiträge – als Schwermetall veröffentlicht wurde.
Viele der Comics des meisterhaften Zeichners, die in Metal Hurlant erschienen sind, hat Cross Cult in diesen sechs Bänden als Moebius Collection veröffentlicht: The Long Tomorrow, Die blinde Zitadelle, Die Ferien des Majors, Arzach, Die hermetische Garage und Zwischenlandung auf Pharagonescia. Alle diese Ausgaben sind mittlerweile vergriffen und werden hoch gehandelt.
Es ist durchaus eine Überlegung wert, diese Einzelbände gegen den prachtvollen Band Moebius Opus einzutauschen, der – soweit ich es beurteilen kann (leider fehlen in Buch Angaben darüber wann die einzelnen Comics erschienen sind) – auf 446 Seiten in chronologischer Reihenfolge alle Beiträge enthält, die Moebius für Metal Hurlant gezeichnet hat. Splitter veröffentlicht das schön aufgemachte Buch im Format 23 x 32 cm als elften Band seiner interessant zusammengestellten Jubiläums-Edition, in der auch eine Gesamtausgabe von Jean Girauds Serie Jim Cutlass erschienen ist.
Obwohl die Auflage 1.111 Exemplare beträgt, war das Buch zu seinem Erscheinungstermin schon fast komplett ausverkauft. Mittlerweile wird es teilweise bereits recht hochpreisig angeboten. Seinen Coverpreis von 99,80 Euro ist diese Wahnsinnsreise durch die phantastischen Welten von Moebius auf alle Fälle wert!
Jean van Hamme erzählt diesmal eine Jugendepisode aus dem (mittlerweile auch verfilmten) Leben von Jason Fly, der später zum geheimnisvollen Mannes mit zahllosen Namen und geheimnisvoller XIII-Tätowierung wurde. Das Album wurde ausnahmsweise einmal nicht von William Vance (Bruno Brazil, Marshal Blueberry, Bruce J. Hawker) gezeichnet, sondern von Jean Giraud alias Moebius. Dies ist auch insofern bemerkenswert, weil Vance zuvor zwei Bände von Girauds Serie Blueberry zeichnete.
Der Autor Jean van Hamme (Thorgal, Largo Winch) liefert als Vorwort eine kurze Übersicht zur Geschichte Irlands, was recht hilfreich beim Verständnis der Erzählung ist. Hauptfigur ist der noch sehr junge Seamus O´Neil, der bereits eine äußerst bewegte Vergangenheit hat. Vorbelastet durch seinen Vater, der in englischer Haft starb, will Seamus unbedingt für die IRA kämpfen. Doch er macht die sehr blutige Erfahrung – u. a. starb eine Frau, in die er sich verliebt hatte, und er wurde gezwungen seinen angeblich verräterischen Geschichtslehrer zu erschießen – dass Gewalt nicht die Lösung sondern das Problem ist.
Doch da ist es schon zu spät und Seamus entgeht seiner Verhaftung dadurch, dass er in die USA geschmuggelt wird. Als Kelly Brian verlebt er dort einige sorglose Jahre bevor ihn die Vergangenheit wieder einholt. Seamus soll wieder für die IRA aktiviert werden, doch es wird vorher noch erwartet, dass er seinen Kumpel Jason Fly umbringt.
Nachdem Giraud seine letzten Blueberry-Alben im Alleingang sehr schwach textete und gewohnt großartig zeichnete, tut es gut, wenn er seine ausgereifte Kunstfertigkeit endlich wieder in den Dienst einer wirklich gut durchdachten und mitreißend-spannenden Geschichte stellt, die zudem auch noch ohne Kenntnis der übrigen XIII-Bände bestens unterhält.
Mittlerweile ist bei Carlsen der erste Band der Reihe XIII mystery erschienen, in der sich weitere Autoren und Zeichner mit Figuren aus der Serie beschäftigen. Zum Auftakt erzählen Ralph Meyer (Autor von Long John Silver und Xavier Dorison (Zeichner von Tödliches Wiegenlied) mit dem Profikiller La Mangouse beschäftigen. Anschließend folgten Bände zur russischen Killerin Irina (Text: Éric Corbeyran, Zeichnungen: Philippe Berthet) sowie zu Little Jones und Colonel Amos.
Jean Giraud alias Moebius ist zwar am 10. März 2012 gestorben, aber seine Comics leben auch bei uns weiter! Bei Ehapa erschien sein letztes Werk Arzak in einer sehr schönen großformatigen Ausgabe, Splitter schloss seine optimal aufgemachte sechsbändige Incal-Reihe ab und Cross Cult stockt seine bisher aus den Bänden Die hermetische Garage und Arzach bestehende Moebius Collection noch gewaltig auf.
Im selben Format erschienen gleichzeitig fünf Bände mit teilweise bisher nur in Métal Hurant oder in Schwermetall aber noch nie im Albumformat veröffentlichten Comics. The Long Tomorrow ist möglicherweise das interessanteste Album dieser Reihe. Enthalten ist u. a. jene Short Story, die Ridley Scott zum Look von Blade Runner inspirierte sowie eine hochinteressante Einleitung von Moebius zum Zustandekommen dieses Comics.
1975 arbeitete Moebius an einer Verfilmung von Frank Herberts Dune – Der Wüstenplanet unter der Regie von Alejandro Jodorowsky. Aus diesem leider gescheiterten Projekt resultierte nicht nur die einflussreiche Comicserie Der Incal, die Moebius nach Texten von Jodorowsky zeichnete. Wie sich herausstellte war auch der für die Spezialeffekte bei Dune angeheuerte Dan O’Bannon (Dark Star) ein guter Zeichner. Seine futuristische Detektiv-Geschichte The Long Tomorrow hatte er in Form von Storyboard-Zeichnungen entwickelt und Moebius machte daraus einen 16-seitigen ebenso spannenden wie opulent in Szene gesetzten Comic.
Der Band enthält noch sechs weitere Comic-Kurzgeschichten von Moebius. Diese beeindruckenden eher durch das Artwork (bei Anflug auf Centauri arbeitete Moebius mit Philippe Druillet zusammen und kopierte perfekt dessen Zeichenstil) als durch die – auch nach der Lektüre der zugehörigen Passagen von Moebius’ Vorwort – nicht immer einleuchtenden Geschichten!
In identischer Aufmachung erschienen bei Cross Cult zeitgleich außerdem noch diese Moebius-Collections: Der Mann von der Ciguri, Die blinde Zitadelle, Zwischenlandung auf Pharagonescia und Die Ferien des Majors.